Gesetz gegen das organisierte Verbrechen kommt in Bewegung
Fijáte 388 vom 27. Juni 2007, Artikel 7, Seite 6
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Gesetz gegen das organisierte Verbrechen kommt in Bewegung
Guatemala, 18. Juni. RichterInnen und StaatsanwältInnen sind der Ansicht, dass nicht nur die in der letzten Zeit von der Nationalen Zivilpolizei (PNC) durchgeführten Festnahmen von vermeintlichen Kriminellen jeglichen Rückhaltes entbehrten mit der Folge, dass diese laufen gelassen würden oder mit geringen Strafen davonkämen. Die PNC hatte kürzlich berichtet, dass sie im Rahmen des "Plans Sichere Reise" innerhalb von fünf Wochen 4´000 Verhaftungen vorgenommen habe, vornehmlich wegen Erpressungen. Von diesen blieben jedoch 60% auf freiem Fuss, die übrigen wurden wegen kleinerer Delikte, wie Drogenbesitz zum Konsum oder versuchtem Diebstahl gering belastet. Hauptgrund für das richterliche Vorgehen ist das in den meisten Fällen fehlende Beweismaterial von Seiten der Staatsanwaltschaft, die die verdächtigte Person mit dem Verbrechen tatsächlich in Verbindung bringt. Ausserdem zeugten die polizeilichen Verhaftungsprotokolle von zahlreichen Formfehlern. So wird darin festgehalten, dass eine Person festgenommen wurde, weil sie "auf verdächtige Weise lief", während das Gesetz klar festschreibt, dass die einzigen Gründe für eine Verhaftung bei Ertappten in flagranti oder aber eine richterliche Anordnung seien. Ein weiteres Manko der polizeilichen Festnahmen sei die Tatsache, dass sich die beteiligten PNC-AgentInnen oft in ihren Aussagen widersprechen würden. Entsprechend weckten selbst für den Staatsanwalt gegen das organisierte Verbrechen, Jorge Luis Donado, die Verhaftungen falsche Hoffnungen in der Bevölkerung, es sei noch in keinem einzigen Fall wegen Erpressung in seiner Kanzlei ein Prozess geführt worden. Aber auch die PNC selbst steckt in der Zwickmühle. So erklärt der Chef des Zentraldistrikts, dass das Problem weniger an der herrschenden Unsicherheit sondern an den rechtlichen Lücken liegen würde. Neben dem fehlenden Beweismaterial sowohl sicherlich wegen fehlender Professionalität der AgentInnen als auch aufgrund der Veränderung des Tatortes liegt das Hauptproblem daran, dass die Opfer aus Angst vor Repressalien keine ZeugInnenaussage zu leisten bereit sind. So können die Festnahmen als illegal betrachtet werden und die beteiligten AgentInnen selbst ins Gefängnis wandern. Wenigstens auf legaler Ebene hat sich in Sachen Bekämpfung des organisierten Verbrechens etwas getan. Mit dem bereits im letzten Jahr nach langer Erörterung verabschiedeten Gesetz gegen das organisierte Verbrechen sollen vornehmlich denjenigen kriminellen Gruppen das Handwerk gelegt werden, die sich Erpressungen, Geiselnahmen, Drogenhandel, Autodiebstahl und Banküberfällen verschreiben. Nun sind drei ebenfalls heiss diskutierte Reglements in Kraft getreten und beinhalten die Normen, die den legalen Rahmen zur Anwendung von Telefonabhörmassnahmen, dem Einsatz verdeckter Ermittlerinnen und die überwachte Übergabe von Drogen oder Geld beinhalten. Das Abhören von Telefongesprächen darf demnach nur mit Autorisierung eineR RichterIn durchgeführt werden, wobei die Polizei verpflichtet ist, täglich die dabei erhaltenen relevanten Daten schriftlich festzuhalten. Für die Einschleusung verdeckter Ermittlerin die kriminellen Organisationen, die der Staatsanwaltschaft obliegt, soll eine Auswahl von qualifizierten AgentInnen getroffen werden. Auch die Einschleusung von Ködern liegt in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft. Der Stein des Anstosses der währenden Diskussion ist und bleibt die Frage nach der Verfassungskonformität der Telefonlauschaktionen. Die einen Rechtsexpertinnen sehen diese als gegeben an, da es sich um spezielle Ausnahmesituationen und die Sicherung durch den richterlichen Beschluss handele, die anderen berufen sich auf das Urteil des Verfassungsgerichts vor einiger Zeit, das den Artikel 24 der Verfassung in den Vordergrund rückt, das die Privatsphäre in Sachen Kommunikation schützt und zudem besagt, dass bei dagegen verstossenen Abhöraktionen erhaltene Beweismaterial nicht als schlagend vor Gericht anzuerkennen sei. Nach oben |
Auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene läuft die Diskussion weiter. Während Mario Polanco von der Menschenrechtsorganisation Grupo de Apoyo Mutuo (GAM) nicht auschliesst, dass die korrekte Anwendung der Massnahme auch positive Aspekte beinhalten könnte, macht er gleichzeitig darauf aufmerksam, dass die Regulierung eine bereits de facto angewendete Praxis endlich in einen rechtlichen Rahmen setzt. Seine Sorge um das fehlende qualifizierte Personal zur Durchführung der Rechtsbestimmungen nimmt auch Iduvina Hernández von der Organisation Sicherheit in demokratischen Verhältnissen (SEDEM) auf, seien die zivilen Strukturen, die für die Gewährleistung der inneren Sicherheit verantwortlich sind, doch so gebrechlich und das Fehlen an finanziellen wie materiellen Mitteln und MitarbeiterInnen ausreichende Gründe für die Befürchtung, dass die Exekutive über kurz oder lang auf private Sicherheitsunternehmen oder auf das Militär zurückgreifen wird, um die geplanten Aktionen einzuführen. Und damit wäre der Rechtsstaat extrem gefährdet, schliesslich sei es noch schwieriger, die Mechanismen der demokratischen Kontrolle auf diese Art von Strukturen anzuwenden. Die Angst von Organisationen der Zivilgesellschaft, die vorgeschlagenen Methoden könnten auch gegen sie verwendet werden, hält sie für gerechtfertigt, seien diese Gruppen doch schon immer im Fokus der Regierungskontrollen, jetzt würden einfach noch mehr elektronischen Mittel dafür eingesetzt. Auch wenn Innenministerin Adela Camacho de Torrebiarte verkündet, in den nächsten Wochen die ersten öffentlichen Ausschreibungen für die Anschaffung der nötigen Ausrüstung zu starten, sagt Staatsanwalt Donado ganz klar, dass derzeit gar nicht die nötigen Gelder vorhanden seien, um die geplanten Massnahmen aufzunehmen. |
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