Kriminalisierung von AktivistInnen für Land und Umwelt
Fijáte 428 vom 11. Februar 2009, Artikel 4, Seite 4
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Kriminalisierung von AktivistInnen für Land und Umwelt
Guatemala, 30. Jan. Die offizielle Kurznachricht lautete wie folgt: "Rolando García González, 56 Jahre und Adrián Aníbal Magallón Kilcán, 42 Jahre, Angestellte des Nationalen Schutzgebietrates (CONAP) wurden am letzten Donnerstag mit Gewalt vom Kontrollposten Guayacán im Nationalpark Laguna del Tigre, Petén, entführt. Claudia Santizo, geschäftsführende Sekretärin der Institution fügte hinzu: "Es handelt sich um eine schwer bewaffnete Gruppe, die über eine ausgefeilte Logistik verfügt, sowie über neueste Fahrzeuge und Feuerwaffen." Zudem sagte sie, "diejenigen, die die zwei Arbeiter festgehalten haben, forderten, dass man ihnen Grundstücke innerhalb des Parks geben sollte sowie Landtitel, und dass sie mit einbezogen würden in die Strategieplanung dieses Reservates. Nach einigen gescheiterten Verhandlungsversuchen vollzogen Spezialkräfte der Nationalen Zivilpolizei und Soldaten eine Rettungsoperation. Dabei wurden zwei Personen der bewaffneten Gruppe getötet und 46 Personen wurden festgenommen." Am Tag dieser Aktion gab gleich das Apostolische Vikariat von Petén (VAP) ein Kommuniqué heraus, um seine Sicht der Dinge klarzustellen und das Vorgehen der verantwortlichen Autoritäten scharf zu kritisieren. Demnach hätten die BäuerInnen zu einer Gruppe gehöret, die vor einiger Zeit ein Stück Land in dem Gebiet besetzt hatten und dort die Gemeinde El Vergelito gegründet haben. Laut Kommuniqué hätten sie tatsächlich die zwei CONAP-Arbeiter zeitweilig festgenommen - Aktion, die das Vikariat nicht unterstützt - aber in erster Linie aus Protest gegen die kurz vorher durchgeführte gewalttätige Landräumung der Gemeinde, bei der 126 Familien von dort vertrieben wurden. Daneben fordern sie durchaus die Regelung der Landsituation und wollten durch die Festnahme die Autoritäten zum Dialog zwingen, den sie bereits im letzten Jahr, auch mit Unterstützung des Menschenrechtsprokurats (PDH) und die Sozialpastorale, eingefordert hatten, doch zum zweiten Treffen sei niemand mehr von den Institutionen gekommen. Derweil beschreiben die offiziellen Quellen, es habe Hausdurchsuchungen auch in den nahen Gemeinden gegeben, jedoch parallel zur Rettungsaktion. So dementierte auch der Gouverneur von Petén, Rudel Álvarez, die Räumung und deklarierte die Entführer als Gruppe von bewaffneten Männern, die bereits seit zwei Monaten im Auftrag von jemandem, der dort eine Finca einrichten wollte, ein Gebiet von 4´500 Hektar abholzen sollten. Und die Durchsuchungen - durch 500 PolizistInnen und 200 SoldatInnen - sei zur Lokalisierung der Geiseln nötig gewesen. Ganz sauber abgesprochen wurden die offiziellen Versionen offensichtlich nicht. Laut Gouverneur sind 40 Männer verhaftet worden, laut Polizei 46 Personen, darunter auch einige Frauen. Verwundern lassen auch weitere Ergebnisse der Aktion. Eine der beiden Geiseln hatte berichtet, dass etwa 100 Männer ins Camp kamen, um sie mitzunehmen und von den oben genannten schwerstbewaffneten "Entführern" wurden ganze vier Waffen konfisziert. Die beiden Getöteten Bauern hatten laut Polizeiangaben wohl in die Luft geschossen und ihre Waffen auf die Sicherheitskräfte gerichtet, weswegen dann wiederum - tödlich - auf sie geschossen wurde. Für das Vikariat, das einzelne Gruppen, die Teile des Naturschutzparkes besetzen, begleitet auf der Suche und der Regelung eines Lebensraums ausserhalb des Reservats, zeigt sich an der repressiven Taktik die institutionelle Unfähigkeit der zuständigen Autoritäten. Die BäuerInnen seien auf jeden Fall weiterhin gesprächsbereit und hätten bereits einen Vorschlag, den sie den verantwortlichen nationalen Instanzen mittels der entsprechenden Kongresskommission zukommen lassen wollen. Die Kirche wies in ihrer Pressemitteilung darauf hin, dass man die Bevölkerung, die sich in den Schutzgebieten niedergelassen hat, nicht mit den Drogenhändlern, Terroristen, Geiselnehmern und Eindringlingen gleichsetzen kann und diese Generalisierung einem undifferenzierten Angriff gegen die Bevölkerung gleichkäme. Die Laguna del Tigre gehört zu dem Reservat der Biosphäre Maya im Petén und umfasst knapp 290´000 Hektar. 1990 wurde diesem Gebiet der Status des Nationalparks verliehen. Hier befinden sich die Erdölfelder Xan, zu denen eine Strasse gebaut worden war, die jetzt von Bevölkerungsgruppen genutzt wird, um sich in dem Reservat niederzulassen. Gleichzeitig führt diese Region zur grünen Grenze nach Mexiko, so dass hier Schleuser mit MigrantInnen in LKWs durchfahren. Sie verfügt aber auch über geheime Pisten, wo bereits einige Kleinflugzeuge von Drogenkartellen gefunden wurden. Ausserdem wird von illegalen Registrierungen von Fincas berichtet, die der Viehwirtschaft dienen. Sowohl Finqueros als auch mutmassliche Drogenhändler bringen angeblich Bauern in LKW hier her, damit diese den Wald abholzen und abbrennen, um anschliessend den Boden anderweitig zu nutzen. Nach oben |
Entsprechend ist auch die BäuerInnenkoordination CNOC besorgt anlässlich der Überlegungen seitens der Ministerien für Inneres und Verteidigung, unter dem Prinzip der Nationalen Sicherheit zwei Militär-Kontingente an "Grünhelmen" dem CONAP zur Seite zu stellen, um die unter Schutz gestellten Gebiete und Grenzregionen (Petén) vornehmlich in den Departements Petén, Izabal und Alta Verapaz zu kontrollieren. Die BäuerInnen befürchten derweil eine verschärfte Repression gegen sie selber, begleitet von der nicht vorhanden Dialogbereitschaft der Regierung, womit eine realistische Lösung der Landfrage und eine legale und menschenwürdige Ansiedlung der landlosen Bevölkerung verunmöglicht wird. Eine weitere Nachricht kurz zuvor zeugte einmal mehr von der Richtung, die die Regierung offenbar einzuschlagen gedenkt, wenn es um sozialen Protest geht. So organisierten Umwelt- und Kirchenorganisationen eine gemeinsame Pressekonferenz, um ihrer klaren Ablehnung gegenüber der Festnahme des Pfarrers der Lutherischen Kirche, José Pilar Álvarez in Zacapa eine Woche zuvor Ausdruck zu verleihen. Dieser unterstützt verschiedene BäuerInnenorganisationen, die den Berg Las Granadillas, Zacapa, verteidigen, der die Wasserversorgungsquelle für die Stadt und 22 Gemeinden in der Gegend ist, jedoch von anrainenden Finqueros mehr und mehr gerodet wird, während die lokalen Autoritäten tatenlos zusehen. Vor drei Monaten hatte eine Gruppe AnwohnerInnen gemeinsam mit Pilar Álvarez eine Strassenstrecke blockiert und die Durchfahrt für die Holztransporter behindert. Pilar Álvarez war verhaftet worden unter den Anschuldigungen der Nötigung und der Anstiftung für kriminelles Verhalten. Diese Punkte wurden zwar fallen gelassen, dennoch wurde der Pfarrer unter Hausarrest gestellt, während die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, angeklagt der "Störung von Privatbesitz" - ein Delikt, dass im Strafgesetzbuch überhaupt nicht existiert. |
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