Der Fortgang des Protests der BäuerInnen
Fijáte 440 vom 29. Juli 2009, Artikel 3, Seite 3
Original-PDF 440 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Der Fortgang des Protests der BäuerInnen
Guatemala, 27. Juli. Nach sechs Stunden des Dialogs hoben die Demonstrierenden aus San Juan Sacatepéquez und San Mateo Ixtatán, Huehuetenango Mitte Juli ihre Strassenblockaden auf und geben der Regierung nun drei Monate Zeit, ihre Zusagen zu erfüllen: Hinsichtlich der umstrittenen Zementfabrik in San Juan verpflichtete diese sich zu einer tiefgreifenden Umweltanalyse, die Regierung veranlasst den Abzug der Militärbrigade, die ob des Konfliktes um die Fabrik installiert worden war und richtet einen Dialogrundtisch ein. Daniel Pascual von der BäuerInneneinheit CUC machte gleichzeitig klar, dass die Proteste wieder aufgenommen würden, sollte die Regierung ihr Wort nicht halten (¡Fijáte! 439). Den Protesten der CUC folgten in der nächsten Woche Strassenblockaden, Fincabesetzungen in verschiedenen Departements und Barrikaden an den Grenzen zu Mexiko und El Salvador durch rund 30´000 BäuerInnen der Organisationen, die die Koordination Plataforma Agraria (PA) bilden. Nach einem Dialogzeitraum über elf Monate fordern die DemonstrantInnen Präsident Álvaro Colom auf, Investitionen zu leisten, um die ländliche Wirtschaft anzukurbeln. Laut BäuerInnenführer Omar Jerónimo gründe der Unmut der LandarbeiterInnen auf der geringen Bereitschaft der Regierung, die BäuerInnen zu unterstützen währenddessen sie den grossen Unternehmen des Landes längst einen Investitionsplan vorgelegt habe. Das Interesse der Plataforma besteht darin, dass im Rahmens der neuen Politik der Integralen Ländlichen Entwicklung (¡Fijáte! 439) die Landprogramme neu definiert werden, da ihrer Ansicht nach die Schaffung von Arbeitsplätzen unzureichend bedacht wird. Colom deklariert darauf in einem offiziellen Kommuniqué: "Wir erkennen die Legitimität ihres Kampfes und ihrer Forderungen an, angesichts derer ein Dialograum eröffnet wurde, um ihnen die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken." In dem Dokument wird zudem darauf hingewiesen, dass die Regierung nach den demonstrierten Forderungen der BäuerInnen im Jahr 2008 Mitte Januar eine Reihe von Vereinbarungen mit den BäuerInnenführerInnen unterzeichnet hätte und zahlreiche gemeinsame und hochrangige Fachkommissionen gegründet worden seien, in denen die geeigneten Wege erarbeitet wurden, die Problematiken zu behandeln. Während sich die PA-Mitglieder auf neue Gespräche hinsichtlich konkreter Projekte einliessen, bot die Exekutive zumindest an, 64 "schnelle partizipative Evaluationen" in 64 Verwaltungsbezirken durchzuführen, in denen entsprechend der Regionen und der unterschiedlichen BäuerInnenorganisationen Entwicklungsprojekte durchgeführt werden sollen. Die konkreten Forderungen der Organisationen umfasst die Umsetzung des Regierungsprogramms der Solidarischen Pacht, um die Produktion von Mais und Bohnen zu garantieren und die Gewinnung von einheimischen Samen und Gemüse zu ermöglichen, was rund 35´000 Familien die Sicherung ihrer Ernährung gewährn würde. Ein weiterer Vorschlag ist die Investition von 21 Mio. Quetzales in 20 Unternehmen, darunter Landwirtschaftsbetriebe, Kaffee-Vereinigungen und ProduzentInnen von Getreide. Und schliesslich die Verabschiedung durch den Kongress von Staatsanleihen in Höhe von 3 Mrd. Quetzales, damit die Regierung diese in soziale Programme investieren könne. Unterdessen nahm Präsident Colom anlässlich des 17. Jubiläums der Koordination der nationalen Indígena- und BäuerInnenorganisationen (CONIC) an deren Jahreshauptversammlung teil, was die AnführerInnen des Zusammenschlusses dafür nutzten, dem Regierungschef ihren Antrag zu unterbreiten, den Etat des Landfonds (FONTIERRAS) um 100 Mio. Quetzales zu erhöhen und den des Sekretariats für Agrarangelegenheiten (SAA) um 38 Mio., um die Schwierigkeiten des Landzugangs für Hunderte von KleinstbäuerInnen zu erleichtern. Nach oben |
Schliesslich nutzte auch das Bäuerliche Entwicklungskomitee CODECA die Konjunktur und blockierte 16 strategische Strassenpunkte mit der Forderung nach einer jährlichen Subvention an KleinproduzentInnen in Höhe von 3´000 Quetzales, die Förderung einer Agrarreform sowie die Aufklärung des Falls Nueva Linda - der besetzten Finca im Departement Retalhuleu, die im Jahr 2004 gewaltsam geräumt wurde, wobei neun Personen ums Leben kamen und 24 verletzt wurden. Laut CODECA habe sich die Regierung zu all disen Aspekten bereits im vergangenen Jahr verpflichtet. Bei den CODECA-Protesten, die von der Nationalen Kampffront (FNL) unterstützt werden - diese hatte sich 2005 im Kontext der Ablehnung der Freihandelsverträge mit den USA (DR-CAFTA) gegründet - kam es im Ort El Zarco, Santa Cruz Muluá, Retalhuleu zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei, bei denen sieben BäuerInnen und 12 PolizistInnen verletzt wurden. Colom rief daraufhin die Protestierenden auf, ihre Aktionen im gesetzlichen Rahmen zu halten und die Bewegungsfreiheit anderer nicht einzuschränken. Und wieder einmal lässt sich Colom ein Hintertürchen offen, indem er versichert: "Der politische Wille der Regierung, mit Reife und Entschiedenheit die Problematik der Bevölkerung auf dem Land anzugehen, ist gross und beständig." Doch "um realistisch und verantwortungsvoll zu sein, muss die Einschränkung der finanziellen Mittel mitbeachtet werden, von der derzeit der Staatshaushalt betroffen ist". Entsprechend sollten die Organisationen ihre Forderungen "realistisch" anpassen. Die globale Finanzkrise - und die fehlenden Steuereinnahmen - haben die Regierung dazu veranlasst, die Aufnahme von Staatsanleihen in Höhe von 3 Mrd. Quetzales ins Auge zu fassen, um die laufenden Ausgaben zu decken. Noch muss dieses Vorhaben jedoch vom Kongress gebilligt werden. Javier De León beobachtet derweil in Incidencia Democrática, dass die Medien die BäuerInnenproteste vornehmlich in Bezug auf die negativen Auswirkungen auf den Verkehr und als Bremsung der Produktivität des Landes darstellten. Kein Wort dagegen verlören die Medien darüber, dass just die BäuerInnen Teil des Produktionssystems seien und Produkte und Reichtümer herstellten, von denen sie selbst gar nichts hätten. Die tendenziöse Darstellung und Disqualifikation des Protests verhindere derweil nicht nur, die Wirklichkeit kennenzulernen, in der die BäuerInnen auf dem Land leben. Auch mache sie eine Debatte über das Thema unmöglich, an der sich die Bevölkerung beteiligen und sich eigene Kriterien bilden könnte, so De León. |
Original-PDF 440 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte