Die Zivilpatrouillen, "Rückgrat der Demokratie"
Fijáte 267 vom 28. August 2002, Artikel 2, Seite 3
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Die Zivilpatrouillen, "Rückgrat der Demokratie"
Guatemala, 22. Aug. Nach wie vor nationales Thema Nr. 1 ist die Forderung der ehemaligen Zivilpatrouillen (PAC) nach finanzieller Entschädigung für ihre "am Vaterland geleisteten Dienste" (siehe ¡Fijáte! Nr. 263 und 264). Eindeutig positionierte sich Präsident Portillo, der anlässlich des zweijährigen Jubiläums der Vereinigung der Ex-PAC in den Petén reiste und vor 5000 Anwesenden eine Lobrede auf die Arbeit der Zivilpatrouillen während des bewaffneten Konflikts sprach. Die Ex-PAC seien das "Rückgrat der Demokratie und des Friedens", sagte er, und "wir werden der Welt eine Lektion in Toleranz erteilen und beweisen, dass wir fähig sind, unsere Probleme auf friedliche Art zu lösen". Er versprach, bis zum 15. September einen definitiven Vorschlag über eine finanzielle Entschädigung zu präsentieren. (Bei dieser Gelegenheit versprach Portillo auch eine Reduktion der Armee zu Gunsten deren Professionalisierung und eine Reduktion des Militärbudgets. Auch über diese Pläne will er die Nation am 15. September informieren.) Nicht nur in Guatemala wird das Thema der Entschädigung der Ex-PAC kontrovers diskutiert, auch die internationale Gemeinschaft und Finanzinstitutionen haben erste Stellungnahmen zur geplanten Abfindung abgegeben: VertreterInnen der Europäischen Gemeinschaft sprachen sich ganz klar gegen eine Kompensationszahlung aus und drohten gar mit einer Kürzung ihrer Gelder zur Unterstützung der Friedensabkommen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hingegen unterstützte die ursprüngliche Idee der Regierung, eine temporäre Steuer auf Geldtransaktionen ab einem bestimmten Betrag einzuführen, um damit die notwendigen Mittel für die Entschädigung der Ex-PAC einzuholen. Die neuste Idee der Regierung, um an diese Finanzen zu gelangen, ist, Anleihen in Euro auf dem internationalen Finanzmarkt aufnehmen in der Höhe von bis zu 280 Mio. US$. Ein Teil dieses Geldes soll für den Kauf von Land für landlose BäuerInnen eingesetzt werden, der Rest für die Entschädigungszahlungen an die Opfer des Krieges, wobei noch zu definieren sei, wie viel an die Ex-PAC gehe, meint Finanzminister Weymann. Guatemala sei in einer privilegierten Situation verglichen mit anderen zentralamerikanischen Ländern und könne sich ohne weiteres leisten, sich noch mehr zu verschulden. Laut IWF sei es kein Problem, sich bis zu 50% des Bruttosozialproduktes zu verschulden, die Verschuldung Guatemalas entspreche erst 21% des Bruttosozialproduktes... Solche Aussichten stärken natürlich die Ex-PAC: Seit dem 17. Juni, als die PAC-Bewegung im Petén mit ihren Protesten begann, haben sich ehemalige Zivilpatrouillisten in neun Departements zusammengeschlossen und sind mit ihren Forderungen an die Regierung getreten. Das gestärkte Selbstbewusstsein dieser Organisation bekommt aber auch die Bevölkerung zu spüren: Auf der Finca Pueblo Viejo, Panzós, im Departement Alta Verapaz droht eine Gruppe ehemaliger Patrouillisten im Rahmen eines Landstreites, 500 Bauernfamilien von ihrem Land zu vertreiben. Ähnliche Machtdemonstrationen und Drohungen gegen die Zivilbevölkerung wurden auch aus anderen Gebieten gemeldet. Die Aussicht auf Geld löste eine Art Kettenreaktion aus und andere Zukurzgekommene treten nun plötzlich auf den Plan und fordern finanzielle Entschädigung: So protestierte z.B. die Vereinigung der Kriegsversehrten der Armee bezugnehmend auf die PAC vor dem Kongress. Aber auch Gewerkschaften wie die UASP, JournalistInnen, die StudentInnenvereinigung AEU und ehemalige Militärkommissäre reihen sich in die Liste der Fordernden. Auch sie hätten in ihren Organisationen Tote und Verschwundene zu verzeichnen und deshalb das selbe Recht wie die Zivilpatrouillen auf eine Entschädigung, lautet ihr Argument. Nach oben |
Mit einer solchen Argumentation gehen sie eine gefährliche Allianz ein und legitimieren gewissermassen die Forderungen der Ex-PAC. Anfang August legte die Multiinstitutionelle Instanz für Frieden und Eintracht der Regierung ein Vorschlag über einen Wiedergutmachungsplan vor. Die Instanz stützt sich dabei auf die in den Friedensabkommen festgehaltenen Abmachungen bezüglich Wiedergutmachung an den zivilen Opfern bzw. deren Hinterbliebenen. Eine Entschädigung der PAC und anderer militärischer oder paramilitärischer Organisationen ist in den Friedensabkommen nicht vorgesehen. Die Instanz, in der über 60 Menschenrechtsorganisationen vereint sind, wurde 1999 gegründet mit dem Ziel, die aus dem Bericht der Wahrheitskommission entstandenen Empfehlungen umzusetzen. Mitglied der Instanz ist z.B. die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM), deren Vertreter Mario Polanco den PAC-freundlichen Diskurs von Präsident Portillo als militaristisch bezeichnet. Oder die Witwenvereinigung CONAVIGUA, deren Präsidentin Roslina Tuyuc Portillo einen Machisten nennt: "Er spricht nur davon, die Männern zu entschädigen, von den 70'000 Witwen kein Wort". Die Multiinstitutionelle Instanz für Frieden und Eintracht will eine internationale Sensibilisierungskampagne vorbereiten gegen die Aufnahme von Anleihen in Euro durch die guatemaltekische Regierung. |
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