Biologischer Kaffeeanbau auf Demobilisierten-Finca
Fijáte 236 vom 30. Mai 2001, Artikel 1, Seite 1
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Biologischer Kaffeeanbau auf Demobilisierten-Finca
Die Preise auf dem internationalen Kaffeemarkt sind im Keller (siehe ¡Fijáte! 232), die Auswirkungen auf die vom Kaffeeanbau abhängigen guatemaltekischen BäuerInnen und Bauern fatal. Auf der Finca Santa Anita in der Nähe von Colomba, Quetzaltenango, leben 37 Familien ehemaliger KämpferInnen der URNG. Die Realisierung ihres Traumes, auf dem eigenen Land selbstbestimmt zu arbeiten, gestaltet sich schwierig angesichts der Schulden, die auf der Finca lasten und den schlechten Preisen, die sie für ihren Kaffee bekommen. Im folgenden Artikel erzählt Lázaro Eulalio Ventura Velásquez, Vorsitzender der Kooperative Santa Anita, von den Problemen, mit denen das Projekt konfrontiert ist und vom Bestreben der Kooperative, auf biologischen Kaffeeanbau umzustellen, um so Zugang zum sog. fairen Handel zu bekommen. Eigentlich kamen wir unter Druck hierher, weil wir nach Unterzeichnung der Friedensabkommen nicht länger in der Demobilisiertenherberge bleiben konnten. Wir hatten nicht genügend Zeit, um eine wirklich gute Finca zu suchen, deren Boden in einem guten Zustand, und die betriebsbereit gewesen wäre. Unter diesem Druck und auch, weil wir selber das Bedürfnis hatten, endlich einen Ort zum Leben und Arbeiten zu haben, entschieden wir uns für die Finca Santa Anita in der Nähe von Colomba, Quetzaltenango. Von ihrer Lage her ist die Finca ausgezeichnet, aber andere Kriterien wurden eindeutig zuwenig genau angeschaut. Für den Kauf der Finca bekamen wir vom guatemaltekischen Landfonds (FONTIERRA) ein Darlehen über 2'170'500 Quetzales (rund 300'000 US-$), das wir innerhalb von 10 Jahren (inkl. Zinsen) zurückbezahlen müssen. Dabei wurde uns ein Jahr Fristerstreckung (Gracia) gewährt, das heisst, wir mussten erst im zweiten Jahr mit der Rückzahlung des Kredites beginnen. Als uns die Finca Santa Anita übergeben wurde, stellte uns ein Unternehmen eine Art ,Haushaltsbudget' auf, das über die zehn Jahre hinweg reicht, in denen wir das Darlehen zurückzahlen müssen. Genauso wurde es auch auf den andern Demobilisierten-Fincas (Nuevos Horizontes im Petén und El Progreso in Suchitepéquez, die Red.) gemacht. Wenn wir nun nach vier Jahren eine Zwischenbilanz ziehen, sieht das Ergebnis überall gleich aus: Es ist schlicht unmöglich, das Geld innerhalb der Zehnjahresfrist zurückzuzahlen. Unmöglich einerseits wegen der Höhe des Betrags und zum andern, weil alle diese Fincas während Jahren nicht bearbeitet wurden und jetzt erst eine Anlaufzeit brauchen, um wieder Gewinn abzuwerfen. Seit letztem Jahr sind wir dabei, gemeinsam mit den anderen beiden Demobilisiertenfincas mit der Regierung einen neuen Rückzahlungsmodus für die Darlehen auszuhandeln, da wir es nie schaffen werden, die Fristen einzuhalten. Im ersten Jahr konnten wir uns keine Löhne ausbezahlen und hatten ausserdem eine sehr schlechte Ernte. Im zweiten Jahr begann dann das Programm der Europäischen Union (EU), das Programm PAREC, das Wiedereingliederungsprojekte für demobilisierte KämpferInnen finanziert. So begannen wir, mit einem zweiten Kredit zu arbeiten. Wir mussten einen Jahres-Arbeitsplan aufstellen und gemäss diesem Plan erhalten wir nun Geld von PAREC. Ein Teil dieses Geldes sind Schenkungen, aber der grösste Teil sind ebenfalls Darlehen, die wir zurück zahlen müssen. Immerhin ist im Projekt von PAREC auch die Auszahlung von Löhnen enthalten. Im Moment können wir uns einen Lohn von 17.50 Quetzales (2.3 US-$ pro Tag) ausbezahlen. Wir müssen die Finca von Grund auf neu bewirtschaften. Wir haben einen genauen Arbeitsplan aufgestellt, wie oft und wann wir düngen müssen, wie oft und wann wir dieses oder jenes machen müssen. Doch wir konnten diesen Plan nicht einhalten. Was das Düngen betrifft, hatten wir kein Geld, um Düngemittel zu kaufen. Wir hatten Probleme mit der Europäischen Union, denn wir bekommen von ihr das Geld nicht rechtzeitig ausbezahlt. Wir müssten jetzt, in diesem Monat düngen, aber wenn sie uns das Geld erst in zwei oder drei Monaten schicken, nützt es uns nichts mehr. Wir brauchen einen Kredit für das Roden und Jäten des Geländes, weil diese Arbeit jetzt ansteht. Aber wenn sie uns das Geld erst in zwei Monaten geben, sind unsere Kaffeepflanzen von Unkraut überwachsen. 2001 ist auch bereits das letzte Jahr, in dem wir mit der Unterstützung von PAREC rechnen können, danach ist das Projekt abgeschlossen. Danach stehen wir mit der zusätzlichen Schuld an PAREC da und mit der Sorge, wie wir uns in Zukunft die Löhne bezahlen sollen. Die Fläche des kultivierbaren Landes von Santa Anita beträgt 986 cuerdas (400'000 km2). Pro cuerda rechneten wir mit einer Ernte von einem Quintal Kaffee (46.01 kg), das heisst, wir hätten im ersten Jahr 986 Quintales ernten sollen. Dem war aber nicht so, wir ernteten bloss 176 Quintales Kaffee pergamino (Pergamino ist die innere Kaffeeschale. In pergamino wird der Kaffe getrocknet und exportiert, die Red.) Den Erlös dieser ersten Ernte haben wir auf ein Bankkonto einbezahlt und dies ist unser bisschen Reserve, die wir anbrauchen werden, wenn wir bald keine finanzielle Hilfe mehr erhalten. Im zweiten Jahr ernteten wir dann zehn Quintales mehr. Im dritten Jahr hingegen hatten wir eine verhältnismässig gute Kaffeernte. Nicht so gut wie wir es uns erhofft hatten, aber immerhin war die Ernte dreimal so gross wie im Jahr zuvor. Aber es ist, als wenn wir nichts geerntet hätten, weil der internationale Kaffeepreis so niedrig ist. Wir müssten dieses Jahr 300'000 Quetzales des Kredites zurückzahlen, aber die Ernte hat uns nicht einmal 200'000 Quetzales eingebracht. Nach oben |
Es war überhaupt sehr schwierig für uns, uns hier einzuleben. Vor kurzem erst von den Bergen (vom Krieg) zurückgekehrt, waren viele Leute von uns noch voller Sorgen, weil sie z.B. ihre Familien nicht fanden, weil kein Geld da war, um Kleider zu kaufen, weil ein Kind erkrankt war und kein Geld für Medikamente da war, weil man (endlich!) auf der Suche nach einer Partnerin oder einem Partner war. Alle diese Sorgen lasteten auf uns. Dazu kam die Arbeit auf dem Land. Nach so vielen Jahren Umgang mit dem Gewehr mussten wir uns erst wieder an die Arbeit mit der Machete gewöhnen. Und zu unserem Unglück trafen wir hier einen reinen Urwald an, alles war überwuchert. Zur gleichen Zeit mussten wir mit dem Hausbau beginnen und uns um die Installation des Wassers kümmern. Dies ist ein nach wie vor ungelöstes Problem, unsere Wasserfassung ist ziemlich weit vom Dorf weg und das Wasser muss hochgepumpt werden. Allein die Wartung dieser Pumpe und der Wasserleitungen ist ein voller Job für eine Person. Wir hatten also Berge von Arbeit vor uns. Anfänglich haben wir alle zusammen im ehemaligen Haus des Besitzers gelebt. Es war aber zu eng hier, als dass alle ihre Familien hätten hierher holen können und wir gaben dem Hausbau auf Kosten der Landwirtschaft Priorität. Einzig mit der Lebensmittelunterstützung, die wir von den internationalen Organisationen bekamen, überlebten wir das erste Jahr. Manchmal fühlen wir uns etwas betrogen von den Leuten der URNG, die für uns die Verhandlungen mit FONTIERRA geführt haben. Wie konnten sie sich mit diesem Kaufpreis einverstanden erklären? Weshalb haben sie nicht an die Konsequenzen gedacht, die wir jetzt tragen müssen? Es gibt viele Dinge, die uns erst jetzt bewusst werden und die bei den Verhandlungen hätten berücksichtigt werden müssen, z.B. die Sache mit dem Wasser. Und an vielen dieser Sachen stören wir uns und ärgern uns über die Leute, die die Verhandlungen für uns geführt haben. Viele von ihnen sind keine Campesinos sondern IngenieurInnen oder AgronomInnen. Sie haben vieles nicht in ihre Überlegungen miteinbezogen, und dabei haben sie mit ihren eigenen Augen gesehen, wie die Situation hier ist. Wir wissen auch nicht, wie sie auf den Kaufpreis gekommen sind. Wir haben für diese Finca 2'062'500 Quetzales (275'000 US-$) bezahlt und das ist sie definitiv nicht wert im dem Zustand, wie wir sie übernommen haben. Da ist es nur logisch, wenn man misstrauisch wird und sich überlegt, ob es da nicht vielleicht auf unsere Kosten noch ein Zwischengeschäft gegeben hat. Ein anderes Problem, das wir haben, ist, dass das Land nicht auf den Namen der Kooperative eingetragen ist, sondern auf die Namen der 35 Mitglieder. Tatsache ist aber, dass von den 35 ursprünglichen Mitgliedern nicht mehr alle hier leben oder gar nie hier gelebt haben. Im Moment sind es 37 Familien, die hier leben. Diverse Zahlungen von Krediten verzögern sich nun, da nicht klar ist, an wen ausbezahlt wird: Ob an die eingeschriebenen Mitglieder auch wenn sie nicht hier leben oder an diejenigen, die hier leben. Dies ist eine Sache, die wir unbedingt klären müssen, denn sonst haben wir früher oder später ein legales Problem. Die Leute machen sich grosse Sorgen wegen der Schuld, die auf der Kooperative lastet. Sie sagen, das Jahr Fristerstreckung (Gracia) ist vielmehr Unglück (Desgracia), weil sich in diesem Jahr die Zinsen trotzdem aufhäuften. Unsere Forderung an die Regierung ist, dass sie uns vier Jahre Frist gewähren. Seit einem Jahr sind wir mit dieser Forderung in Verhandlung, doch wir haben bis heute keine Antwort erhalten. Die Frage, die wir uns hier alle stellen ist: Gehört die Finca uns, gehört sie der Bank oder gehört sie der Europäischen Union? In den drei Jahren die wir nun hier sind, hat sich die Finca stark verändert. Wir haben mit der Technifizierung begonnen. Eigentlich hatten wir vor, auf chemischer Basis zu arbeiten. Das war Teil des erwähnten Arbeitsplanes. Doch weil wir diesen nicht einhalten konnten, und weil wir kein Geld hatten, Düngemittel und Insektizide zu kaufen, entschieden wir letztes Jahr, gänzlich auf chemische Produkte zu verzichten und einen biologischen Kaffee zu produzieren. Im Moment sind wir z.B. dabei, ein Düngemittel aus Asche und der pulpa (Schale) von Kaffeebohnen 'anzusetzen'. Natürlich müssen wir den biologischen Kaffeeanbau erst lernen aber zum Glück ist der Ingenieur, der uns von der Regierung zur Seite gestellt wurde, um uns zu helfen, die Finca wieder in Schwung zu bringen, sehr interessiert an dieser Methode und unterstützt uns dabei. Für den organisch angebauten Kaffee wird von den Grosshändlern etwas mehr bezahlt. Wir müssen aber zuerst das Gütesiegel erhalten, das bezeugt, dass unser Kaffee wirklich biologisch ist. Unser Ziel ist es, in den ,fairen Handel' einzusteigen. Das ist ein ziemlich bürokratischer Prozess und ehrlich gesagt, haben wir keine Erfahrung in der Vermarktung und sind auch in dieser Beziehung auf die Unterstützung von Aussen angewiesen. Ein weiteres Problem ist, dass unsere Infrastruktur, der Hof, auf dem wir die Kaffeebohnen trocknen und unsere Trocknungsanlage nicht den Standards entsprechen, die solche Organisationen voraussetzen. Mit unserer Infrastruktur können wir leider nicht die beste Kaffeequaliät garantieren. Aber eigentlich rechnen wir uns gute Chancen aus, das Bio-Label zu bekommen, weil die Finca über Jahre hinweg nicht bearbeitet wurde und sich in dieser Zeit die Erde erholen konnte. Stellt Euch vor, es gäbe bei Euch 'Demobilisierten-Kaffee' aus Guatemala zu kaufen, das wäre doch toll! Neben der Kaffeepflanzung haben wir auch eine Bananenplantage. Ausserdem hoffen wir, diesen Monat mit einem Hühnerprojekt beginnen zu können. Wir haben schon die ganzen Installationen, wir müssen nur noch eine Wasser- und eine Stromleitung ziehen. Ebenfalls haben wir eine kleine Honigproduktion, aber im Moment haben wir Probleme mit den Bienen. In dieser Gegend besprüht Moscamed (staatliches Programm zur Bekämpfung von Schädlingen und Seuchen in Monokulturen, die Red.) regelmässig ganze Gebiete mit Gift, unter dem Vorwand, Schädlinge zu bekämpfen. Wir wollen etwas dagegen unternehmen, dass sie unser Land besprühen, denn abgesehen davon, dass dies unseren Bienen schadet, ist es auch nicht gut für den organischen Kaffee und wer weiss, welche Auswirkungen das Gift auf die Menschen hat! |
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