"Für den Finquero kommt die Abgabe von Landbesitz einer Demokratisierung Guatemalas gleich"
Fijáte 448 vom 18. November 2009, Artikel 1, Seite 1
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"Für den Finquero kommt die Abgabe von Landbesitz einer Demokratisierung Guatemalas gleich"
Rund 40% der guatemaltekischen ArbeiterInnen sind auf dem Land beschäftigt und trotzdem wurden die KleinbäuerInnen von den verschiedenen Regierungen konsequent übergangen. Auch die aktuelle Regierung ist laut Helmer Velásquez, Direktor der Koordination von Nichtregierungsorganisationen und
Frage: Dem Ministerium für Landwirtschaft, Helmer Velázquez: Dies war ein strategischer Fehler, dessen sich die Regierung wohl bewusst war, mit dem aber wahlpropagandistische Absichten verfolgt wurden. Dem MAGA kürzte man das Budget, während jenes von Pro Rural angehoben wurde. Pro Rural ist wie eine grosse NRO oder ein Sozialfond. Es erlaubt der Regierung, viele AktivistInnen der Wahlkampagne einzubinden, sowohl in Führungspositionen als auch in landwirtschaftlichen BeraterInnenpositionen - Vetternwirtschaft sozusagen. Das Programm hat ein Budget von 1,8 Milliarden Quetzales, 800 Millionen mehr als das MAGA. Die Verteilung von Düngemitteln ist ein Teil des Programms, es sieht aber auch die Unterstützung für Mais- und Frage: Ist die Regierung dabei, mit Pro Rural ein längerfristiges politisches Projekt zu konstruieren? H.V.: Ja, ganz eindeutig. Wir haben Beamte davon reden hören, dass Berchnungen bezüglich WählerInnenstimmen angestellt wurden. Die Stimmen werden gewonnen, indem einzelnen Personen wirtschaftliche Vorteile verschafft werden - wie dies z.B. auch mit dem Programm Mi Familia Progresa geschieht. Deshalb werden auch BäuerInnenorganisationen gegründet, die dann bei der Düngemittelverteilung die Koordinationsrolle übernehmen. Es ist eine Strategie, die kaltblütig auf WählerInnenstimmen abzielt und bei Menschen in prekärer Situation funktioniert. Dies ist auch der Grund, warum diese Programme so schlecht funktionieren und kaum eine positive Wirkung haben. Guatemala braucht nicht nur kompensatorische Massnahmen, sondern solche, die in Bereiche wie Kreditvergabe, Landverteilung und Infrastruktur greifen. Die Regierung denkt nicht wirklich an ländliche Entwicklung. Ein klares Zeichen dafür ist, wie der Dialog über ländliche Entwicklung geführt wird. Im März 2008 begann diese Debatte, und wir sind zu zwei Einigungen gekommen: das Vorprojekt zum Gesetz der ländlichen Entwicklung und das Abkommen über Politik bezüglich KleinbäuerInnen. Das Vorprojekt sollte der Präsident am 14. Januar dem Kongress vorstellen, was er aber nicht tat. Und was die Politik zu KleinbäuerInnen betrifft, wurde sie nicht einmal ins Budget aufgenommen. Frage: Was genau beinhaltet die Politik bezüglich der KleinbäuerInnen? H.V.: Sie beinhaltet neue Elemente. Zum Beispiel ist die familiäre Landwirtschaft jetzt eine Priorität für das MAGA. Ein anderer Arbeitsansatz dieser Politik ist die Demokratisierung des Zugangs und der Nutzung des Landes. Es ist noch keine Landreform, aber enthält einige Elemente davon. Der Staat seinerseits verpflichtet sich, Nahrungsreserven anzulegen und die Lebensmittel, die sie in Gefängnissen, Krankenhäusern etc. brauchen, den KleinbäuerInnen abzukaufen. Dies scheint allerdings auch der einzige Punkt zu sein, in dem die Politik wirklich angewendet wird.
Frage: Das Modell von H.V.: FONTIERRA ist eine Idee der |
Frage: Muss eine Politik, die die Interessen der BäuerInnen vertritt, auch gleichzeitig gegen die Interessen der Finqueros gehen? H.V.: Nein. Es geht darum, sich auf nationaler Ebene auf ein Entwicklungsmodell zu einigen, so wie es die Friedensabkommen versucht haben. Warum kann man einem Finquero nicht vorschlagen, weniger Land zu besitzen, dieses aber produktiver zu bearbeiten, indem er in Technologie investiert? Aber das ist noch sehr utopisch. Landbesitz ist und bleibt ein Faktor der Macht, und Land wegzugeben, wäre für die Finqueros gleichbedeutend mit einer Demokratisierung Guatemalas. Das kommt daher, dass die Oligarchie eine archaische Vision davon hat, was Entwicklung ist, und diese stützt sich in ihrer Sicht hauptsächlich auf niedrige Löhne. Ein guter Teil der Land besitzenden Oligarchie hat sich in den letzten 20 Jahren in Finanzagenten gewandelt, aber trotzdem behalten sie ihre Ländereien. Es ist klar, dass sie andere Möglichkeiten haben, Reichtum anzuhäufen als durch Landwirtschaft. Dazu kommt noch, dass derzeit eine erneute Besitzkonzentration von Land stattfindet, um Frage: Sind die Lebensbedingungen für die Finca-ArbeiterInnen nicht besser als die der KleinbäuerInnen? Und welchen Einfluss hat der Anbau von Monokulturen? H.V.: Das Problem ist, dass es hauptsächlich die gleichen Personen sind. Die KleinbäurerInnen, die nicht genug Land besitzen, um das ganze Jahr davon leben zu können, werden auf einer Finca arbeiten gehen. In den Fällen, in denen die BäuerInnen von ihrem Land vertrieben werden und wo dann Zuckerrohr angebaut wird, bietet man ihnen wenigstens drei Monate Arbeit pro Jahr - während der Erntezeit. Was die Ölpalme betrifft, da sieht das Ganze noch schlimmer aus, da der Anbau nicht viele ArbeiterInnen benötigt. Die Leute werden vertrieben, und es werden nicht einmal Arbeitsplätze geschaffen. Auch widerspricht der Anbau von Monokulturen und Exportprodukten dem Hauptziel der Landwirtschaft, welches die Garantie der Lebensmittelsicherheit der Bevölkerung sein sollte. Land ist nicht nur ein Produktionsmittel, sondern eine Lebensform, und im Fall der Mayas ist es die Grundlage einer Kosmovision. Dies spielt allerdings im Agrarhandel, der weder sichere Arbeitsplätze schafft noch sich um gute Arbeitsbedingungen kümmert, keine Rolle. Es ist problematisch, dass viele glauben, man produziere nur für den Markt des Nordens. Monokulturen werden immer ein Problem sein, aber die Lage sähe schon anders aus, wenn mehr ProduzentInnen die Möglichkeit hätten, sich in den Markt zu integrieren. Das würde Guatemala den gleichen Sprung erlauben, den auch Frage: Ist es heutzutage nicht wirtschaftlich einrträglicher, Nahrungsmittel zu importieren als sie anzubauen? H.V.: Man machte uns glauben, dass der Überschuss, den der Norden produziert, es unnötig macht, selbst anzubauen. Wieso auch? Dazu ist die Landwirtschaft hierzulande viel zu risikoreich. Es ist doch besser, die Produkte der Frage: Sollte die Landwirtschaft nicht wenig technifiziert bleiben, damit sie weiterhin eine grosse Anzahl an Arbeitskräften absorbieren kann? H.V.: Die Agrarreform soll dazu dienen, die Entwicklung des Landes zu fördern. Die zweite oder dritte Generation von BäuerInnen würde dann zur Universität gehen und nicht mehr auf dem Feld arbeiten wollen. Dies würde dazu führen, dass Landarbeit auch nicht mehr die Haupteinnahmequelle wäre. Denn was macht man mit einem Haufen von BäuerInnen ohne Bildung? Entweder werden sie wieder in der Landwirtschaft angestellt oder sie wandern in Richtung Norden aus, was Guatemala zur Zeit am Leben erhält. Auch die weltweite Erhöhung der Lebensmittelpreise kam den BäuerInnen nicht zugute. Sie haben keine Möglichkeit, die Ernteerträge zu konservieren oder weiter zu verarbeiten. Entweder sie werden gleich verkauft oder sie vergammeln. Man sieht in den BäuerInnen einen zurückgebliebenen Teil der Gesellschaft, den man unterstützen muss, damit er nicht zugrunde geht. |
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