Das Ende der Tortilla?
Fijáte 263 vom 3. Juli 2002, Artikel 1, Seite 1
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Das Ende der Tortilla?
In den letzten Jahren hat sich die Krise in der guatemaltekischen Maisproduktion zugespitzt. Während sich der Import von Mais vervielfacht hat, ist der Preis gesunken und die Produktionskosten gestiegen. Dies hat viele kleine ProduzentInnen in den Ruin getrieben und dazu geführt, dass sie sich der Anpflanzung anderer Produkte widmeten. Mais wird vor allem noch zur Selbstversorgung im Hochland angepflanzt oder auf grossen Ländereien an der Küste, die als einzige noch wettbewerbsfähig sind. Parallel dazu hat das mexikanische Maismehlunternehmen Maseca den guatemaltekischen Markt überschwemmt, verdrängt damit die traditionelle Tortillaherstellung und drückt weiter auf die Preise. Der massive Maisimport wird von Umweltorganisationen in Verbindung gebracht mit dem ebenfalls zunehmenden Import gentechnisch manipulierter Produkte vor allem aus den Vereinigten Staaten. Der folgende Artikel erschien im Inforpress vom 26. April 2002. Gegen gentechnisch manipulierten MaisSoziale- und Umweltorganisationen haben vom 10. bis 17. April verschiedene Aktivitäten im Rahmen der Kontinentalen Aktionswoche gegen den Gen-Mais organisiert. In ihrer Erklärung hiess es, dass durch das Inkrafttreten des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA die lokale Produktion verdrängt worden sei, dass Mais zu Dumpingpreisen verkauft worden sei dank der Unterstützung, die US-amerikanische ProduzentInnen von ihrer Regierung erhielten. Mexiko z.B. importiert jährlich über sechs Millionen Tonnen Mais aus den Vereinigten Staaten und man nimmt an, dass dort rund 35 - 40% des angepflanzten Mais gentechnisch manipuliert ist. Diese 'Verschmutzung' des mexikanischen Mais gefährdet nicht nur die Gesundheit der MexikanerInnen, sondern auch die Einkommensgrundlage von hundert Tausenden von Personen, die von Maisproduktion und -Verkauf abhängig sind. Proteste und Demonstrationen vor Firmen, die gentechnisch manipuliertes Saatgut herstellen und vor den Botschaften und Konsulaten der Vereinigten Staaten wie auch Kanada und Telefon- und Faxkampagnen bei Unternehmen wie Maseca oder Bimbo, um gentechfreie Produkte zu fordern, waren Teil der Aktivitäten der Aktionswoche. Es wurde dazu aufgerufen, diese neuen Technologien nicht zu akzeptieren und vielmehr in eine agro-ökologische Technologie zu investieren, die den lokalen BäuerInnen zugute kommt und sie nicht vom Weltmarkt und vom Gebrauch von Düngemitteln abhängig macht. Auch in Guatemala fanden im Rahmen der Aktionswoche Veranstaltungen statt, zum Beispiel ein Forum über gentechnisch manipulierten Mais, organisiert von der Fakultät für Agronomie der Universität San Carlos, der Plattform fürs Leben und dem Kollektiv Madre Selva. Obwohl Guatemala weltweit das Land mit der dritt grössten Maisdiversität ist, wird die nationale Produktion von den massiven Importen immer mehr verdrängt. Im Jahr 2000 importierte Guatemala mehr als 5,12 Milliarden Tonnen Mais, im Jahr 2001 waren es bereits 6,09 Milliarden Tonnen. Der Import aus Mexiko stieg von null Ende der 90-er Jahren auf 5000 Tonnen im Jahre 2001. 90% des importierten Maises kam 2001 aus den Vereinigten Staaten. Insgesamt importierte Guatemala in diesem Jahr 463'000 Tonnen gelben und 55'000 Tonnen weissen Mais aus den USA. Laut Alfredo Gil von der guatemaltekischen Landwirtschaftskammer wird im Land selber, mit Ausnahme einiger Selbstversorgergemeinden, quasi kein gelber Mais mehr angepflanzt, die Produktion von weissem Mais hat in den letzten Jahren um 80% abgenommen. Gelber Mais wird vor allem als Tiernahrung gebraucht, weisser zur Herstellung von Maismehl und Tortillas. Der Siegeszug von MasecaEin Beispiel für die globalisierten Unternehmen, die den lokalen Maismarkt dominieren, ist die Gruppe Maseca (GRUMA), die seit Anfang der 70-er Jahre in der Region operiert. Das Unternehmen betreibt vier Fabriken zur Herstellung von Maismehl in Guatemala, El Salvador, Honduras und Costa Rica mit einer totalen Produktionskapazität von jährlich 1,26 Milliarden Tonnen. In Costa Rica betreibt Maseca zusätzlich je ein Snack-, eine Tortilla- und eine Reisfabrik, vier Bäckereien, eine Konditorei und eine Palmplantage. Maseca beherrscht 82% des regionalen Maismehlmarktes. In Guatemala wird Maseca mitverantwortlich gemacht für die sinkenden Maispreise. Dies gibt das Unternehmen auch zu und in seinen Unterlagen heisst es dann: "Dank seiner soliden Teilnahme am Markt und seinen Verhandlungsfähigkeiten konnte GRUMA Centroamérica die Einkaufspreise für den Rohstoff Mais verbessern", was nichts anderes heisst, als dass die BäuerInnen für ihren Mais einen schlechteren Preisen bekommen. Nach oben |
Ein weiteres Projekt von GRUMA in Guatemala, ist die industrielle Tortillaherstellung. Dazu sollen traditionelle "Tortilleras" zusammengeschlossen werden, es sollen ihnen Tortillamaschinen zur Verfügung gestellt und Prozente beim Kauf von Maismehl gewährt werden. Noch sind es vereinzelte Projekte, die bisher erst in der Hauptstadt und grösseren Städten wie Quetzaltenango gefruchtet haben, die jedoch längerfristig eine "Revolution" der Tortillaproduktion nach sich ziehen könnten, eine Arbeit, die vorläufig in erster Linie von (Frauen-)Hand gemacht wird. Die zunehmende Produktion und der zunehmende Verkauf von Maismehl in Guatemala macht auch die BäuerInnen besorgt. Juan Tiney von der Nationalen Indígena- und BäuerInnenkoordination CONIC erzählt von vielen Tortillerías, die nicht mehr mit der frisch gemahlenen Maismasse (nixtamal) arbeiten, sondern nur noch mit Maismehl. Dies bedeutet, dass die 'kleinen' BäuerInnen ihren Mais nicht mehr an die Tortillerías verkaufen können. Der Rückgang der Absatzmöglichkeiten geht logischerweise mit einer Preissenkung einher. Laut Tiney wird der von Maseca in Guatemala verarbeitete Mais aus Mexiko importiert oder den Grossgrundbesitzern an der guatemaltekischen Südküste abgekauft. Mario Godínez von Ceiba, einer Organisation die mit MaisbäuerInnen in Chimaltenango arbeitet, erzählt, dass sich Maseca beim Kauf von Mais sehr vorsichtig verhält und meist Zwischenhändler losschickt, um mit den BäuerInnen zu verhandeln. Diese Zwischenhändler suchen dann meist einen ganz bestimmten Maistyp und verschmähen den Mais criollo, der von den BäuerInnen selbst aus den Körnern der letztjährigen Ernte gezogen wurde. Viele ProduzentInnen sind gezwungen, sich dem Diktat des Marktes zu biegen und hybriden Mais anzupflanzen, dessen Körnern 'steril' sind und aus denen keine weitere Ernte gezogen werden kann. Die BäuerInnen sehen sich gezwungen, entweder auf dieses 'Geschäft' einzusteigen oder ihr Land zu verkaufen und sich andere Einnahmequellen zu suchen. Der Mais hat aufgehört, eine gute Einnahmequelle zu sein und die Region hat aufgehört, für ihren Mais bekannt zu sein. Die Rückeroberung des MaisDer Einmarsch der durch die Globalisierung bedingten Effekte in die Gemeinden, das Verändern der marktwirtschaftlichen Regeln und die Verdrängung von kleinen ProduzentInnen vom Markt, haben regionale Organisationen dazu getrieben, ein Umdenken zu fordern. Ein Umdenken in der Nahrungsmittel- und Handelspolitik, das einen Schutz und eine Hilfe vorsieht für diejenigen, die gezwungen sind, dieses 'Spiel' mitzumachen, ohne dass sie jemals etwas davon profitieren würden. Der mexikanische Anthropologe Armando Bartra besteht darauf, dass die Anbau- und Ernährungsmethoden wieder aufgenommen werden, die erwiesenenrmassen am meisten Arbeit und Einkommen für die Landbevölkerung generieren: Die traditionelle BäuerInnenwirtschaft mit Feld, Garten und Hof. Der Anbau von Mais sei kulturell verwurzelt, ausserdem würde er als Nahrungsmittel 70% des Kalorienbedarfs einer Familie decken, auf dem Feld und im Garten könne ein grosser Teil wilder und domestizierter Biodiversität bewahrt werden. Er sei sich bewusst, dass Mais der Rohstoff für globalisierte Produkte wie Tortilla sei, die heute auch in den USA, Europa, Asien und Australien gegessen werde, räumte Bartra ein. Von einer gerechte Entwicklung könne man aber nur sprechen, wenn Strategien entwickelt werden, die einerseits eine drastische Reduktion des Maisimports und anderer Getreide anstrebe und andererseits die bäuerliche Landwirtschaft stärke und erweitere. |
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