Rabin Ajau: Vom Werbeobjekt zur Feministin
Fijáte 242 vom 22. Aug. 2001, Artikel 6, Seite 5
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Rabin Ajau: Vom Werbeobjekt zur Feministin
Guatemala, 17. Aug. Seit 33 Jahren wird an der Feria de Cobán, dem traditionellen Jahrmarkt, unter den schönsten Indígenafrauen die Rabin Ajau (Tochter des Königs) gewählt. Die Wahl der Rabin Ajau war und ist aber nicht nur für die Indígenas ein wichtiges Ereignis, auch die jeweiligen zivilen oder militärischen Staatsmänner, die Tourismusbranche und die Werbefachleute zogen und ziehen ihren Nutzen aus dem Anlass. Das traditionelle Bild der Rabin Ajau ist das einer jeden Schönheitskönigin: Schön aber etwas dümmlich. Zahlreiche Staatsmänner und Militärköpfe liessen sich im Verlauf der Jahre in Cobán neben der Rabin Ajau abknipsen, während sie andernorts die indigene Bevölkerung umbringen liessen. Die Tourismusindustrie verkauft(e) den Anlass als das folkloristische "Eingeborenenfest" schlechthin. Die Werbebranche weiss bekanntlich eine jede Frau zu vermarkten... Eine Veränderung in der Rolle der Rabin Ajau zeichnete sich ab mit der Stärkung der Indígenabewegung, die versuchte, der Wahl der Indígenakönigin eine politische Komponente zu verleihen. Ihre Ansprache hielt die Rabin Ajau jeweils in Spanisch und in ihrer jeweiligen Mayasprache, wobei ihr jeweils vorgegeben war, was sie zu erzählen hatte. Dies änderte sich: Die spanische Rede, die von allen verstanden wurde, blieb oberflächlich und folkloristisch wie immer, die Rede in der Mayasprache jedoch, die an die indigene Bevölkerung gerichtet war, enthielt politische Botschaften. Nun hat eine erneute 'Radikalisierung' der Rabin Ajau stattgefunden, hin nämlich zu einem feministischen Bewusstsein (was sie wohl selber nicht als solches bezeichnen würde, ist doch Begriff 'Feminismus' in Guatemala nach wie vor negativ konnotiert): Als nämlich am diesjährigen 30. Juli die scheidende Indígenakönigin ihr 'Zepter' abgab, kritisierte sie in ihrer Abschiedsrede die Diskriminierung und Kommerzialisierung der Frau und das Verfolgen persönlicher Interessen seitens des Organisationskomitees dieses Anlasses, womit sie tosenden Applaus erntete. Das Komitee bestätigte ihre Worte sogleich, indem es nämlich zuerst die falsche Frau als ihre Nachfolgerin ausrief. Als dann die Jury aufs Podium stieg, ihren Irrtum bekannt gab und Manuela Pop, Vertreterin des Quiché als Gewinnerin ausrief, verweigerte diese die Annahme der Krone. Pop solidarisierte sich mit ihrer Vorgängerin und kritisierte ebenfalls die Diskriminierung der Frauen durch das Komitee. Schliesslich wurde der Anlass abgebrochen und die Krone und das Zepter der lokalen Polizei in Gewahrsam gegeben. Nach oben |
Die Ex-Rabin Ajau und einige Teilnehmerinnen des diesjährigen Wettbewerbes forderten an einer gemeinsamen Pressekonferenz die Schaffung einer Kommission zur Förderung der Kultur der indigenen Frauen. Die Menschenrechtsombudsstelle, die Stelle für die Rechte der indigenen Frauen und MINUGUA wurden aufgefordert, ihren Beschwerden nachzugehen. Die wenige Tage später neu gewählte, lokale Indígenakönigin von Sololá nahm das Thema auf und verkündete, ihre Position dazu einzusetzen, Projekte indigener Frauen zu unterstützen. |
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