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Maya-Rechtsprechung: Die Herausforderung, eigenes Wiederzubeleben

Fijáte 196 vom 20. Okt. 1999, Artikel 1, Seite 1

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Maya-Rechtsprechung: Die Herausforderung, eigenes Wiederzubeleben

Die BefürworterInnen der Maya-Justiz sind der Meinung, dass die Anerkennung der Maya-Rechtsprechung Möglichkeiten zu gesellschaftlichen Veränderungen öffnen kann. Das Gewohnheitsrecht akzeptieren würde bedeuten, eine Demokratie aufzubauen, die den existierenden kulturellen Unterschieden im Land Rechnung trägt, so die Soziologen Edgar Esquit und Iván García in ihrer Untersuchung "Das Gewohnheitsrecht, die Justizreform und die Umsetzung der Friedensverträge" (VGFLACSONF 1998).

Der Sieg des "NEIN" in der Consulta Popular (Abstimmung über die Verankerung der VGVerfassungsreformenNF) schadete den Bemühungen um die Anerkennung des Gewohnheitsrechts in den Verfassungsreformen (Inforpress 1320). Mit der Reform des Artikels 203 sollte dem bestehenden Text ein Abschnitt beigefügt werden, der die Anerkennung des indigenen Gewohnheitsrechts und die Gültigkeit ihrer Entscheide festhält: Der Staat anerkennt das indigene Gewohnheitsrecht, verstanden als die Normen, Prinzipien, Werte, Vorgehensweisen, Traditionen und Bräuche der indigenen Bevölkerung zur Regelung ihres Zusammenlebens; ebenso die Gültigkeit ihrer Entscheidungen unter der Bedingung, dass jedeR sich ihr freiwillig unterstellt, dass die fundamentalen, durch das nationale Justizsystem definierten Rechte, die von Guatemala mitunterzeichneten, internationalen Menschenrechtsabkommen nicht verletzt werden und die Interessen Dritter nicht beeinträchtigt werden.

Die politischen Verhandlungen, um die Änderung am Art. 203 ins Reformenpaket aufzunehmen, waren sehr schwierig, weil einige Kongressabgeordnete argumentierten, diese Reform würde die "Ausschliessliche Rechtssprechung", über die heute der VGOberste GerichtshofNF verfügt, abschaffen.

Die Kommission zur Stärkung der Rechtsprechung, gegründet, um die Friedensverträge juristisch umzusetzen, versuchte, die Modernisierung des Staatsapparates mit der notwendigen Anerkennung des Gewohnheitsrechts in Übereinstimmung zu bringen. Dies, um einerseits zu verhindern, dass den indigenen Völkern Normen und staatliche Autoritäten aufgedrängt werden. Zum andern soll verhindert werden, dass parallele Rechtssysteme aufgebaut werden, die unabhängig voneinander funktionieren. Die Volksbefragung hatte die Schaffung einer verfassungsmässigen Norm zum Ziel, die sich in einem Gesetz konkretisiert, das die Beziehung zwischen beiden Systemen auf flexible, übereinstimmende Art regelt und das innerhalb kurzer Zeit erarbeitet wird. (Guatemala, los contrastes del desarrollo humano 1998, S. 142.)

Für Lic. Arnoldo Ortiz Moscoso, Mitglied der Kommission zur Stärkung der Rechtsprechung und seitens des Staates Unterzeichner des Abkommens 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) bedeutet die Ablehnung der Reformen in der Volksabstimmung ein Innehalten in einer Vorwärtsbewegung, was aber auch positiv sein kann. Die politische Verhandlung und die Volksabstimmung haben eine breite Diskussion über das Maya-Gewohnheitsrecht und ihre traditionelle Rechtsprechung ausgelöst, meint Ortiz Moscoso. Das Indigena-Recht ist jetzt ein Thema nicht nur in der Agenda der Mayas, sondern aller nationalen und internationalen Organisationen, die sich seiner Wichtigkeit bewusst sind. Die Mayaorganisationen haben sich damit abgefunden, dass das Nichtzustandekommen der Verfassungsreform kein Hindernis ist. Es gibt einige Aktivitäten von offizieller Seite her, die auf eine Anerkennung des Maya-Rechts hinzeigen", meint er weiter.

Laut Leonardo Cabrera von der Koordination der Mayaorganisationen Guatemalas (VGCOPMAGUANF) ist es eine mögliche Strategie, die bereits existierenden Gesetze zur Anerkennung des Maya-Rechts besser zu nutzen. Im Art. 66 der guatemaltekischen Verfassung zum "Schutz von ethnischen Gruppen", anerkennt, respektiert und fördert die Verfassung Lebensformen, traditionelle Bräuche, Organisationsformen...von Männern und Frauen... Im selbenAbschnitt der Verfassung wird die Schaffung eines spezifischen Gesetzes vorgeschlagen, um die indigenen Gemeinden zu organisieren. In den fünfzehn Jahren, seit denen diese Verfassung besteht, ist dieses Gesetz nie verkündet worden.

Ortiz Moscoso und Cabrera sind auch der Ansicht, dass das Abkommen 169 der ILO ein wichtiges Werkzeug zur Förderung der Maya-Rechtsprechung ist. Das Abkommen anerkennt die Gültigkeit der spezifischen sozialen Organisationen und Formen der Konfliktlösung der indigenen Völker. Eine andere Möglichkeit ist, nach Mechanismen zu suchen um die Entscheide der Maya- Obrigkeiten durch die Friedensrichter anerkennen zu lassen, raten sie

Obwohl KritikerInnen dieser Initiativen damit argumentieren, es könnten nicht zwei parallel operierende Rechtssysteme existieren, behaupten die BefürworterInnen, dass es keinen Widerspruch zwischen der Maya-Justiz und dem offiziellen Rechtswesen gibt. Ortiz meint: Die Maya- Justiz kann keine Entscheide fällen, die gegen die nationalen Gesetze oder gegen Menschenrechtsabkommen verstossen, welche vom guatemaltekischen Staat anerkannt wurden. Die Tatsache, dass das Gewohnheitsrecht eine Möglichkeit ist, erleichtert das Harmonisieren beider Systeme. Die Maya-Autoritäten schalten sich nur ein, wenn dies beide Konfliktparteien wünschen.

Nach der Ablehnung der Verfassungsreformen im Mai und dem Beginn der Wahlkampagne ist es unwahrscheinlich, dass zum Thema noch dieses Jahr etwas geschieht. Für die rivalisierenden Parteien stellt sich das Problem, wie sie möglichst viele Stimmen gewinnen können, wenn eine Hälfte der WählerInnen für einen plurikulturellen, multiethnischen und vielsprachigen Staat sind und die andere Hälfte vor eben dieser immer noch Angst hat.


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