Diskriminierung indigener Frauen
Fijáte 245 vom 3. Okt. 2001, Artikel 2, Seite 2
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Diskriminierung indigener Frauen
Fundamentaler Bestandteil jeder geschlechterspezifischen Untersuchung bildet die ethnisch-kulturelle Unterdrückung der Frauen. Laut Daten aus dem Jahr 1997 leben in Guatemala 11'241'540 EinwohnerInnen. Davon sind 49,52% Frauen und davon wiederum 51% Indígenafrauen. In der guatemaltekischen Realität sind die Indígenafrauen - als soziale Gruppe - die am meisten Diskriminierten, Marginalisierten und der Armut Ausgesetzten. In einigen Regionen des Landes sind bis zu 87,5% der Indígenafrauen Analphabetinnen. Nur 43% der Indígenafrauen schliessen die Grundschule ab, 5,8% die Mittelstufe und bloss 1% erreicht eine höhere Schulbildung. Die meisten Indígenafrauen sind einsprachig, d.h. sie sprechen eine Mayasprache und die Regierung hat bisher keine Sprachkurse angeboten, die ihren kulturellen Gewohnheiten und ihrer Lebenssituation entsprechen. Eine Indígenabäuerin hat durchschnittlich 6,9 Kinder, was die höchste Geburtenrate in ganz Lateinamerika ist. Andere Bereiche wie Arbeit, Gesundheit, Landbesitz oder politische Partizipation zeigen ebenfalls den hohen Grad von Diskriminierung und Ausschluss der indigenen Frauen. Es gibt dazu leider sehr wenige Daten: - 55% aller Hausangestellten sind in die Städte abgewanderte Indígenas. - Eine Krankenschwester aus Rabinal machte im Februar dieses Jahres eine Anzeige gegen den Leiter des Gesundheitszentrums, in dem sie arbeitet, da er sie dazu aufgefordert hat, die weissen Krankenschwesterkleider anzuziehen. Ihre traditionelle Tracht sei ein Gesundheitsrisiko für die PatientInnen. Seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen bezeichnet sich Guatemala als ein mehrsprachiges, multiethnisches und kulturell vielfältiges Land. Diese Definition bedingt für das Land und den Staat Verfassungsänderungen, eine Änderung des Regierungsprogramms und ein kulturelles Umdenken. Zwar wurde eine Anlaufstelle für indigene Frauen geschaffen, doch kann diese nicht die ganze Diskriminierung von Indígenafrauen in einem Land wie Guatemala auffangen. Dafür bräuchte es die entsprechende Infrastruktur und den politischen Willen der Regierenden. In verschiedenen Teilabkommen der Friedensverträge verpflichtet sich die Regierung, die ethnische Diskriminierung und sexuelle Belästigung von Frauen als Delikt anzuerkennen und verspricht, jegliche Form der Diskriminierung von Frauen zu eliminieren. Ausserdem hat Guatemala diverse Internationale Konventionen gegen die Diskriminierung der Frauen und gegen Rassismus unterzeichnet. 1998 präsentierten die Kongressabgeordneten Rosalina Tuyuc, Manuela Alvarado und Aura Marina Otzoy den Entwurf für ein Gesetz gegen jegliche Form von Diskriminierung. Sie fordern darin, dass Straftaten, die gegen Indígenas begangen werden, schärfer bestraft werden. Das Projekt verstaubte in den Schubladen der verschiedenen Ausschüssen, die dazu hätten Stellung nehmen müssen. Politische BeteiligungDie Stärkung einer Zivilgesellschaft unter Berücksichtigung der traditionell ausgeschlossenen Bevölkerungssektoren sowie eine Staatspolitik, die die politische Teilnahme der Zivilgesellschaft zulässt, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Bürgerinnenrechten der Frauen. Die politische Beteiligung der Frauen geht einher mit ihrer Vertretung in öffentlichen Ämtern, mit Politiken, Programmen und einem Budget, dass die Regierung prioritär und auf die Bedürfnisse der Frauen abgestimmt, genehmigt. Die Aktionsplattform von Beijing 1995 sieht die politische Beteiligung der Frauen als einen Mechanismus, mit dem sie ihre Situation selber bestimmen können und als eine Messlatte des politischen Willens der Regierungen, für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden einzustehen. Nach oben |
Das Guatemala der Nachkriegszeit will auf eine partizipative Zivilgesellschaft und auf die Einhaltung der Menschenrechte bauen. Dazu müssen aber auch die sogenannten privaten Räume wie Familie, Parteien, Medien, Gewerkschaften, etc. demokratisiert werden, denn auch in diesen Bereichen ist die Partizipation der Frauen erschwert. Seit der Volksbefragung (Consulta Popular) 1995 können WählerInnen nach Geschlecht erfasst werden. So weiss man z.B., dass an den Präsidentschaftswahlen von 1999 nur 33% der Frauen teilgenommen haben. Von den 3'328 Personen, die 1999 für die Gemeinderegierungen gewählt wurden, sind 148 Frauen. Von den zwanzig Ministerien wird nur eines von einer Frau geführt und von den 113 Kongressabgeordneten sind acht Frauen. Schauen wir noch die Anzahl Indígenafrauen an, die in einer Entscheidungsposition sitzen, haben wir eine Ministerin, eine Gouverneurin, zwei Kongressabgeordnete, eine Botschafterin und eine stellvertretende präsidiale Sekretärin. Seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen hat die Anzahl der Frauenorganisationen, die aus einer Geschlechterperspektive für ihre sozialen und politischen Rechte kämpfen, zugenommen. Auch Indígenafrauen unterschiedlicher politischer Ausrichtung kämpfen auf lokaler und nationaler Ebene für ihre Rechte. Noch nie waren die guatemaltekischen Frauen so präsent im politischen und sozialen Leben. Und trotzdem - ihre politische Einflussnahme entspricht in keiner Weise ihren unternommenen Anstrengungen. Sexuelle RechteDie mangelnde Kenntnis und der erschwerte Zugang zu den sexuellen und reproduktiven Rechten der Frauen, sind eng verbunden mit Gewalt und Diskriminierung. Eine Umfrage aus dem Jahr 1995 ermittelte, dass 13,3% der befragten Frauen ihren ersten sexuellen Kontakt hatten, bevor sie 15 Jahre alt waren, 62% hatten ihn unter 20 Jahren. 25% der unter 19-Jährigen Frauen sind schwanger oder bereits Mütter. Die Müttersterblichkeit (190 gestorbene Mütter auf 100'000 lebend geborene Kinder) ist in Guatemala die zweithäufigste Todesursache von Frauen zwischen 15 und 49 Jahren. Daten aus dem Jahr 1999 belegen, dass 54% der nicht-indigenen Frauen über Familienplanung informiert waren. Bei den Indígenafrauen waren es bloss 14,7%. Es ist auch ein klarer Zusammenhang auszumachen zwischen der Analphabetinnenrate auf dem Land und der Anzahl der Kinder dieser Frauen. Ebenfalls eine Frage der Aufklärung, ist die Aids-Prävention: Von den 10'512 bekannten Personen, die mit dem HIV-Virus infiziert sind, trifft es eine Frau auf drei Männer. Das nationale Programm für reproduktive Gesundheit des Gesundheitsministerium sieht die Frauen nicht als vollwertige Personen mit sexuellen Rechten, sondern einzig als Gebärmaschinen und Mütter. Von Frauenorganisationen wird dieses Programm als zu stark von der Kirche beeinflusst kritisiert. So anerkennt es nicht einmal die Abtreibung aus einer Notsituation, was allen Statistiken über Müttersterblichkeit widerspricht. Die Situation der sexuellen und reproduktiven Rechte der guatemaltekischen Frauen verlangt den Druck der internationalen Gemeinschaft auf die öffentliche Gesundheitspolitik, um der daraus resultierenden Gewalt, Diskriminierung und dem Auschluss der Frauen zu begegnen. |
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