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Die Vertreibung der Mayagemeinde von Los Cimientos

Fijáte 267 vom 28. August 2002, Artikel 1, Seite 1

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Die Vertreibung der Mayagemeinde von Los Cimientos

Im August 1994 war es soweit: Die erste Gruppe der Vertriebenen kehrte zurück. Rund fünfzig Familien schafften es, gewaltfrei einen kleinen Teil ihrer Finca Los Cimientos zu besetzen. Ein Erfolg, der ihre Hoffnung stärkte, eines Tages den gesamten Landbesitz zurückzubekommen. Die BesetzerInnen jedoch weigerten sich, abzuziehen. Einer von ihnen erklärt, auch sie seien arme, landlose Bauern.

"Die Armee hat uns gesagt, das Land gehöre uns. Es stimmt, dass die Leute, die jetzt zurückgekommen sind, früher ihren Friedhof hier hatten. Aber sie sind geflohen. Wir haben Landtitel bekommen und wollen hier in Frieden leben. Wo sollen wir denn sonst hin? Wir können nicht einfach in die Dörfer gehen, um zu leben. Wir haben kein Geld, um uns dort Land zu kaufen."

Es begann ein Verhandlungsprozess auf höchster Ebene, zeitweise koordiniert vom katholischen Bischof des Quiché. Beteiligt waren Angehörige der streitenden Parteien, der Armee und hohe Regierungsfunktionäre. In mehreren juristischen Studien wurde ein ums andere Mal die Rechtmässigkeit des Besitzanspruchs der RückkehrerInnen belegt.

Schliesslich erkannten selbst die BesetzerInnen an, dass ihre Landnahme illegal war. Trotzdem vergingen sieben Jahre, während der sich die RückkehrerInnen in zahllosen Sitzungen um die Durchsetzung ihres Rechts bemühten. Vor dem VGInteramerikanischen GerichtshofNF willigte die guatemaltekische Regierung ein, anderes Land zur Verfügung zu stellen, um den Konflikt zu lösen. Doch zu einem ernstzunehmenden Angebot kam es nie.

Mit der Zeit verlor der Verhandlungsprozess an Dynamik, bis zum 25. Juni 2001. An diesem Tag erlebten die RückkehrerInnen erneut eine gewaltsame Vertreibung. Eine bewaffnete Gruppe von Besetzern drang in die kleine Siedlung der RückkehrerInnen ein, zerstörte ihre Hütten, stahl ihr armseliges Hab und Gut, vergewaltigte zwei Frauen und vertrieb die Familien erneut.

Auf diese Ereignisse in Los Cimientos reagierte erstmals auch die nationale Presse. Auf den Titelseiten fast aller Tageszeitungen wurde die Gewalt der ehemaligen PAC-Mitglieder beschrieben, so auch in einem Artikel der Zeitung Al Dia vom 2. Juli 2001:

Am Montag, den 25. Juni bereiteten sich die VGKinderNF der Schule von Los Cimientos für die Feier des Tags des Lehrers vor. "Es war wohl so um die 9:15 Uhr, als Mateo Hernández Sánches und die Hilfsbürgermeister kamen und mich baten, einen Moment lang mit ihnen zu sprechen", berichtet Francisco Oxlaj Pastor, Mitglied des Bildungskomitees der Gemeinde. "Als ich sie in den Schulraum begleitete, sagten die Ex-Patrouilleros zu mir: Ihr habt zwei Stunden, um zu verschwinden. Ich versuchte, eine Erklärung zu bekommen, aber in diesem Moment kamen mehrere Männer herein, die mit Stöcken, Macheten und Gewehren bewaffnet waren. Sie begannen, die Schule zu zerstören. Die Möbel und alles was sie fanden. Das führte zu einer Panik unter den Kindern, die gerade ankamen. Danach gingen die Männer ins Dorf und begannen mit einer generellen Zerstörung. Mehrere Hütten wurden angezündet. Man konnte die Schreie der Frauen und Kinder hören, die flohen. Die Ex-Patrouilleros hatten Spass an der Zerstörung.

Angel Gómez Cruz sagt, die Patrouilleros hätten die Kleidung der Kinder, deren Essen, die Bücher, den Schulplan, die didaktischen Materialien und die Schreibtische zerstört oder gestohlen. Sie hinterließen nichts als Schutt.

In den folgenden sechs Monaten fanden die meisten der Flüchtlinge Unterschlupf in dem kleinen Dorf Xeputúl, etwa zwei Stunden Fussmarsch von Los Cimientos entfernt. Dessen BewohnerInnen zeigten eine ausserordentliche Solidarität, obwohl ihre VertreterInnen und die Vertriebenen weiterhin Drohungen von den BesetzerInnen erhielten. Einmal mehr begann ein Verhandlungsprozess, der bis heute zu keinen greifbaren Ergebnissen für die Vertriebenen geführt hat. Anfangs bemühte sich die VGkatholische KircheNF mit Bischof VGJulio CabreraNF als Vermittler halbherzig um einen Dialog. Die Gewalttaten der BesetzerInnen wurden verurteilt. Internationale Hilfsorganisationen leisteten humanitäre Hilfe in Xeputúl. Mit finanzieller Unterstützung aus der VGSchweizNF begann das Komitee COPRODESQUI, den Unterricht für die Grundschulkinder zu fördern. Aber in Bezug auf den grundlegenden VGLandkonfliktNF blieb alles beim Alten. Die erneut Vertriebenen boten sogar an, das Land unter sich und den Aggressoren aufzuteilen. Doch die BesetzerInnen akzeptierten auch dieses Angebot nicht. Ihre Haltung wurde von der Regierung geduldet. So blieb den Flüchtlingsfamilien nichts anderes übrig, als sich auf ein Angebot der Regierung einzulassen, an anderer Stelle eine Finca als Ersatz zu kaufen.

Am 29. Dezember 2001 verliessen die Flüchtlinge Xeputúl, anfangs mit der Hoffnung, bald auf diese neue Finca ziehen zu können. Doch seitdem ist wenig passiert. Die Regierung hat kein Geld für einen solchen Landkauf und bemüht sich auch nicht ernsthaft, ihr Versprechen einzulösen. Die öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall hat sich verflüchtigt. Bischof Julio Cabrera ist nach VGZacapaNF versetzt worden, ohne einen Nachfolger für sein Vermittleramt zu ernennen. Die internationalen Organisationen verlagern ihr Engagement auf andere, erfolgsversprechendere Fälle. Der Zusammenhalt der Flüchtlingsfamilien geht zunehmend verloren. Viele sind wieder über das ganze Land verteilt, um einzeln zu versuchen, ihr Überleben zu sichern.

Im traditionellen Verständnis der Mayas gibt es keine Landtitel, keinen privaten Landbesitz. Der Erdboden gehört der Gemeinschaft und ist Teil der Natur, die um Erlaubnis gebeten werden muss, bevor die Äcker gepflügt und die Früchte geerntet werden können. Doch die Kolonisierung Amerikas hat das Ende der Ära des gemeinschaftlichen Landbesitzes eingeläutet. Heute schützt die guatemaltekische VGVerfassungNF den privaten Landbesitz. Wenn zum Beispiel eine Finca eines VGGrossgrundbesitzerNF von armen Bauern besetzt wird, dauert es oft nicht lange, bevor grosse Polizeitrupps diese Landnahme beenden. Wenn jedoch eine Mayagemeinde ihr Recht auf privaten Grundbesitz einfordert, zeigt sich, dass für sie die verfassungsmässigen Rechte nicht in gleichem Masse gelten.


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