Offizielle Bürgerwehren
Fijáte 385 vom 16. Mai 2007, Artikel 6, Seite 5
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Offizielle Bürgerwehren
Guatemala, 7. Mai. Obwohl es sich überhaupt nicht um eine speziell von Kriminalität betroffene Gegend handelt, hat der Bürgermeister von San Francisco Zapotitlán, Suchitepéquez, zwölf ehemalige Militärangehörige als gemeindeeigenes "Sicherheitskommando" eingestellt. Die Männer, die irgendwann einmal Militärdienst geleistet haben, werden mit (im Vergleich zu den sonst im Land kursierenden Waffen) alten Flinten ausgestattet und losgeschickt, um in der Gemeinde für Sicherheit zu sorgen. Der Bürgermeister, Marco Tulio González, rechtfertigte die Anstellung damit, dass die Nationale Zivilpolizei (PNC) bloss fünf Polizisten stationiert habe, um "unser Gemeindeeigentum zu schützen". Die neue Einheit wurde vom Gemeinderat bestätigt und nebst den altertümlichen Waffen mit Handschellen ausgestattet. Jeder von den zwölf Männern verdient im Monat 1400 Quetzales (ca. 165 US-$). Zum Vergleich: Ein "normaler" Polizist vergleichbaren Ranges verdient etwa das Doppelte. Vor zwei Jahren begannen die BürgerInnen der Gemeinde, ihre eigene Sicherheits-Patrouille zu organisieren, was offenbar zu einer Reduktion von Gewalttaten und Überfällen geführt hatte. Euphorisch über den Erfolg wurden die Patrouillen eingeschränkt, was bereits wieder zu einem leichten Anstieg von Gewalttaten führte. Als Folge davon entschied der Gemeinderat nun, in die Sicherheit zu investieren und stellte die Sicherheitspatrouillen an, obwohl die Gemeinde unter chronischem Geldmangel leidet, was letztes Jahr sogar zu einer vorübergehenden Schliessung der Gemeindeverwaltung geführt hatte. Arbeitsbeschaffungsmassnahmen der Gemeindeverwaltung für die lokale Bevölkerung? Abgesehen davon, dass dies eine "nette Geschichte vom Dorf" ist, muss man diese Entwicklung in einem breiteren Kontext betrachten und sich fragen, ob solche Eigeninitiativen nicht den Bemühungen der neuen Innenministerin, Adela de Torrebiarte, entgegenwirken, die eine "Säuberung" innerhalb der Polizeikräfte durchführt. (Ende April wurden in diesem Zusammenhang rund 600 PolizistInnen wegen Korruption oder Beteiligung an Entführungen, Verbrechen oder Morden entlassen, was zum Teil auf vehemente Kritik stiess, da man befürchtet, dass, wird diesen Leuten keine Einkommensalternative geboten, sie sich als "Selbstständige" auf dem freien Verbrechensmarkt anpreisen werden.) Soziale, auf Sicherheitsfragen spezialisierte Organisationen plädieren ausserdem für eine fundiertere Ausbildung von PolizistInnen und verlangen, die Anforderungen, diesen Beruf auszuüben, zu erhöhen. Nach oben |
Ebenfalls fragwürdig ist die rechtliche Grundlage für eine solche Sicherheitstruppe, wie sie in San Francisco Zapotitlán eingesetzt wurde, denn theoretisch gibt es ja so etwas wie ein Gewaltmonopol - auch in Guatemala. Man stelle sich nur einmal vor, der aktuelle Bürgermeister stelle sich zwar bei den Wahlen im Herbst zur Wiederwahl, würde aber nicht gewählt und sein Nachfolger sähe keinerlei Nutzen mehr für die gemeindeeigenen Sicherheitskräfte. Werden sie dann zur Privatarmee des aktuellen Bürgermeisters? Werden sie von den staatlichen Polizeistrukturen absorbiert? Machen sie sich selbstständig? Und welche Rolle werden sie bei den Wahlen selbst spielen? Die Männer, die die Sicherheitstruppe bilden, sind im Dorf bekannt und geniessen offenbar bereits jetzt nicht den besten Ruf: "Hoffentlich überschreiten sie ihre Kompetenzen nicht und werden nicht zu einem neuen Machtsektor innerhalb der Gemeinde", äusserte sich eine Dorfbewohnerin skeptisch. |
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