'Schattenbericht' zur Situation der Rechte der Frauen
Fijáte 245 vom 3. Okt. 2001, Artikel 1, Seite 1
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'Schattenbericht' zur Situation der Rechte der Frauen
Das lateinamerikanische und karibische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Frauen (CLADEM) hat einen alternativen 'Schattenbericht' über die Situation der Rechte der guatemaltekischen Frauen herausgegeben. Darin werden wichtige Bereiche wie die innerfamiliäre Gewalt, der eingeschränkte Zugang zum Justizwesen, die geringe politische Beteiligung und mangelnde sexuelle Aufklärung der Frauen als klare Verletzungen der Menschenrechte der Frauen angeprangert. Wir veröffentlichen Ausschnitte aus dem Bericht, der in seiner gesamten Länge, inklusive Forderungen an die guatemaltekische Regierung im spanischen Original bei der ¡Fijáte!-Redaktion bestellt werden kann. Die Situation der Menschenrechte der Frauen war im Verlauf der vergangenen 25 Jahre immer wieder Untersuchungsgegenstand der Vereinten Nationen. Vier internationale Frauenkonferenzen fanden in dieser Zeit statt, mit dem Ziel, Einfluss zu nehmen auf die Politik der einzelnen Staaten bezüglich der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Rechte der Frauen. Unabhängig vom historischen Kontext und dem Entwicklungsgrad eines Landes kann gesagt werden, dass Frauen, wenn sie für ihre Rechte einstehen, einen Beitrag zur Demokratisierung einer Gesellschaft leisten. Umgekehrt heisst es aber auch, dass, wenn die Armut zunimmt, die Gewalt gegen Frauen sich ins Unerträgliche steigert, wenn die politische Vertretung der Frauen abnimmt, wenn die Diskriminierung indigener Frauen geduldet wird, sich die Staaten immer weiter von den minimalen internationalen Entwicklungs- und Menschenrechts-Standards entfernen. Im Fall von Guatemala müssen drei Punkte berücksichtigt werden, die die Situation der Menschenrechte der Frauen stark beeinflussen. a. Der 36 Jahre dauernde bewaffnete Konflikt verstärkte die strukturelle Armut, Diskriminierung und Gewalt. Davon betroffen sind in erster Linie die Frauen, die Kinder und die indigene Bevölkerung. b. Der Prozess, der zur Unterzeichnung der Friedensabkommen führte, öffnete den Frauen Spielräume zur sozialen und politischen Partizipation. Diese könnten sich vergrössern, wenn die guatemaltekische Regierung den politischen Willen zeigen würde, diejenigen Abkommen und Konventionen ernst zu nehmen, die den Frauen die Einhaltung ihrer Menschenrechte garantieren. c. Die Rückkehr an die Macht der Verantwortlichen für den Völkermord verunmöglicht den Kampf der Frauen und der sozialen Bewegungen für den Aufbau einer die Menschenwürde achtenden Demokratie. Diese Realität, die Einschränkung ziviler und politischer Rechte der Frauen, schränkt auch ihren Zugang zu anderen Rechten ein. In der Folge präsentieren wir eine Liste von Menschenrechten, die den Frauen konsequent verwehrt werden und entsprechend die aktuelle Situation der Frauen in Guatemala prägen. Gewalt gegen FrauenÜber Gewalt gegen Frauen zu sprechen, heisst nicht nur, über innerfamiliäre Gewalt, Vergewaltigung, Missbrauch, sexuelle Belästigung, Inzest, Verschwindenlassen oder Entführungen von Frauen zu sprechen. Es bedeutet auch, über Justizpersonal zu sprechen, das die internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte der Frauen nicht kennt und über ein Justizsystem, das zu spät oder gar nicht reagiert und oftmals die Opfer verurteilt und nicht die Täter. Es ist deshalb wichtig zu betonen, das trotz der grossen Anstrengungen seitens der Frauenbewegung, Mechanismen zu schaffen, um der Gewalt vorzubeugen oder sie zu bestrafen, diese von der guatemaltekischen Regierung nicht genutzt werden. Ein Beweis dafür sind die folgenden Daten: Im Jahr 2000 haben die Überfälle auf Menschenrechts- oder Frauenorganisationen, das Verschwindenlassen und die Vergewaltigung von Frauen, die in diesen Organisationen arbeiten, sowie Todesdrohungen gegen und politische Morde an Frauen zugenommen. Der erste dieser Fälle war das Verschwinden der Universitätsprofessorin Mayra Gutiérrez, aktives Mitglied der guatemaltekischen Frauenbewegung. Dieser Fall wurde bisher nicht aufgeklärt, Mayra bleibt verschwunden und die mit der Aufklärung des Falles betrauten Behörden beurteilen die Tat als 'Liebesdrama'. Dazu summieren sich die Todesdrohungen gegen zwei Richterinnen im Mordfall Gerardi, sowie gegen eine Verfassungsrichterin, gegen Journalistinnen und Menschenrechtsaktivistinnen. Der jüngste Fall ist die Ermordung der US-amerikanischen Nonne Barbara Ford, die seit 23 Jahren ein psychosoziales Programm mit internen Vertriebenen durchführte. Nach oben |
Es gab aber auch eine Welle von Ermordungen von Sexarbeiterinnen und Vergewaltigungen und Ermordungen von Mädchen, jungen sowie alten Frauen. In vielen dieser Fälle starben die Frauen, weil sie sich gegen eine Vergewaltigung wehrten. In diesem Zusammenhang spricht die Justiz davon, dass Sexualdelikte 11% aller Verbrechen ausmachen, mit einem Durchschnitt von zwei (angezeigten) Fällen alle drei Tage. Ebenso habe die Kinderprostitution zugenommen. Die Überfälle auf Frauenorganisationen erinnern stark an die Repression der vergangenen Militärregierungen gegen die soziale Bewegung. Diese Überfälle sind wohl die Reaktion darauf, dass verschiedene Frauen im Aufbau demokratischer Spielräume und der Verteidigung der Menschenrechte eine Schlüsselrolle übernommen haben und darauf, dass die Frauenbewegung eine der aktivsten Bewegungen der letzten Jahre ist und ihre Stimme unüberhörbar erhoben hat. Unterdessen sind auch Statistiken über Fälle von Gewalt gegen Frauen verfügbar, wobei damit gerechnet wird, dass es eine grosse Dunkelziffer gibt. Die Abteilung für Verbrechen gegen Frauen der Staatsanwaltschaft nahm allein im letzten Jahr 5029 Anzeigen von innerfamiliärer Gewalt an Frauen und Mädchen entgegen, sowie 949 Vergewaltigungsanzeigen. Bei der Abteilung für Frauenrechte der staatlichen Menschenrechtsstelle gingen im Jahr 1999 5000 Anzeigen ein, wovon 3484 innerfamiliäre Gewalt betrafen. Laut Informationen der Presse sind 60% aller Morde an Frauen das Resultat innerfamiliärer, gewalttätiger Auseinandersetzungen. Die Berichte der Wahrheitskommissionen, sowohl des REMHI wie auch der CEH erwähnen, dass die Gewalt gegen Frauen während des bewaffneten Konflikt stark zugenommen hat. Trotzdem gibt es nur einen Fall, das Massaker von Plan de Sánchez (Rabinal, 1982), in dem die Regierung vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof neben ihrer Verantwortung für den Völkermord auch die Verantwortung bei der Vergewaltigungen der Frauen anerkannt hat. Doch bis heute hat die Regierung die strafrechtliche Verfolgung der Täter nicht aufgenommen, geschweige denn, den Frauen oder ihren Familienangehörigen Wiedergutmachung angeboten. Doch auch zu sog. Friedenszeiten verhält sich das Justizsystem nicht anders. Entweder werden keine Haftbefehle ausgestellt, die Täter werden freigesprochen oder sie kaufen sich für eine Summe von umgerechnet rund 13 US-$ frei. Vergewaltigungsversuch und sexuelle Belästigung sind in Guatemala keine Straftaten. Eine in 15 Gemeinden durchgeführte Studie belegt, dass 68% der angezeigten Fälle, die innerfamiliäre Gewalt betreffen, 16% schwere Verletzungen und 9% Vergewaltigungen sind. Von 256 Frauen, die interviewt wurden, hatten 72% als Klägerinnen mit dem Gericht zu tun und 28% als Angeklagte, meist wegen leichten Vergehen. In den guatemaltekischen Gefängnissen sitzen sieben mal mehr Männer als Frauen. Von diesen Frauen sind 14% seit über zwei Jahren wegen leichten Vergehen in Haft, ohne dass der Prozess gegen sie eingeleitet wurde. Guatemala war eines der ersten Länder, das die Konvention gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen unterzeichnete (Belem do Pará, 1995). Auf dieser Grundlage gelang es der Frauenbewegung, das Gesetz gegen innerfamiliäre Gewalt und die Gründung der Koordination zur Prävention innerfamiliärer Gewalt (CONAPREVI) durchzusetzen. Das Problem ist, dass es für das Gesetz keine juristische Grundlagen gibt und keinen Budgetposten für die CONAPREVI. |
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