Die Widersprüche der Migration-(spolitik)
Fijáte 192 vom 25. Aug. 1999, Artikel 1, Seite 1
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Die Widersprüche der Migration-(spolitik)
Als Folge der Unfähigkeit der Regierungen, die wirtschaftliche Situation eines Landes und somit den Lebensstandard der Familien zu verbessern, versuchen unzählige Personen aus den verschiedenen zentralamerikanischen Ländern, in den Vereinigten Staaten Arbeit zu finden. Oft enden solche Versuche tragisch. Die Leute werden an den Grenzen zurückgestellt und in ihr Ursprungsland deportiert, oder sie müssen horrende Summen an Schlepper bezahlen, welche sie über die Grenze schmuggeln. Danach halten sie sich dann meist illegal im Zielland auf. Trotz der risikoreichen Reise, der Verfolgung und Diskriminierung im Migrationsland sind die MigrantInnen wichtig für die Ökonomie ihres Ursprungslandes, da sie regelmässig Geld an ihre zurückgebliebenen Familien schicken. Im Folgenden analysieren wir die widersprüchliche Migrationspolitik der guatemaltekischen Regierung, welche einerseits selber auf die Geldsendungen emigrierter GuatemaltekInnen angewiesen ist und andererseits sehr strenge Migrationsgesetze hat, aus Angst, die in Mexiko und den USA abgewiesenen MigrantInnen würden einfach in Guatemala bleiben. Als Grundlage für den Artikel diente ein Bericht, der im April 1999 in der Zeitschrift "Noticias de Guatemala" erschienen ist. Eine 1997 von der costariquensischen Abteilung der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (FLACSO) herausgegebene Studie teilt mit, dass im Jahre 1990 in den Vereinigten Staaten 226'000 GuatemaltekInnen lebten. Davon hatten sich die meisten, nämlich rund 60%, im Bundesstaat California niedergelassen, etwa 10% lebten in New York und eine geringe Anzahl in den Staaten Illinois, Texas und Florida. Die Rücksendungen von US-Dollars nach Guatemala betrug rund 6% ihres Einkommens in den USA. Beim damaligen Wechselkurs von 1US-$ zu 5.5 Quetzales ergab das fürs Jahr 1992 126 Millionen US- $. Davon kam etwas die Hälfte aus dem Bundesstaat California. Laut Informationen der Guatemaltekischen Nationalbank, sind die Geldsendungen guatemaltekischer MigrantInnen aus den verschiedenen Migrationsländern an ihre zurückgebliebenen Familien von 172.63 Millionen US- $ im Jahre 1992 auf 349.47 Millionen im Jahre 1997 gestiegen. Dies ist mehr, als in besagtem Jahr an Einnahmen aus dem Tourismussektor zu verbuchen waren und ein bisschen weniger als die Einnahmen aus dem Kaffeeexport. Diese "Migradollars" werden in den Heimatgemeinden der MigrantInnen angelegt und treiben so die lokale Wirtschaft an. Ebenso werden sie zum Kauf von Importartikeln verwendet und tragen so etwas zur Stabilisierung der Finanzlage des Landes bei, d.h., sie sind für die Wirtschaft Guatemalas als Devisen von höchster Bedeutung. Diese Situation wird durch das kürzlich von den Vereinigten Staaten verabschiedete Migrationsgesetz bedroht, welches bei seiner Inkrafttretung am 1. April 1997 Massendeportationen von einwanderungswilligen ZentralamerikanerInnen zur Folge hatte. Ende 1998 wurde dieses Gesetz vorübergehend suspendiert, als Zeichen der Humanität seitens der USA gegenüber den Opfern des Hurrikans Mitch. Bei seinem Besuch in Zentralamerika im März dieses Jahres wurde Bill Clinton gebeten, diese Suspendierung zu verlängern. Im Juli dieses Jahres wurde ein neues Gesetz angekündigt. Dieses gibt zentralamerikanischen MigrantInnen, welche vor 1990 in die USA gekommen sind und dort bisher nicht vorbestraft sind, die Möglichkeit, eine Niederlassung zu beantragen. Voraussetzung ist, dass sie aufgrund einer Situation von "extremer Not" ihr Heimatland verliessen, d.h., als Opfer von Bürgerkriegen oder politischer Gewalt. Ein solches Gesetz existierte bereits, bevorzugte aber die MigrantInnen aus Kuba und Nicaragua und wurde nun auf den Rest Zentralamerikas und Haiti ausgedehnt. Nach oben |
In Guatemala wurde 1877 per Regierungsdekret eine "MigrantInnengesellschaft " gegründet, um so dem Mangel an Arbeitskräften in Industrie und Landwirtschaft etwas entgegenzusetzen. Zwei Jahre später, 1879, trat das erste Migrationsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz wurde im Laufe der Jahre verschiedentlich erneuert und den jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Situationen angepasst. Die jüngste Anpassung erfolgte im November letzten Jahres. Dabei wurden verschiedene "migratorische Vergehen" definiert: Die Einfuhr, den Transport, das Verstecken und Beschäftigen von Illegalen wird als Straftat verfolgt. Wer eines dieser Vergehen begeht, kann mit Busse, Gefängnis bis zu acht Jahren oder Rückschaffung bestraft werden. Im Rahmen der Zetralamerikanischen Integration wurde am 21. September 1993 das sogenannte CA-4-Abkommen zwischen Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala unterzeichnet, welches den BürgerInnen dieser vier Staaten erlaubt, sich ohne Pass bis zu 90 Tagen in den jeweils anderen drei Ländern aufzuhalten. Im November letzten Jahres hat die guatemaltekische Regierung unilateral und ohne vorhergehende Verhandlungen Änderungen an diesem Abkommen vorgenommen. Sie erlaubte nur noch einen 15-tägigen Aufenthalt. Nicht mehr im ganzen Land, sondern beschränkt auf die Departemente Escuintla, Sacatepéquez, Guatemala, El Progreso, Zacapa und Izabal. Keines dieser Departemente grenzt an Mexiko. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass viele ZentralamerikanerInnen Guatemala auf ihrem Weg in die USA durchquerten und, falls sie dort zurückgewiesen würden, in Guatemala blieben. Unterdessen hat auch Mexiko seine Gesetze verschärft hatte und massenweise zurückgewiesene Leute an die Grenze zu Guatemala deportierte. Diese Massnahme Guatemalas hatte zur Folge, dass guatemaltekische Reisende bei der Einreise in die andern Länder Probleme kriegten. Ausserdem wurde dieser Schritt der Guatemaltekischen Regierung stark kritisiert. Unterdessen hat sich die Situation wieder beruhigt und die Regierung hat diese Massnahmen wieder rückgängig gemacht. All dies zeigt die widersprüchliche Haltung der guatemaltekischen Regierung gegenüber den internationalen Migrationen. Einerseits verlangt sie eine Suspendierung der Ausschaffung guatemaltekischer MigrantInnen aus den Vereinigten Staaten. Andererseits werden MigrantInnen, die auf ihrem Weg in die USA Guatemala durchqueren, strafrechtlich verfolgt. Dabei werden die Gründe, welche viele Personen dazu zwingen, ihr Land zu verlassen, geflissentlich übersehen. |
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