Einigkeit in der Terrorismusbekämpfung
Fijáte 262 vom 19. Juni 2002, Artikel 10, Seite 6
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Einigkeit in der Terrorismusbekämpfung
Barbados, 7. Juni. "Ohne grosse Wellen zu werfen, aber mit einem Schwall an wohlklingenden Resolutionen ist die Jahreskonferenz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu Ende gegangen. Der amerikanische Aussenminister Powell lobte die Übereinkunft als erste ihrer Art nach den Terroranschlägen vom 11. September. Erstmals stehe ein Instrument zur Verfügung, das den neuen Modalitäten des Terrorismus gerecht werde. Unter gemeinsamer Terrorismusbekämpfung verstehen die Signaturstaaten in erster Linie eine verbesserte nachrichtendienstliche Zusammenarbeit, strengere Grenzkontrollen sowie Massnahmen gegen die Geldwäscherei. Neu für Lateinamerika ist, dass politische Motive nicht länger zur Ablehnung von Auslieferungsbegehren von Terroristen vorgeschoben werden können" (NZZ vom 6. Juni). Wir möchten diese nicht sehr aufschlussreiche Meldung aus der Tagespresse mit Ausschnitten aus einem Artikel von Arnoldo Noriega ergänzen: "Durch die Alltäglichkeit, die unterdessen dem Thema Terrorismus anhaftet, ist es möglich, dass dieses neue internationale Instrument unbeachtet bleibt. Dies sollte es aber nicht, ist es doch ein weiteres Stück in dem Puzzle, das sich mit unheimlicher Geschwindigkeit zusammenfügt, und das ein neues internationales Gefüge bildet. Die neuen Antiterror-, Antidrogen- und Antimigrationspolitiken ersetzten stillschweigend die bisherige internationale Politik. Diese - zwar auch durch die neoliberale Welle verbreitet - suchte immerhin noch nach verhandelbaren Lösungen für die anstehenden Konflikte und versuchte wenigstens, die wirtschaftlichen und sozialen Realitäten von Millionen von Menschen auf diesem Planeten ein bisschen zu verbessern. Die Ereignisse des 11. Septembers in Washington und New York haben eine neue Wasserscheide in der internationalen Politik geschaffen und das Steuer radikal herumgerissen. Die kürzlich unterzeichnete Amerikanische Konvention gegen den Terrorismus enthält in ihrem zweiten Artikel eine Reihe von Massnahmen bezüglich der illegalen Inbesitznahme von Flugzeugen, zum Schutz der zivilen Luft- und Schifffahrt, im Falle von Geiselnahmen, und zum Schutz von nuklearem Material, etc.. Schauen wir uns aber diese Sache etwas genauer an, eröffnen sich uns mehr Fragen als Antworten und vor allem öffnen sich gefährliche Türen, die, wenn sie sich auf die tief verwurzelten politischen Praktiken unseres Kontinents stützen, sehr willkürliche Anwendungen erlauben. Es ist unglaublich aber wahr, dass die Konvention nicht definiert, was sie unter Terrorismus versteht. Das heisst, wir haben es mit einer Amerikanischen Konvention zu tun gegen etwas, das sie nicht konzeptualisiert. Genau dahin führt die gefährliche Tür, die sich Spalt um Spalt öffnet: Sie bildet den Zugang zur Ermessensfreiheit. Es ist kein Geheimnis, dass Lateinamerika in eine neue Ära politischer und ökonomischer Konvulsionen getreten ist, die unter anderem eine bösartige Folge der Politik des Währungsfonds ist. Nicht einmal die UNO hat es bei ihren Gipfeln geschafft, einen Konsens über den Begriff Terrorismus zu finden. Für die einen ist Terrorismus das, was auf der "Achse des Bösen" passiert, für andere sind die Praktiken der palästinensischen SelbstmordattentäterInnen Terrorismus, andere wiederum bezeichnen das Verhalten des israelischen Militär als terroristisch. Im Namen einer der Interpretationsformen, dem "clash of civilizations", werden Kulturen und Religionen stigmatisiert und Regierungen gestürzt. Andere hingegen führen den heiligen Krieg gegen den westlichen Terrorismus. Kurz und gut, alle kämpfen gegen den Terrorismus. Nach oben |
Wenn wir nun die Situation in Lateinamerika analysieren, können wir ausmachen, welcher "Terrorismus" hier bekämpft werden soll. Derjenige, der den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderläuft. Die Legitimierung dazu bietet die Amerikanischen Konvention gegen Terrorismus. In Ländern wie Guatemala sollten wir unser Augenmerk auf die mit der Bekämpfung des Terrorismus einhergehende Einschränkung der Menschenrechte richten. Die Frage ist nicht mehr, ob sie eingeschränkt werden, sondern wie weit. Als "Terroristen" abgestempelt zu werden ist gleichbedeutend mit dem Verlust der Menschenrechte, mit Überwachung und internationaler Verfolgung, bedeutet, kein politisches Asyl oder den Flüchtlingsstatus beantragen können. Deshalb Achtung: Wer auch nur ein bisschen aus der Reihe tanzt, hat gute Chancen auf eine Kandidatur als "TerroristIn" vor der Amerikanischen Konvention gegen Terrorismus". |
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