Tag der Opfer des bewaffneten Konfliktes
Fijáte 205 vom 1. März 2000, Artikel 8, Seite 5
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Tag der Opfer des bewaffneten Konfliktes
Guatemala, 26. Februar. In der Instanz für Frieden und Einklang zusammengeschlossene Organisationen von Familienangehörigen von während dem Krieg verschwundenen Personen, haben den 25. Februar zum 'Tag der Opfer des bewaffneten Konfliktes' ausgerufen. Vor genau einem Jahr hat die Wahrheitskommission (CEH) ihren Bericht Guatemala- Memoria del Silencio (Guatemala- Erinnerung des Schweigens) vorgelegt, das Ergebnis ihrer Untersuchung über die Menschenrechtsverletzungen während des Krieges. Die Feierlichkeiten zu dem Jahrestag begangen im Parque Morazán, wo der erste Stein für ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen gesetzt wurde. Diese Zeremonie wurde von der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú und dem PAN-Bürgermeister der Hauptstadt, Fritz García-Gallont, geleitet. Danach führte ein Demonstrationszug am Kongress vorbei auf die Plaza de la Constitución. Bei der Niederlegung eines Blumenkranzes skandierten eine Gruppe StudentInnen "zuerst Pinochet, jetzt Ríos Montt!" Damit bezogen sie sich auf die Klage, die Rigoberta Menchú beim spanischen Obersten Gerichtshof gegen Ríos Montt eingereicht hatte. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass das Gericht die Klage angenommen hat. Vor dem Kongressgebäude wurde das von den Abgeordneten am letzten Donnerstag verabschiedete Dekret vorgelesen, das den 25. Februar zum 'Nationalen Tag der Opfer der Gewalt' erklärte. In diesem Beschluss werden die zuständigen staatlichen Stellen dazu aufgefordert, die sie betreffenden Empfehlungen der CEH umzusetzen. Das Dekret wurde von den Abgeordneten der ANN vorgeschlagen. Die Regierungspartei FRG sprach sich zuerst dagegen aus mit der Begründung, dass damit alte Wunden aufgerissen würden. Sowohl im Parque Morazán wie auf der Plaza de la Constitución wurden die Fotos von im Krieg Verschwundenen Personen aufgestellt. In der Instanz für Frieden und Einklang sind verschiedene Institutionen und Sektoren vertreten, z.B. das staatliche Menschenrechtsbüro, die Witwenvereinigung CONAVIGUA, die Nationale Koordination der BäuerInnenorganisationen CNOC, die Defensoría Maya, die StudentInnenvereinigung AEU und andere. Sie ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Stiftung für Frieden und Einklang, deren Aufgabe die Umsetzung der von der guatemaltekischen Wahrheitskommission (CEH) erarbeiteten, an die Regierung gerichteten Vorschläge zur Versöhnung und Friedenssicherung wäre. Bisher konnte sich jedoch der Kongress noch nicht durchringen, diese Instanz zu offizialisieren. Bereits knappe zwei Monate nach seiner Amtseinsetzung zeichne sich der mangelnde politische Wille Portillos bei der Umsetzung der CEH- Empfehlungen ab, erklärte Ramón Cardeno vom Komitee des Internationalen Roten Kreuzes an einer Diskussionsveranstaltung. Er hoffe, dass das von Portillo versprochene Regierbarkeitsabkommen ein brauchbares Instrument ist für die Umsetzung der Empfehlungen. Nach oben |
In einem Interview mit der Tageszeitung El Periódico beklagte Alfredo Balsells Tojo, ehemaliges Mitglied der Wahrheitskommission, den mangelnden politischen Willen sowohl der abgetretenen Regierung Arzú wie auch der neuen Regierung Portillos bei der Umsetzung der Empfehlungen der CEH. Dazu gehörten einerseits die Widerstände bei der Einsetzung der bereits erwähnten Stiftung für Frieden und Einklang. Ebenso würde die Arbeit der forensischen MedizinerInnen zu wenig unterstützt. Etwas vom Wichtigsten auf dem Weg zur Versöhnung seien die Exhumierungen, meinte Balsells. Die Leute hätten ein Recht darauf zu wissen, was mit den Verschwundenen passiert sei, ob sie noch lebten, bzw. wo und wie sie gestorben seien. In diesem Zusammenhang kritisierte Balsells auch das Militär. Die Militärführung wisse genau, wo die klandestinen Friedhöfe seien, verweigerten jedoch ihre Mithilfe bei den Exhumierungen. Das Verhalten des Militärs habe sich seit der Veröffentlichung des Berichtes in keiner Weise verändert. Es seien nicht einmal die in Menschenrechtsverletzungen involvierten Militärs abgesetzt worden, im Gegenteil, ein Teil von ihnen sitze heute in der Regierung. Das ehemalige Mitglied der Wahrheitskommission wies auf die Wichtigkeit des Druckes hin, den die Zivilgesellschaft auf die Regierung ausüben muss, um die Umsetzungen der Empfehlungen zu erreichen. Ein solcher Bericht allein reiche nicht aus, um eine Versöhnung herbeizuführen. Eine wahrhafte Versöhnung könne nur erreicht werden, wenn die ganze Wahrheit bekannt würde und die Leute ihre Toten endlich würdevoll begraben könnten, meinte Balsells abschliessend. Auch in anderen Teilen des Landes wurde der 25. Februar feierlich begangen: Rund 28 Organisationen des Departements Retalhuleu organisierten anlässlich dieses Jahrestages und in Erinnerung an die Opfer des Krieges einen Gedenkmarsch. Es sei wichtig für die Bevölkerung, die Namen der Gefallenen zu kennen und ihre Andenken zu bewahren, meinten die OrganisatorInnen der Kundgebung. Dank ihrem Kampf würden die Menschen heute in grösserer Freiheit leben und hätten die Möglichkeit, ihre Rechte einzufordern. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis die 'ganze Wahrheit' bekannt ist und bis ohne Angst und traumatischen Erinnerungen die Namen der Verantwortlichen der Massaker und Entführungen genannt werden können. |
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