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65 Jahre Guatemaltekische Revolution - Persönliche Anmerkungen zum 20. Oktober von Stephan Brüess

Fijáte 446 vom 21. Oktober 2009, Artikel 4, Seite 5

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65 Jahre Guatemaltekische Revolution - Persönliche Anmerkungen zum 20. Oktober von Stephan Brüess

Don Pancho war, als ich ihn 1994 traf, 76 Jahre alt und beriet die Ständigen Kommissionen der Flüchtlinge (VGCCPP), über deren Arbeit ich für meine Diplomarbeit recherchierte. Er hatte einen kleinen, mit unzähligen Büchern vollgestellten Raum im Büro der CCPP, und er wurde genau zum 50. Jahrestag der Guatemaltekischen Revolution mit Ehrungen überhäuft: Ehrendoktorwürde der USAC und Auszeichnung durch die Stiftung Menchú (bei der ich selbst zugegen war). Ich kaufte später seine Autobiographie "La Historia No-Official de Guatemala", in der eine Innenansicht der Revolution und ihres gewaltsamen Endes geschildert wird. Damit war das, was am 20. Oktober 1944 geschah, für mich nichts Abstraktes, Entferntes mehr, sondern etwas Konkretes, Nahes.

Schon bei meinem ersten Aufenthalt war der 20. Oktober ein Nationalfeiertag.

Während die Volksbewegungen auf die Strasse gingen, hielten die Intellektuellen Foren ab, um über die Geschehnisse und die Lehren, die daraus zu ziehen seien, zu theoretisieren. In der USAC wurde ein Film gezeigt über die Protagonisten des politischen Frühlings.

Und auch die Präsidenten, von welcher Partei auch immer, hielten und halten jedes Jahr salbungsvolle Reden über die Demokratie und die ihnen so am Herzen liegende Sorge um das Wohlergehen des breiten Volkes. Doch wie sieht die Realität ihrer Politik aus? Gewerkschaften dürfen offiziell arbeiten und streiken, aber nicht selten nur unter Lebensgefahr. Es gibt eine Art Sozialversicherung und neuerdings einen VGMindestlohnNF. Aber hat das an den erbärmlichen Zuständen der Mehrheit des Volkes irgend etwas geändert? Wird nicht doch und nach wie vor eine Politik nur für die reichen Familien gemacht, aus denen die Präsidenten stammen?

So bleibt notwendigerweise ein heuchlerischer Beigeschmack, wenn die Mächtigen auch dieses Jahr wieder Lobhudeleien auf die Zeit absondern, die an einem 20. Oktober vor 65 Jahren begann. Fijáte, Señor Presidente. Don Pancho lebt noch immer. Er könnte Dich aufklären, über das, was er damals gemacht hat und über das, was auch heute politisch notwendig wäre. Fijáte?


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