Vor den Wahlen dürfen die Ex-PAC nicht fehlen
Fijáte 386 vom 30. Mai 2007, Artikel 2, Seite 4
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Vor den Wahlen dürfen die Ex-PAC nicht fehlen
Guatemala, 23. Mai. Zehn Jahre nach der Unterzeichnung der Friedensverträge sind schon wieder 184 Personen auf der Flucht vor den Einschüchterungen und Morddrohungen von Seiten noch aktiver Ziviler Selbstverteidigungspatroullisten (Ex-PAC). Zwischen dem 7. und 10. Mai sah sich die Gruppe von Männern, Frauen und Kindern gezwungen, ihr Dorf, Los Cimientos, San Bartolomé Jocotenango im Departement Quiché, zu verlassen und sind zum Teil in die umgebenden Wälder und Berge, zum Teil in die Hauptstadt geflüchtet, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen ausharren. Seit Jahren übt eine Gruppe von 17 ehemaligen Ex-PAC, darunter Militärkommissionäre und PAC-Anführer, die Kontrolle in Los Cimientos aus und verfügt immer noch über ihre "Dienstwaffen" unterschiedlichen Kalibers, die sie nicht, wie weiland landesweit üblich, abgegeben hat. Die Männer und über 14-Jährigen des Dorfes werden von den Ex-PAC gezwungen, sich ihnen anzuschliessen und Kontrollrunden zu absolvieren. Bei Ausfall müssen 50 Quetzales Strafe gezahlt werden und werden diese nicht entrichtet, wird den "Missetätern" eine dreitätige Zwangsarbeit auf den Feldern der paramilitärischen Anführer sowie eine Zahlung in Naturalien aufoktroyiert. Geld und Nahrungsmittel werden dann unter den Ex-PAC aufgeteilt. Längst liegen dem Menschenrechtsprokurat (PDH) Anzeigen wegen Morddrohungen durch die Ex-PAC gegen die Bevölkerung vor, die aus Angst vor weiteren Repressalien bislang davon abgesehen hat, die ihnen bekannten und von ihnen gefürchteten Täter zahlreicher Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen des Dorfes und einiger Morde zu denunzieren. Doch jetzt haben sie endlich den Mut und die Unterstützung von Víctor Manuel Sales Ortiz gefunden, der Abgeordneter der linken Allianz URNG-MAIZ und Präsident der Friedenskommission des Kongresses ist und jetzt versucht dafür zu sorgen, dass die zuständigen Staatsautoritäten sich des Falles annehmen. Die Zivile Nationalpolizei (PNC) in Begleitung von Militärs und Angestellten der Staatsanwaltschaft sind am 10. Mai jedoch schon bei ihrem Versuch gescheitert, die von der Bevölkerung beantragten richterlichen Hausdurchsuchungsbefehle in Los Cimientos auszuführen, sind sie doch von den Ex-PAC just mit deren sicherzustellenden Waffen angegriffen worden. Bereits seit einigen Monaten üben Organisationen ehemaliger Zivilpatrouillen ohnehin erneut Druck auf die Regierung aus und fordern die Auszahlung der von der vorherigen Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) unter Alfonso Portillo versprochenen und in drei Raten aufgeteilte finanzielle Entschädigung für ihre so genannten Dienste am Vaterland. Im vergangenen Jahr hat sich ein Grossteil der Ex-PAC auf den Deal eingelassen, keine direkte "PAC-Entschädigung" zu bekommen, sondern an einer aus PAC-Entschädigungsgeldern finanzierten Beschäftigungsmassnahme zur Wiederaufforstung teilzunehmen und dafür monetär belohnt zu werden (¡Fijáte! 356). Doch mittlerweile zeitigt auch dieses Vorhaben seine Mängel: Zum einen waren von Vornherein 5% der bis dahin registrierten Ex-PAC von diesem wohl tönenden Programm Wälder und Wasser für die Eintracht ausgeschlossen, die Teilnehmenden warten seit November auf ihren Lohn und anstelle der 39 Mio. Bäume wurden gerade einmal 17 Mio. gepflanzt aus dem einfachen Grund, dass es nicht genügend staatliches Land gibt. Klar sind bislang vor allem die schon getätigten Ausgaben: Allein für dieses Programm belaufen sie sich auf 900 Mio. Quetzales und stammen aus der Staatskasse. Nicht wirklich überraschen die derzeitigen Klagen und Drohungen der Ex-PAC: In den Departements Petén und Sololá soll die Regierungspartei Grosse Nationale Allianz (GANA) die Auszahlungen an die Mitgliedschaft in der Partei gebunden haben. Zumindest in Mazatenango, Suchitepéquez, haben die erbosten Ex-PAC ihre Warnungen bereits erfüllt und das Gebäude der örtlichen Vertretung des Landwirtschaftsministeriums besetzt und fordern die ihnen versprochenen Gelder. In Jalapa fand bereits eine entsprechende Demonstration statt und generell wurden landesweit Aktionen angekündigt, die Wahlen im September zu boykottieren, sollte die Regierung den Auszahlungen nicht nachkommen. Nach oben |
Während Präsident Berger verspricht, bis zum Ende seiner Amtszeit diese bis auf den letzten Heller und Centavo zu verteilen, kritisierte die Menschenrechtsorganisation Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) Stimmen aus der Exekutive, die Zahlungen bis in die nächste Regierungsperiode hinauszuzögern als unlauteren Wahlstimmenfang. Stutzen lässt die Ankündigung in der Regierungsgazette von Mitte April, dass mit dem Regierungsabkommen 111-2007 nun eine Temporäre Hochkommission geschaffen werden soll, die, abhängig vom Regierungspräsidium, notwendige Aktionen koordinieren soll, um festzustellen, wer überhaupt Mitglied der Ex-PAC gewesen sei. Neben VertreterInnen verschiedener Ministerien und Staatsstellen soll auch ein Ex-PAC-Repräsentant engagiert werden. Hinsichtlich des Nationalen Entschädigungsprogramms (PNR), mittels dem die Opfer des internen bewaffneten Konflikts bedacht werden sollen und in diesem Zusammenhang ökonomische, psycho-soziale sowie produktive Unterstützung erhalten sollen, gibt es demgegenüber wenig zu berichten. Bereits 2003 gegründet, im November 2005 von der Regierung interveniert, kann bis heute nicht von einem reibungslosen Funktionieren die Rede sein. Auch wenn in der Presse stets servil von jeder einzelnen der sporadischen Veranstaltungen berichtet wird, bei denen den registrierten Opfern bzw. Familienangehörigen von Opfern ein Scheck überreicht und mancherorts selbst Berger persönlich auftritt, beklagen die Organisationen der Opfer die offenbare Unfähigkeit und den fehlenden Willen von Seiten der staatlichen Autoritäten. Im letzten Jahr gab es drei Treffen mit dem Vizepräsidenten Eduardo Stein und jedes Mal wurden von diesem zahlreiche Vereinbarungen unterzeichnet, die bis heute nicht erfüllt wurden: Weder zeugt das Programm mittlerweile von Transparenz noch werden die Opferverbände konsultiert, es gibt keine der geforderten Veränderungen des Umgangs mit den Opfern von Seiten des PNR-Personals, auf die Präsentation einer gesamtheitlichen PNR-Politik, in der die Zwangsvertreibungen priorisiert werden, wird genauso gewartet, wie auf die Annahme von 20´000 ZeugInnenaussagen im Quartal. Und noch nicht einmal wurde die Monitoring- und Begleitungsinstanz gegründet, die sich darum kümmern könnte, dass zumindest die mehr als 8´000 bereits vor einem Jahr registrierten Fälle bearbeitet und den Themen der verschwundenen Kinder sowie dem erzwungenen Verschwinden Aufmerksamkeit und Behandlung geschenkt werden. Im letzten August wurde auf die Forderung, auch die intern Vertriebenen im PNR in Betracht zu ziehen, noch geantwortet, sie sollten doch Geduld haben, denn alle würde schliesslich darauf warten, an die Reihe zu kommen. Im Februar ist endlich ein entsprechender Mechanismus eingeführt worden und es ist geplant, den intern Vertriebenen mit produktiven und Wohnbauprojekten unter die Arme zu greifen. Allein im laufenden Jahr gingen bereits 30´000 Zahlungsanträge von Opfern beim PNR ein, 60% davon stammen von Opfern der internen Vertreibung. Ganz unterschiedlich gehen die Opfer und Familienangehörigen von Opfern mit ihrer Situation um: Im Departement Izabal fürchten sich viele vor Repressalien, wenn sie sich im PNR registrieren lassen (würden), in den Munizipien Aguacatán und Ixtahuacán, Huehuetenango werden die PNR-Angestellten öffentlich als überhebliche und diskriminierende Ex-PAC denunziert und ihre Entlassung gefordert. Und in Chimaltenango haben im Februar rund 2´000 Familienangehörige von Opfern den departementalen PNR-Sitz besetzt, um Druck auf die Regierung auszuüben, die Offerten auch zu erfüllen. Gleichzeitig wird klar, dass auch die Registrierung der Opfer mehr als mangelhaft ist. Das Hauptproblem liegt in der fehlenden BürgerInnenregistratur, die wiederum oft bedingt ist durch die fehlende oder falsche Information der Bevölkerung hinsichtlich der Bedeutung, sich im Melderegister einzuschreiben, sowie durch die bürokratischen und infrastrukturellen Hindernisse, die die Einschreibung für viele erschweren. |
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