Portillos letztes Mittel: Das Staatsstreich-Gerücht
Fijáte 262 vom 19. Juni 2002, Artikel 3, Seite 3
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Portillos letztes Mittel: Das Staatsstreich-Gerücht
Guatemala, 14. Juni. In die politische Enge getrieben durch die nationalen und internationalen Reaktionen auf die Drohungen gegen MenschenrechtsaktivistInnen durch militärnahe Kreise, greift Präsident Portillo zum letzten Strohhalm, der ihm bleibt: Er dreht den Spiess um und stellt sich selber als das grosse Opfer der Konspiration dar. In einem der Nachrichtenagentur AFP gewährten und von allen Medien aufgegriffenen Interview erklärte Portillo, seit seiner Machtübernahme im Januar 2000 seien bereits drei Versuche gestartet worden, um ihn abzusetzen. Bereits im Oktober 2000 habe sich die Situation ein erstes Mal zugespitzt, es sei aber nichts geschehen und das Ganze als Gerücht in den Medien schnell wieder vom Tisch verschwunden. Die zweite schwierige Situation habe im Januar 2001 stattgefunden, als er den damaligen Verteidigungsminister Juan de Dios Estrada abgesetzt habe. Dies sei zusammengekommen mit der Steuerbefreiung der Importgüter Zement und Hähnchen. Der letzte und für ihn schwierigste versuchte Staatsstreich sei zwischen März und Mai dieses Jahres angestrebt worden. Obwohl von Amnesty International und der UN-Menschenrechtsbeobachterin Hina Jilani bestätigt wurde, dass im Land parallele Macht- und Repressionsstrukturen am Werk sind , ging Portillo in seinem Interview nicht auf diese Kreise als Urheber der Destabilisierung ein. Als Drahtzieher des jüngsten versuchten Staatsstreichs nennt er die Presse (z.B. José Ruben Zamora, den Direktor der Tageszeitung elPeriódico, oder den rechten Journalisten Mario David García), mächtige Unternehmer wie Dionisio Gutiérrez oder Julio Ligorría und die Ex-Militärs Juan de Dios Estrada und Otto Pérez Molina. Teil der Konspiration gegen ihn sei der erfolgreich ins Leben gerufene und von den Medien bereitwilligst aufgegriffene Skandal um vermeintliche Konten in Panama. Laut Portillos Quellen (die er übrigens nicht nannte) stecken hinter diesem Skandal Julio Ligorría und Mauricio López Bonilla. Diese beiden seien es auch gewesen, die das Movimiento Cívico por Guatemala ins Leben gerufen haben, in dessen Namen Unterschriften für seine (Portillos) Absetzung gesammelt wurden. Jede dieser Unterschriften sei übrigens vom UnternehmerInnenverband CACIF bezahlt worden, sagte Portillo im Interview. Nach oben |
Diese nicht unbelasteten Aussagen machte der Präsident am Ende einer Woche, in der er zwei Massnahmen angekündigt hatte, die auf Kritik stiessen: Die als "Dezentralisierungs-, Entwicklungs- und Versöhnungskampagne" angekündigte Investition von rund 80 Mio. US$ in Infrastrukturprojekte "nach eigener Wahl" von vorläufig zwei Pilotgemeinden wird als inoffizieller Beginn der Wahlkampagne der FRG gewertet. Die Ankündigung einer Erhöhung des Mindestlohns um 10% bzw. 15% noch für das laufende Jahr wird von Daniel Pasqual von der Nationalen BäuerInnenkoordination CNOC als Ablenkungsmanöver von der sich zuspitzenden Landsituation gewertet. Erstens würden 15% mehr Lohn die ökonomisch prekäre Situation der Arbeiter-Innen nicht lösen, und zweitens seien die meisten Unternehmen nicht bereit, diese Lohnerhöhung zu bezahlen - Tatsachen, deren sich Portillo völlig bewusst sei, kritisierte Pascual. Das Interview Portillos hat übrigens ein gerichtliches Nachspiel, das wiederum für ihn selber ungemütlich werden könnte: Die von ihm beschuldigten Ligorría und López Bonilla kündigten juristische Massnahmen an, während die Staatsanwaltschaft verlauten liess, sie würden diese Anschuldigungen von Amtes wegen verfolgen. Wenn Portillo schon so direkte Vorwürfe mache, müsse er auch die entsprechenden Beweise vorlegen, sagte die neu ernannte Staatsanwältin für Korruptionsverbrechen, Karen Fischer. Dazu meint der Politologe Héctor Rosado: "Dieser Kaugummi hat keinen Geschmack. Portillo glaubt selber nicht an das, was er erzählt. Das Problem ist, dass er auf so schwachem Posten steht und dermassen Angst hat, dass er alles glaubt, was man ihm erzählt." Portillo selber: "Ich beschuldige niemanden, was ich gesagt habe ist das, worüber ich in diesen schwierigen Zeiten informiert wurde und jetzt kommen sie und wollen Beweise..." |
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