Verletzung des Rechts, sich zu ernähren
Fijáte 237 vom 13. Juni 2001, Artikel 3, Seite 3
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Verletzung des Rechts, sich zu ernähren
Guatemala, 29. Mai. Vor mehr als vier Jahren wurden 32 ArbeiterInnen der Kaffeefinca Nueva Florencia, Colomba, Quetzaltenango entlassen, unmittelbar nachdem sie eine Gewerkschaft gegründet hatten. Sie hatten sich organisiert, um die schlechten Arbeitsbedingungen im Kaffeeanbaugebiet von Colomba zu verbessern. (Der gegenwärtige Mindestlohn ist so niedrig, dass er nicht einmal ein Fünftel des Grundwarenkorbs für eine Familie deckt, die Situation vor vier Jahren war nicht viel besser). Die Namen der entlassenen KaffeepflückerInnen wurden auf "schwarze Listen" gesetzt, so dass sie auch keine Arbeit auf benachbarten Fincas finden können. Unter Begleitung der Landpastoral des Bistum Quetzaltenango und der Interdiözesanen Landpastoral haben die ArbeiterInnen den Prozessweg eingeschlagen. Am 16. Juni 1998 erliess die Vierte Kammer des Arbeits- und Sozialgerichts eine Resolution, die die sofortige Wiedereinstellung aller entlassenen ArbeiterInnen und die Zahlung aller seit dem Datum der Entlassung einbehaltenen Löhne anordnete. Die Arbeitgeberseite legte gegen diese Resolution über mehrere Instanzen hin Berufung ein. Letztendlich entschied am 4. Januar 2000 der Verfassungsgerichtshof auf sofortige Durchführung besagter Resolution. Trotzdem weigert sich die Familie Bruderer Berger, Eigentümerin der Finca Nueva Florencia, der Anordnung der höchsten gerichtlichen Instanz Guatemalas Folge zu leisten, so dass die ArbeiterInnen noch immer ohne Arbeit sind und keine Grundlage haben, sich zu ernähren. Es ist offensichtlich, dass der guatemaltekische Staat es bis jetzt nicht geschafft hat, die Arbeitsrechte, vor allem das Recht, sich zu ernähren, der betroffenen Familie wirksam zu schützen. Als Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist Guatemala verpflichtet, das Menschenrecht auf Nahrung zu schützen. Seit 1998 hat die international arbeitende Menschenrechtsorganisation FIAN den Fall Nueva Florencia begleitet. 1998 intervenierte FIAN mittels eines Gespräches mit dem damaligen Arbeitsminister, 1999 mit einer Eilaktion und mit Briefen an die Gerichtsinstanzen. Die Ergebnisse dieser Aktionen fielen sehr positiv aus: Der Arbeitsminister erklärte die Gewerkschaft von Nueva Florencia im November 1999 für rechtmässig und im Januar fällte das Verfassungsgericht das erwähnte Urteil. Im Juli 2000 führte FIAN ein Gespräch mit dem gegenwärtigen Arbeitsminister, der versprach, die zur unmittelbaren Wiedereinstellung und zur Zahlung der einbehaltenen Löhne notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Trotzdem fährt die Familie Bruderer Berger fort, sich elementar rechtsstaatlichen Prinzipien zu widersetzen. Nach oben |
Die Situation der entlassenen KaffeepflückerInnen ist prekär: Sie werden bedroht, ihre Kinder wurden vom Schulunterricht ausgeschlossen und nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Impfungen zugelassen. Den Frauen wurde der Zugang zur Maismühle versperrt, ihren Häuser wurden die Dächer abgedeckt, einige wurden sogar angezündet. Die Hälfte der 32 ArbeiterInnen hat während den Jahren dem Druck der Repression nachgegeben und sich mit geringfügigen Abfindungszahlungen zufriedengegeben. Nun rufen die Landpastoral von Quetzaltenango und FIAN zu einer erneuten Eilbriefaktion auf. Die guatemaltekische Regierung soll gedrängt werden, in diesem sehr wichtigen Fall dafür zu sorgen, dass der Straffreiheit bei Arbeitsrechtsverletzungen ein Ende gesetzt wird. Informationen über die Aktion sind zu finden auf www.fian.de. |
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