Urteil im Fall Xamán: Ein weiteres Beispiel von Straffreiheit
Fijáte 192 vom 25. Aug. 1999, Artikel 3, Seite 3
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Urteil im Fall Xamán: Ein weiteres Beispiel von Straffreiheit
Guatemala, 18. August. Im Folgenden veröffentlichen wir das Pressekommuniqué der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, die bis Januar 1999 als Nebenklägerin im Fall Xamán auftrat. 1. In meiner Funktion als Ex- Nebenklägerin im Fall Xamán und als Vertreterin der Opfer der Gemeinde Aurora 8 de Octubre, weise ich energisch das Urteil des Gerichts von Cobán zurück. Darin werden elf Mitglieder der Militärpatrouille, unter ihnen der Leutnant Camilo Antonio Lacán Chaclán, wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, umwandelbar in eine Geldstrafe von 5 Quetzales pro Tag, abzüglich der bereits abgesessenen Zeit. Der Rest der Patrouille wurde wegen Beihilfe zu vorsätzlicher Tötung zu 4 Jahren verurteilt, ebenfalls umwandelbar in eine Geldstrafe. 2. Die von den Mitgliedern der Militärpatrouille begangenen Delikte gehören in die Kategorie "aussergesetzliche Hinrichtung", "Hausfriedensbruch" und "vorsätzliche Verletzung". So wurde es auch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und von mir, als ich noch als Nebenklägerin fungierte, formuliert. Unserer Gesetzesregelung entsprechend gilt als aussergesetzliche Hinrichtung die Tötung von einer oder mehr Personen ohne politisches Motiv, durch Staatssicherheitskräfte infolge Missbrauch oder Überschreitung ihrer Kompetenzen als Angehörige des Militärs. Im Fall von Xamán ist eindeutig bewiesen, dass die elf Personen, unter ihnen zwei Kinder, ohne politisches Motiv getötet wurden und dass die Täter Mitglieder der von Leutnant Lacán Chaclán kommandierten Militärpatrouille waren. Das heisst, die Verantwortlichen der Tat sind Teil des Staatssicherheitsapparates und haben ihre Kompetenzen klar überschritten, indem sie mit ihren Dienstwaffen gegen eine unbewaffnete Bevölkerung, vorwiegend Frauen und Kinder, eingeschritten sind. Dies gilt als aussergesetzliche Hinrichtung, bzw. als ein Versuch von aussergesetzlicher Hinrichtung, im Falle der 27 verletzten Personen. Der Tatbestand "Hausfriedensbruch" liegt in diesem Fall ganz eindeutig vor, da die Militärangehörigen ohne Erlaubnis und gegen den Willen der BewohnerInnen einen Besitz betreten haben, was ihnen im Fall von Xamán durch richterliche Verfügung untersagt war. Ausserdem ist die Finca Xamán Privatbesitz, was auch im Eigentumsregister festgelegt ist. Der Tatbestand der "vorsätzlichen Verletzung" wurde erbracht, indem nachgewiesen wurde, dass die einzigen, die geschossen haben, Mitglieder der Militärpatrouille waren. Auch die verletzten Soldaten gehen aufs Konto der Militärs. Nach oben |
3. Ich protestiere energisch gegen das Vorgehen des Staatsanwaltes Lic. Alejandro Muñoz Pivaral, welches unzureichend war und den Angeklagten und ihren Richtern entgegenkam. Er ging soweit, dass er am Tag der Schlussverhandlung nicht einmal im Gericht erschien. Das Verhalten des besagten Anwalts zeigt zum x-ten Mal die strukturellen Probleme im Rechtssprechungssystem des Landes. 4. Der Verlauf und das Ergebnis des Prozesses des Massakers von Xamán illustriert in seinem ganzen Umfang, dass in Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die Entscheidungen der RichterInnen, AnwältInnen und StaatsanwältInnen nicht auf Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und ethischen Prinzipien basieren, sondern dass die Justizorgane und die Staatsanwaltschaft gewissen Sektoren des Militärs unterstellt sind. 5. Ich bestätige meine Unterstützung und Begleitung gegenüber der Opfer des Massakers von Xamán sowie ihrer Familienangehörigen auf der Suche nach Gerechtigkeit. Wie ich schon bei der Niederlegung meines Amtes als Nebenklägerin betonte, und erst recht nach diesem negativen, die Straffreiheit fördernden Urteil, werde ich den Fall vor die Internationalen Instanzen bringen. Ich werde weiterhin dem Interamerikanischen Gerichtshof, wo der Fall seit Januar 1996 vorliegt, die nötigen Informationen liefern, damit er einen Bericht erarbeiten kann, der den Guatemaltekischen Staat verurteilt. Auch habe ich den Fall dem Internationalen Gerichtshof vorgelegt. Rigoberta Menchú Tum |
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