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Goldminen in San Marcos: ,,Entwicklungshilfe" mit Unterstützung der Weltbank

Fijáte 336 vom 8. Juni 2005, Artikel 1, Seite 1

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Goldminen in San Marcos: ,,Entwicklungshilfe" mit Unterstützung der Weltbank

Frage: Als die Minentätigkeit begann, versprach die Glamis Gold das Blaue vom Himmel herunter: Arbeitsplätze, Strassen, VGGesundheitszentrumNF, Entwicklungsprojekte, etc. Wurde irgendetwas davon realisiert? V. L.: In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass hinter dieser ganzen Geschichte die Weltbank steckt. Die Weltbank hat Geld geliehen, um den VGMinenabbauNF voranzutreiben und hat gleichzeitig Geld gegeben, um begleitend ein paar Projekte unter dem Stichwort ,,soziale Verantwortung der Unternehmer" durchzuführen. Dazu wurde eine Stiftung mit dem Namen ,,Sierra Madre" gegründet, die sich um die Realisierung dieser Entwicklungsprojekte kümmert. In erster Linie geht es aber darum, das Image von Glamis Gold aufzupolieren und mit einem Haufen Geld um sich zu werfen. Letztes Jahr verfügte ,,Sierra Madre" über ein Budget von 200'000 US$. 75% dieses Geldes wurde in Löhne, Infrastruktur und Fahrzeuge der Stiftung investiert, sowie in die Bestechung der Gemeindebehörden und sonstiger Autoritäten, wie z. B. des Kommandanten der Militärbasis oder der Friedensrichter. Selbstverständlich wurde die eine oder andere Strasse gebaut oder verbessert, aber alle diese Strassen führen zur Mine. Oder es wurde eine Brücke geflickt, die von den schweren Lastwagen der Mine zerstört wurde. Ich habe gar den Verdacht, dass die eingangs erwähnten ,,Wasserprojekte", die von einigen Gemeinden ausgeführt werden und direkt zur Mine führen, ebenfalls von der Stiftung finanziert werden. Ebenso gibt es ein Wiederaufforstungsprojekt, doch mit dem einzigen Ziel, das durch die Minentätigkeit angerichtete Umweltdesaster zu verdecken. Was mich an der ganzen Sache am meisten stört ist, dass es die Regierung mangels einer eigenen Entwicklungspolitik der Privatinitiative überlässt, sich um Infrastruktur-, soziale und Entwicklungsprojekte zu kümmern und ihr damit eine Verantwortung übergibt, die zu übernehmen sie selber nicht in der Lage ist. Frage: Du hast vorhin den Kommandanten der Militärzone erwähnt. Welche Rolle spielt das VGMilitärNF in der Region und im Zusammenhang mit den Minen? V. L.: Die guatemaltekische Gesellschaft ist trotz VGFriedensabkommenNF nach wie vor stark militarisiert. Der Militärapparat ist der am besten funktionierende Apparat in unserem Land, dazu kommt die von der Regierung unterstützte und geförderte Privatisierung der Sicherheit. Die Anwesenheit von Militär in San Marcos wird damit begründet, dass es ein Grenzdepartement ist und das Militär die Aufgabe hat, die Grenzen zu schützen. Eine Verbindung zur Mine besteht deshalb, weil laut Gesetz das Militär anwesend sein muss, wenn im industriellen Bereich mit Sprengstoff gearbeitet wird, was bei den Minen der Fall ist. Was dabei genau die Aufgabe der Militärs ist, ist mir schleierhaft. Tatsache ist, dass sie in der Mine ein und ausgehen, was natürlich in der vom Krieg traumatisierten Bevölkerung die Angst schürt. Viele Leute sind deshalb nicht bereit, z. B. an einer Demonstration gegen die Mine teilzunehmen, weil sie sich vor Repression seitens des Militärs fürchten. Frage: Hier in San Marcos ist das Minenprojekt schon weit vorangeschritten. Hat die Bevölkerung überhaupt noch eine Chance, diesen Prozess irgendwie zu beeinflussen oder aufzuhalten?

V. L.: Die Bevölkerung hat trotz aller Widrigkeiten und autoritärem Verhalten der Regierung eine interessante Entwicklung durchgemacht. Ich weiss nicht, ob Demokratie das richtige Wort ist, auf alle Fälle haben die Leute gelernt, dass sie Rechte haben sowie das Recht, diese einzufordern. Im Moment läuft in Sipacapa und Comitancillo eine VGVolksbefragungNF, eine Art Volksabstimmung darüber, ob die Bevölkerung die Anwesenheit eines Minenunternehmens in der Gemeinde will oder nicht. Dieser Prozess hätte eigentlich durch die Regierung initiiert werden sollen, doch diese ist weder in der Lage noch hat sie ein Interesse daran, diese Form von Partizipation der Bevölkerung zu fördern. Dabei ist wichtig zu beachten, dass es sich um zwei Indígenagemeinden handelt, die sich sowohl auf die allgemeinen nationalen Gesetze wie auch auf die speziellen Rechte der Indígenas berufen und die Befragung nach ihrer eigenen Traditionen durchführen. Ich sehe dies als Zeichen von Reife, Stärke und wachsendem Selbstbewusstsein der indigenen Bevölkerung gegenüber der historischen Unterdrückung und seit neuestem auch gegenüber den transnationalen Unternehmen, die ihnen ihre Existenz zu zerstören drohen. Frage: Wenn nun in dieser Volksabstimmung herauskommt, dass die Bevölkerung keine Minen in ihren Gemeinden will, glaubst du, dass die Regierung diesen Entscheid akzeptieren wird?

V. L.: Es ist eine Herausforderung an die Institutionalität des Landes, mit diesem Entscheid der Bevölkerung umzugehen. Es zeigt sich ja tagtäglich, dass weder unsere Institutionen noch die politischen Parteien funktionieren. In diesem Fall ist es die organisierte Bevölkerung, die ihre Rechte unter Berufung auf die geltenden Gesetze und Konventionen geltend macht ­ und es wird sich zeigen, wie ernst es die Regierung (und die Weltbank) mit ihrem Diskurs von Partizipation und Demokratie meint. Frage: Und wenn ihr Wille nicht respektiert wird, wie wird die Bevölkerung reagieren? V. L.: Im Falle von Sipacapa haben die Leute in den vergangenen Monaten deutlich gemerkt, welche Interessen die Regierung, das Minenunternehmen und die Weltbank haben. Kürzlich ist ein Dokument der Weltbank erschienen, in dem der Minenbau als die Option für Guatemala bezeichnet wird, in die in Zukunft investiert werden soll. Es ist also klar, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll. In einem Gespräch mit VertreterInnen der Weltbank haben die Leute von Sipacapa zwei Punkte erwähnt, die mir sehr wichtig erscheinen. Erstens: Sie hätten die Weltbank nie darum gebeten, in ihre Gemeinde Geld zu investieren und diese solle doch bitte mit ihrem Geld wieder gehen. Und zweitens: Die Bevölkerung sei dazu bereit, ihr Land, ihre Ressourcen, ihre Familien und ihr Leben zu verteidigen, koste es was es wolle. In einem Ort wie Sipacapa heisst das: Bis zu den letzten Konsequenzen, bis zum Tod. Frage: Wie siehst du die Zukunft für Sipacapa und San Miguel, bzw. für die Minenpolitik generell? V. L.: Für die Regierung gibt es kein zurück mehr, die eingeschlagene Politik wird vorangetrieben. Es stecken zu viele Regierungs- und Privatinteressen von Regierungsmitgliedern darin, um im jet-

zigen Stadium zurückzukrebsen. Als MTC werden wir versuchen, alle uns zur Verfügung stehenden legalen und demokratischen Mittel auszuschöpfen und wir werden die Bevölkerung in ihrem hoffentlich gewaltfreien Widerstand unterstützen. Leider hat aber auch die Gewaltfreiheit ihre Grenzen, wobei ich doch sehr hoffe, dass diese Grenzen noch lange nicht erreicht sind. Die betroffene Bevölkerung wird weiterkämpfen, nicht nur gegen dieses Projekt, sondern auch gegen andere negative Auswirkungen, welche die neoliberale VGGlobalisierungNF und die VGFreihandelsabkommenNF mit sich bringen. Es ist eine sehr komplizierte und komplexe Situation in der wir stecken, und wenn wir das Machtverhältnis anschauen, sieht es nicht gut aus für meine Träume und Phantasien einer ,,Politik von Unten". Hoffentlich irre ich mich! Vielen Dank für das Gespräch!


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