Fortsetzung im Falle 'Zwangsräumung'
Fijáte 272 vom 13. November 2002, Artikel 8, Seite 6
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Fortsetzung im Falle 'Zwangsräumung'
Alta und Baja Verapaz, 29.Okt. Immer wieder stellt sich die Frage nach dem Sinn und Wert von hart erkämpften Abkommen zwischen sozialen Organisationen und staatlichen Einrichtungen, werden sie doch zu oft und nicht nur in Einzelfällen völlig missachtet. Von den Menschenrechten ganz zu schweigen. So in Alta und Baja Verapaz, wo noch vor wenigen Monaten eine Vereinbarung über einen 'Waffenstillstand' bezüglich der Zwangsräumungen von besetzten Fincas unterschrieben worden war. Offensichtlich haben die daran Beteiligten, wie der Menschenrechtsbeauftragte (PDH), die Mission der Vereinten Nationen (MINUGUA), der Landfonds (Fontierra), die Regierungsinstanz für die Lösung von Landkonflikten (Contierra), der örtliche Bürgermeister und die BauernführerInnen nicht genug Autorität, um den willkürlichen Aktionen Einzelner Einhalt gebieten oder im Zweifelsfall eingreifen zu können. Mit harten Mitteln wurden in diesen Tagen 150 Familien von der Finca Monte Bello in Purulhá vertrieben: Auf Erlass des Staatsanwalts drang die zivile Nationalpolizei (PNC) in den frühen Morgenstunden mit Gewalt und der Unterstützung von 60 vom vermeintlichen Fincabesitzer bezahlten BäuerInnen in die Finca ein und nahm fünf Demonstrierende fest. Doch damit nicht genug. Diese fünf wurden geschlagen und mussten sich ausziehen, während die Behausungen und Anpflanzungen der Familien zerstört wurden. Laut Carlos Morales, Koordinator der BäuerInnenvereinigung in den Verapazes (UVOC), welche die betroffenen Familien unterstützt, ist das Gelände der Finca in Gemeindebesitz. Es wurde bereits im Dezember 2001 besetzt und letzte Woche erneut von den Familien eingenommen. Alle bisherigen Versuche, auf friedlichem Weg eine Lösung zu finden, blieben erfolglos. Von Seiten der BäuerInnenorganisation wird argumentiert, dass der Grossteil der Ländereien im Departement brach liegt bzw. aufgrund von Erbschaften den BäuerInnen gehört; der angebliche Besitzer habe sich die Eigentumstitel unrechtmässig angeeignet. Zwei weitere Fälle gab es in der Nachbarschaft: Der Nationale Rat der Indígenas und BäuerInnen K´utb´al B´ey verurteilte in den vergangenen Wochen die gewaltsame Räumung der Finca Barrio la Cruz, Purulhá, bei der 800 Polizisten und Mitglieder von Spezialeinheiten mit Tränengasbomben die unbewaffneten, der grossen Zahl der Eindringenden hilflos gegenüberstehenden Familien überraschten. Auch die Nationale Indígena- und BäuerInnenorganisation CONIC ist besorgt: Seit Mitte des vergangenen Monats sind neben vier Frauen auch acht Kinder und Jugendliche, die der Organisation angehören, verschwunden. An die 1000 Leute der PNC und der Spezialkräfte hatten in Begleitung von zwei Kriegshelikoptern die Finca San Juan, Senaú, gestürmt, in der sich zu dem Zeitpunkt eine Gruppe von 40 Frauen und 40 Kindern und Jugendlichen aufhielt. Deren Versuch, mit den 'Autoritäten' zu reden, schlug fehl. Stattdessen führten diese, auch hier mit Unterstützung von vom Fincabesitzer bezahlten, vermummten Personen, ihren Auftrag aus, zerstörten die Unterkünfte der Familien und raubten, was zu kriegen war. Um die Aktion abzurunden, wurde zu guter Letzt auch noch das Wasser der Flüsse in der Umgebung vergiftet. Nach oben |
Der Fincabesitzer schuldet den BäuerInnen das Minimalgehalt und Arbeitszusatzleistungen von einigen Jahren. In den 80ern hatte er sie unter Drohungen dazu gezwungen, die Ländereien zu bearbeiten und versprochen, ihnen dafür ein Stück Land zum Leben zu überlassen, was er jedoch nicht erfüllte. Statt dessen sorgte er dafür, dass die Arbeitenden schliesslich das Land verliessen, während die Führungsleute der Gemeinde hingerichtet wurden. Bereits im Juli dieses Jahres besetzten die Betroffenen die Finca, um mit Hilfe von Dialog und Verhandlungen die Einlösung der Schulden des Besitzers, sowohl Geld als auch Land, zu fordern. Doch die Reaktion von Regierung und Finquero beschränken sich auf die politische und juristische Repression. Die CONIC fordert in diesem Zusammenhang vor allem die Erfüllung der internationalen und vom guatemaltekischen Staat ratifizierten Instrumente, in diesem Fall den Internationalen Pakt der ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte, der im Artikel 169 der ILO festgelegt ist. Zudem stehen die Ausführung eines Agrarreformprozesses und die Verabschiedung einer Politik zur ländlichen Entwicklung auf dem Forderungsplan der BäuerInnenbewegung. |
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