Notizen aus dem Wahlkampf
Fijáte 190 vom 28. Juli 1999, Artikel 9, Seite 6
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Notizen aus dem Wahlkampf
Guatemala, 15.-27. Juli. Vorbemerkung: Die Flut der Nachrichten über den Wahlkampf ist immens. Die meisten Parteien stehen kurz davor oder haben bereits ihre KandidatInnen für die Präsidentschaft bzw. Vizepräsidentschaft bekanntgegeben und mit ihren Wahlkampagnen begonnen. Um ein bisschen einen Überblick zu haben, wie sich das abspielt, wer mit wem paktiert und gegen wen intrigiert, werde ich bis zu den Wahlen regelmässig Kurznachrichten unter dem Titel "Notizen aus dem Wahlkampf" veröffentlichen. Die Redaktorin Die Guatemaltekische Bischofskonferenz (CEG) ruft sämtliche Parteien dazu auf, die Weiterführung des Friedensprozesses und die Wiederversöhnung der guatemaltekischen Familie als Schwerpunkte in ihre Regierungsprogramme aufzunehmen. Das zukünftige Staatsoberhaupt müsse den Demokratisierungsprozess weiterführen, die politische Beteiligung aller Sektoren fördern und speziell die Rechte der Indigenen Bevölkerung anerkennen. Alle gewichtigen Parteien (PAN/ FRG/ ANN/ PLP) nahmen Stellung zum Aufruf der Bischofskonferenz und versicherten, nur ihr Kandidat erfülle diese Bedingungen. Da er nicht über die finanziellen Mittel verfüge, um im Wahlkampf mit der Regierungspartei PAN zu konkurrenzieren, zog der Kandidat der Nationalen Union (UN) und Demokratischen Allianz (AD), Oscar Clemente Marroquín seine Kandidatur zurück. Er begründet seinen Rückzug damit, dass, solange das Wahlgesetztes keiner Reform unterzogen und keine klaren Spielregeln aufgestellt würden, die Regierungspartei immer die öffentlichen Mittel verwenden werde, um ihre Wahlkampagne zu finanzieren. Er jedoch sei nicht bereit, Geld aus anonymen Quellen oder unter Bedingungen zu akzeptieren. Dies hätte zu finanziellen Engpässen bei seiner Kampagne geführt, in welche er bereits 600'000 Quetzales investiert habe. Da sich die Präsidentschaftskandidaten im Moment zu 100% ihrer Wahlkampagne widmen, stellt sich die Frage, wie sie ihre Familien ernähren: Oscar Berger (PAN) versichert, seine Einkünfte aus dem Landwirtschaftssektor zu beziehen. Er besitzt eine Finca in Esquintla, wo Gemüse angebaut und Milchwirtschaft betrieben wird. Asisclo Valladares lebt von seiner Arbeit als Anwalt. Auch wenn er selber im Moment nicht in der Praxis sei, gebe diese doch genug ab, um seine Familie zu ernähren und den Wahlkampf zu finanzieren. Francisco Bianchi (ARDE), bezieht sein Einkommen aus Investitionen in die Bauwirtschaft. Alfonso Portillo (FRG), ist Berater von zwei Banken und einer Finanzgesellschaft. Wegen seinen politischen Aktivitäten habe er seinen Lehrstuhl an der Universität abgeben müssen. Alvaro Colom (ANN), ist ebenfalls Berater und Investor einer Textilmaquila. Danilo Roca (UCN) versichert, seine finanziellen Mittel aus seiner Arbeit als Anwalt zu beziehen sowie aus Dividenden eines familiären Bauunternehmens. Mehr als zehn Ex- Militärs versuchen, durch ihre Kandidatur bei den Wahlen zu öffentlichen Posten zu kommen. Bezeichnend ist, dass die Mehrheit von ihnen für die FRG kandidiert. Unter ihnen Luis Felipe Miranda Trejo, Absolvent der politechnischen Schule und mit Kaibilausbildung, als Offizier in Cobán stationiert, als das Massaker von Río Negro stattfand. Später in der Führung der ambulanten Militärpolizei (PMA) in deren Räumlichkeiten sich die Folterkammer "La Isla" befand (siehe letztes Fíjate), Mitbegründer der Zivilpatroullien (PAC) und einiges mehr. Miranda kandidiert im Namen der FRG als Abgeordneter für den Bezirk Huehuetenango. Nach oben |
Unter ihnen auch Pedro García Arredondo, welcher das "Kommando 6" leitete, verantwortlich für das Massaker in der Spanischen Botschaft. Ebenfalls erwähnt im neunten Bericht von MINUGUA als Teilnehmer einer klandestinen Gruppe, welcher soziale Säuberung, Enteignung und Entführungen angelastet wird. Arredondo kandidiert im Namen der FRG für die Wiederwahl als Bürgermeister von Nuevo Santa Rosa. Oder Byron Humberto Barrientos, der zum zweiten Mal für einen Kongressitz kandidiert. Barrientos, Vertrauensmann von General Rios Montt war Führer der S-2, einer Einheit des militärischen Nachrichtendienstes sowie im Generalstab der Nationalen Verteidigung. Barrientos kandidiert ebenfalls für die FRG. Zwei Wochen vor dem Ablauf der Einschreibefrist haben sich erst 17 BürgerInnenkomitees (Comité Cívico) ins Wahlregister eintragen lassen. Die BürgerInnenkomitees ermöglichen der Bevölkerung, sich für ein BürgermeisterInnenamt oder ins Gemeindeparlament wählen zu lassen, ohne einer politischen Partei angehören zu müssen. Im Gegensatz zu den Parteien, welche bis zum 8. September Zeit haben, die Bedingungen der Wahlbehörde für eine Teilnahme zu erfüllen, haben die Komitees nur bis zum 7. August Zeit. Ein sehr starkes BürgerInnenkomitee hat sich am 20. Juli in Sololá konstituiert. Unter Teilnahme von über dreitausend Personen führte das Komitee "SololáerInnen gemeinsam für Entwicklung (SUD) seine Gründungsversammlung durch, wo gleichzeitig die KandidatInnen ausgewählt wurden. Pedro Iboy Chiroy, Bürgermeister von Sololá, rief die Bevölkerung dazu auf, in den kommunalen, politischen Strukturen teilzunehmen. Dies sei Teil des Demokratisierungsprozesses und müsse genutzt werden. Der Koordinator der Mayaorganisationen Guatemalas (COPMAGUA), Rigoberto Júarez, äussert sich beunruhigt über das Desinteresse, welches der grösste Teil der Mayabevölkerung den anstehenden Wahlen gegenüber zeigt. Keine Partei vertrete bisher die Interessen der indigenen Bevölkerung in ihrem Parteiprogramm. Die Wahlpropaganda konzentriere sich bisher nur auf Personen und nicht auf Inhalte und konkrete Vorschläge. Die Dörfer seien mit Wahlpropaganda vollgeklebt, doch hätte ihnen bisher noch keine Partei ihr Regierungsprogramm vorgestellt. Juan León, Koordinator der Defensoría Maya seinerseits kritisiert, dass KandidatInnen der Mayabevölkerung auf den Wahllisten nach wie vor untervertreten sind. León befürchtet, die Stimmenthaltung könnte dieses Jahr noch grösser sein als bei den Wahlen im Jahre 1995. Es habe sich eine Stimmung unter der Bevölkerung verbreitet von: "Auch wenn wir wählen, es ändert sich ja doch nichts". Die Enttäuschung unter der indigenen Bevölkerung sei auch auf die falschen Wahlversprechen zurückzuführen. Davon nimmt León auch die ANN nicht aus. Sie sei eine Hoffnung für viele Leute gewesen, doch die Probleme, die sich im Moment mit der FDNG abzeichneten, zeigten, dass die ANN keine Ausnahme zu den andern Parteien bildet. Verschiedenen Maya- Organisationen kritisieren auch, dass die ländliche Bevölkerung von den politischen Parteien erpresst wird, indem ihnen Hilfe angeboten wird im Austausch zur Parteimitgliedschaft. |
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