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"Sie behandelten uns wie die Tiere"

Fijáte 191 vom 11. August 1999, Artikel 1, Seite 1

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"Sie behandelten uns wie die Tiere"

Nebst der enormen persönlichen und gefühlsmässigen Belastung, welcher die Frauen ausgesetzt waren, mussten sie auch noch Änderungen in ihrem alltäglichen Leben und in ihrer sozialen Rolle vollziehen. Es waren die Frauen, die sich als Erste mobilisierten, um ihre Verschwundenen zu suchen und Druck auszuüben. Gleichzeitig mussten sie sich um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien kümmern. All das summiert sich zu den emotionalen Verletzungen, die das Erlebte mit sich bringt: Einsamkeit, Belastung und ein angeschlagenen Selbstvertrauen.

Während des Krieges haben die Frauen ihre traditionellen Rollen beiseite gelassen und wurden zum Rückgrat der familiären und sozialen Strukturen. Nebst der Kindererziehung, der Pflege von Alten und Kranken, waren sie oftmals gleichzeitig auf der Flucht in die Berge oder ins VGmexikanischeNF Exil. Viele von ihnen wurden zu Witwen oder "alleinstehenden Frauen" und mussten sich ums Überleben der Familie kümmern, ohne auf die emotionale oder finanzielle Hilfe ihrer Männer zählen zu können. Gemäss REMHI- Bericht sind die Witwen auch heute noch eine der bedürftigsten Bevölkerungsgruppe.

Diese harten Lebensumstände haben dazu geführt, dass Frauen selbstbewusster öffentliche und soziale Aufgaben übernommen haben, die ihnen bislang verwehrt waren. Viele tradionellen Konzepte über die Rolle der Frau wurden als Folge des Krieges und der Gewalt durchbrochen. Das soziale Netz wurde durch den Krieg zerstört und damit oft auch die Art und Weise, wie Frauen über ihre Abhängigkeit dachten. Die enormen Schwierigkeiten, denen die Frauen ausgesetzt waren, haben ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Gewaltsituationen ausgesetzt zu sein und den Konsequenzen davon gegenübertreten zu müssen, hat vielen Frauen das soziale Bewusstsein gestärkt, und sie haben begonnen, für ihre Würde zu kämpfen.

Die Suche nach den "Verschwundenen" wurde zu einem von Angst beladenen Kampf und war eine schlimme Folge der politischen Repression. Der ewige Zweifel, was geschehen war, über den Ort, wo die Angehörigen wohl sind, die Ungewissheit, ob sie noch leben oder tot sind, ob es möglich sein wird, sie zu finden, waren die unendlichen Fragen all derjenigen, die auf der Suche nach ihren Nächsten Tag für Tag alle Wege abliefen in der Hoffnung, ihre Liebsten zu finden.

Bei ihrem unermüdlichen Kampf scheuten die Frauen weder Kosten noch Opfer. Als sie sich bewusst wurden, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten, stürzten sie sich in diesen Kampf. Die Kraft dafür schöpften sie aus der Bedeutung, die die Verschwundenen für sie hatten. In diesen Extremsituationen bewiesen die Frauen eine enorme Fähigkeit, sich über die Verzweiflung hinwegzusetzen, sich über den Schmerz zu vergessen und neue Projekte anzugehen.

Die Suche nach den Verschwundenen wurde zur einzigen Alternative, dem Militär gegenüberzutreten und dem Terror zu begegnen und wurde zum unerschütterlichen Ausdruck der Verteidigung der VGMenschenrechteNF während der schlimmsten Jahre des bewaffneten Konflikts. Die Mütter, Ehefrauen, Töchter und Schwestern der Verschwundenen waren die Ersten, die sich trauten, der institutionalisierten Gewalt entgegenzutreten, in der das Land lebte.

Nie zuvor wurden die Frauen als wichtig für das politische Leben erachtet. Jetzt aber lieferten sie zahllose Beispiele ihres Mutes, ihrer Standhaftigkeit und ihrer Hoffnung.

Die "Verschwundenen" zu suchen, wurde zum zentralen Ziel einer sozialen Bewegung, die zu Beginn der 70-er Jahre entstand. Die ersten Komitees wurden von Frauen und Familienangehörigen gegründet, die Untersuchungen starteten, Anzeigen machten, sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene. Ab 1984, mit der Gründung der Gruppe für gegenseitige Hilfe (GAM), war die Suche nach den Verschwundenen der Hauptausdruck des organisierten Menschenrechtkampfes. Die guatemaltekische Gesellschaft, nach wir vor unter den Eindrücken der Repression stehend, erlangte ihre Stimme in den Stimmen der Frauen wieder, die auf der Strasse protestierten und ihre Familienangehörigen zurückforderten.

Mit der Veränderung der politischen Situation entstanden weitere Gruppen, die mit verschiedenen Mitteln für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfte. Auch die Vorgehensweisen änderten sich: Von den Anzeigen und der gegenseitigen Unterstützung gingen sie über zu den Untersuchungen der Massaker, der Begleitung von Ausgrabungungen, der Forderung nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.

Einige Frauen wurden zu Führerinnen der Menschenrechtsbewegung und ihre Stimme wurde international laut. Sie kämpften und kämpfen gegen die Straffreiheit und für die Menschenrechte aller: Rigoberta MenchúNF, Hellen Mack, VGRosalina TuyucNF sind einige von ihnen.

Andere Gruppen wie z.B. die Witwenvereinigung CONAVIGUA, konzentrierten sich auf die Problematik der Witwen, eines der grössten durch die Gewalt betroffenen Sektors. Ihre Forderungen gehen über die Suche ihrer Angehörigen hinaus: Der Kampf gegen die Militarisierung der ruralen Gebiete bzw. der Kampf gegen die Zwangsrektrutierung. Auch die Flüchtlingsfrauen haben sich organisiert und analysieren ihre spezifische Situation.

Das Engagement der Frauen in unterschiedlichen sozialen Bewegungen und die der Angehörigengruppen förderten das Wiederbeleben vieler Gruppen und trug zu einer grösseren gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Forderungen bei.

Auf ihrem schmerzaften Weg, den die guatemaltekischen Frauen aufgenommen haben, die so lange in der Gesellschaft unsichtbar waren, müssen sie unterstützt und als Protagonistinnen einer Veränderung wahrgenommen werden. Es ist an der Zeit, dass ihre Beiträge respektiert und als Beispiele von Würde, die unersetzbar für die Verteidigung des Lebens ist, anerkannt werden.


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