Facetten der Gewalt
Fijáte 272 vom 13. November 2002, Artikel 4, Seite 4
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Facetten der Gewalt
Guatemala, 6. Nov. Zehn Tage, nachdem der Kongress eine Resolution verabschiedet hatte, in der Innenminister Aldolfo Reyes Calderón aufgefordert wurde, einen Bericht über seine Sicherheitspolitik abzugeben, legte dieser einen Sicherheitsplan für die nächsten paar Monate vor. Schwergewicht dieses Plans ist, mehr Sicherheit in den als 'gefährlich' identifizierten Zonen der Hauptstadt zu garantieren, indem neue Polizeistationen eingerichtet werden. Erste Ergebnisse seines Planes verspricht Calderón bereits innerhalb von 90 Tagen. Derweil findet die Gewalt auf ganz unterschiedliche Art und Weise und nicht nur in der Hauptstadt und nicht nur auf der Strasse statt: Rund 300 Jugendliche demonstrierten am 19. Oktober in der Hauptstadt gegen die Ermordung von drei Musikern der Rockgruppen "Ulitmos Adictos" und "Kevlar", die zeitgleich, aber an unterschiedlichen Orten angegriffen wurden. Über Motiv und Tatherhang ist weiter nichts bekannt. Am 16. Oktober wurde eine Gruppe von 20 Strassenkindern, die in einem zerfallenen Haus in der Zone 4 der Hauptstadt leben, angegriffen. Eine Gruppe unbekannter Männer bedrohten sie zuerst verbal, als sie kurz darauf noch einmal am Haus vorbeikamen, eröffneten sie das Feuer auf die schlafenden Jugendlichen, wobei sechs von ihnen erschossen wurden. Dieser Vorfall geschah am Tag, bevor das Kinderhilfswerk Casa Alianza und andere Organisationen vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington einen Bericht über die Situation der Strassenkinder in Lateinamerika vorlegten. Am 6. November wurde ein weiterer, von Casa Alianza betreuter Junge auf offener Strasse erschossen. Casa Alianza spricht von einer sozialen Säuberung, die sowohl von mafiösen Kreisen ausgehen kann als auch von den Geschäftsbesitzern der Einkaufszone, die sich an der Anwesenheit bettelnder Kinder stören. Frauenrechtsorganisationen stellen eine Zunahme häuslicher Gewalt fest, die sich in erster Linie gegen Frauen und Kinder richtet. Zwar sei dies kein neues Phänomen, erklärte Sandra Baquiax Rojas vom Frauenbüro des Menschenrechtsprokurators in Quetzalenango, doch sei die Zunahme von häuslicher Gewalt immer ein Indikator für die soziale und sozioökonomische Situation einer Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit, von der speziell die ArbeiterInnen der Kaffeefincas betroffen sind, die wachsende Armut und das allgemeine Klima von Gewalt und Delinquenz habe seine unmittelbaren Auswirkungen in den privaten vier Wänden der Leute, erklärte Baquiax Rojas. Eine andere Auswirkung, die auch eine Form von Gewalt darstellt, sieht Clemencia Bámaca López vom Frauenforum in Colomba, Quetzaltenango, in der ökonomisch bedingten Migration, die zu einer Desintegration der Familien führt, meist auf Kosten der zurückbleibenden Frauen. Nach oben |
Der Vertreter der Sozialkommission der katholischen Kirche im Petén, Francisco Leiva, berichtete, dass in diesem Departement wöchentlich etwa sieben Personen ermordet werden. Speziell erwähnte er eine Gemeinde, in der die Ermordeten Spuren trugen, die an die Praktiken der Todesschwadronen erinnern. Aus Sicherheitsgründen könne der Name dieser Gemeinde nicht bekannt gegeben werden, das dort Vorgefallene sei aber exemplarisch für die ganze Region, meinte Leiva. |
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