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"Buenos días, seguimos en guerra"

Fijáte 446 vom 21. Oktober 2009, Artikel 2, Seite 3

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"Buenos días, seguimos en guerra"

Nicht ganz klar ist, was der junge Fotograf in dem Film verloren hat, der für eines der guatemaltekischen Boulevard-Blätter von Gewalttatort zu Gewalttatort fährt und Fotos schiesst. Über die miese Rolle, welche die guatemaltekische Presse in der Repräsentation der ermordeten Frauen und überhaupt von Gewalt übernehmen - kein Wort.

Ebenso unklar, was VGAlejandro Giammattei in dem Film zu suchen hat, der als "guatemaltekischer Politiker" eingeführt wird, und davon schwafelt, dass es eigentlich in Guatemala mehr Gutmenschen gibt als schlechte und dass es schade sei, dass immer nur die Schlechten Schlagzeilen machen würden. Unerwähnt jedenfalls bleibt, dass Giammattei, ehemalige Gefängnisdirektor und Präsidentschaftskandidat der VGGANANF, im Sommer 2006 für die "Befreiung", sprich Stürmung des grössten guatemaltekischen Gefängnisses "VGEl Pavon" verantwortlich war. Diese wurde zuerst als Erfolg gefeiert, später kam jedoch ans Tageslicht, dass im Rahmen der Stürmung ein paar kurz vor der Entlassung stehende Gefangene gezielt und extragerichtlich hingerichtet wurden. Weshalb ausgerechnet der "Gutmensch" Giammattei im Film zitiert wird, bleibt ein Rätsel.

Dafür wird immer wieder, quasi als Bindeglied zwischen den beiden Hauptgeschichten, der VGMenschenrechtsprokuratorNF eingeblendet, der irgendwelche Statistiken zitiert und Allgemeinplätze von sich gibt. Leider kommt in dem Film der Psychologe, der das Phänomen der kollektiven Angst erklärt, unter dem die guatemaltekische Gesellschaft leidet, viel zu kurz.

Immerhin war die Regisseurin im anschliessenden Publikumsgespräch ehrlich genug, zuzugeben, dass sie anfänglich etwas anderes vorhatte - nämlich eine Art "Sozialgeschichte der Gewalt" aufzuzeigen. Davon ist jedoch nur noch der Filmtitel übriggeblieben. Ansonsten "sei der Film am Schnittpult entstanden" - halt aus den Teilen des vielen Filmmaterials, die etwas hergegeben hätten. Und auf die Frage, ob sie nicht etwas irritiert gewesen sei, dass im Fall der Ermordung von Michelle Frauen die TäterInnen gewesen seien, meinte sie, schockiert sei sie gewesen, aber diese Geschichte zeige eben, dass Gewalt kein geschlechtspezifisches Phänomen sei. In solchen Fällen wie jenem von Michelle werde oft Organhandel als Motiv vermutet, beweisen könne man es allerdings nicht.

Ach, hätte doch nur jemand aus dem Publikum die Regisseurin darauf hingewiesen, dass, unabhängig von der Entführung des Mädchens durch Frauen, allein die Tatsache, dass sie vor ihrer Ermordung sexuell missbraucht wurde, doch ein ziemlich eindeutiges geschlechtspezifisches Phänomen ist. Die Schreiberin konnte es leider nicht, ihr hatte es schlicht die Sprache verschlagen.


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