Urteil gefällt im Fall Mack
Fijáte 270 vom 9. Okt. 2002, Artikel 9, Seite 5
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Urteil gefällt im Fall Mack
Guatemala, 4. Okt. 12 Jahre und 22 Tage nach der Ermordung der Anthropologin Myrna Mack verurteilte das Gericht den Oberst und ehemaligen Chef des Sicherheitsdepartements des Obersten Generalstabs (EMP), Juan Valencia Osorio, zu 30 Jahren Gefängnis wegen Mord. Die beiden anderen Angeklagten, General Edgar Augusto Godoy Gaytán und Oberst Juan Guillermo Oliva Carrera wurden frei gesprochen. Zwei der RichterInnen, Morelia Ríos und Yasmín Barrios, sprachen sich für das Urteil aus, während Richter Rudy Chin Rodríguez "mangels" Beweisen für einen Freispruch für alle drei Angeklagten plädierte. Ausschlaggebend für die Verurteilung von Valencia waren fünf Tonbandaufnahmen, auf denen Jorge Lemus Alvarado, alias El Buky, Gefängnisgenosse des für die Ausführung des Mordes an Mack bereits vor Jahren verurteilten Noel de Jesús Beteta Alvarez, diesen interviewt. In diesen Aufnahmen sagt Beteta wiederholt aus, er habe den direkten Befehl von Valencia erhalten, Myrna Mack "zu überwachen und zu eliminieren". Das von der Verteidigung eingebrachte Argument, Beteta habe unter Drogeneinfluss gestanden, als er die Interviews gab, wurde von den RichterInnen nicht akzeptiert, bzw. widerlegt. Auf Godoy Gaytán wurde der Passus " in dubio pro-reo" (im Zweifelsfall für den Angeklagten) angewendet. Zwar sagte Beteta in den Tonbandaufnahmen, Godoy habe von dem Plan, Mirna Mack zu ermorden, gewusst, doch wurde der Name Godoys vom Interviewer, El Buky, mit einer Suggestivfrage ins Spiel gebracht. Deshalb liess das Gericht die Aussage nicht als Beweis gelten. Oliva wurde mangels Beweise frei gesprochen. Während der Urteilsverkündung kam es zu einem kurzen Aufruhr im Gerichtssaal. Während Richter Chin seine Argumente aufzählte, weshalb er für einen Freispruch plädierten, erhoben sich die SympathisantInnen der angeklagten Militärs, die die Mehrheit des Publikums ausmachten und applaudierten. Als die beiden RichterInnen ihr Urteil sprachen, wurden sie von den selben Leuten ausgepfiffen, während Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen "Guatemala - nie wieder" skandierten. Die weiteren Beweise, die zur Verurteilung Valencias führten, zeigen, dass es sich um ein politisches Verbrechen handelte: Die Aussage von Bischof Julio Cabrera aus dem Quiché, der sagte, Mack sei umgebracht worden wegen ihrer Arbeit, die sie für und mit den Vertriebenen im Quiché machte. Er erinnerte sich an eine Gelegenheit, als Myrna bei ihm anklopfte und ihn bat, sie hereinzulassen, weil sie verfolgt wurde. Die Aussage von Catherine Doyle über die in den Vereinigten Staaten veröffentlichten CIA-Dokumente, in denen Informationen über die Aufstandsbekämpfungsmassnahmen in Zusammenarbeit mit den Lateinamerikanischen Armeen enthalten sind. Diese Aussage wurde von General Héctor Gramajo, dem Analysten Héctor Rosada und dem peruanischen Militärspezialisten Clever Alberto Pino bestätigt. Alle diese Aussagen wurden vom Gericht als Beweise für die Schuld Valencias angeführt. Nach oben |
Die Reaktionen auf das Urteil waren sehr unterschiedlich: Familienangehörige von Myrna Mack und MenschenrechtsaktivistInnen erhofften sich mehr, zeigten sich jedoch zufrieden über die Verurteilung wenigstens eines der Angeklagten. Helen Mack, die Schwester der ermordeten Anthropologin, sagte in einem Interview gegenüber der Prensa Libre, sie habe eigentlich auf eine Verurteilung aller drei Angeklagten gehofft, deshalb sei sie jetzt nur halb zufrieden. Doch auch sie betonte, dass es für Guatemala ein Sieg sei, dass überhaupt dieser Prozess stattgefunden habe, unabhängig vom Resultat. Maria Leissner, Vertreterin der schwedischen Botschaft gab sich zufrieden über den Verlauf des Prozesses und Stephen McFarland von der US-amerikanischen Botschaft meinte, es sei ein klares Zeichen an die Paramilitärs von früher und von heute, dass sich niemand über das Gesetz stellen könne. Er sei über das Urteil weder zufrieden noch unzufrieden, sagte der Staatsanwalt Mynor Melgar, der seinerseits 30 Jahre für alle drei Angeklagten gefordert hatte. Er respektiere den Entscheid der Freisprüche, prüfe jedoch die Möglichkeiten für eine Appellation, sagte Melgar. Dafür hat er 10 Tage Zeit, danach tritt das Urteil in Kraft. Der Verurteilte Oberst Valencia bezeichnete das Urteil als ungerecht und sich selber als unschuldig. Ob seine Anwälte Einsprache gegen das Urteil erheben, war bis zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt. |
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