Neue - alte - Verdächtigungen im Fall Gerardi
Fijáte 434 vom 06. Mai 2009, Artikel 2, Seite 2
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Neue - alte - Verdächtigungen im Fall Gerardi
Guatemala, 15. April. Bald acht Jahre nach der Verurteilung der Militärangehörigen Byron Lima Oliva, Byron Lima Estrada, des im Gefängnis ermordeten Obdulio Viallanueva sowie des Geistlichen Mario Orantes gab die für den Fall Gerardi zuständige Sonderstaatsanwaltschaft die Namen von mindestens 12 Personen bekannt, die möglicherweise auch mit dem Verbrechen zu tun hatten. Bisher wurden jedoch keine rechtlichen Schritte gegen sie unternommen. Gemäss Ermittlungsverfahren handelt es sich um eine Gruppe führender Militärs aus dem Präsidialen Generalstab (EMP) zu Zeiten von Präsident Alvaro Arzú. Entsprechend hiess es damals in der Urteilsverkündung auch, dass Verbrechen gegen Bischof Gerardi sei "mit Hilfe von Ressourcen und Personal des Staates" begangen worden. Unter den Verdächtigen befinden sich auch Leute, die beim Prozess der Verurteilten falsches Zeugnis ablegten. In diesem Zusammenhang werden die Namen von folgenden Militärangehörigen genannt: Rudy Vinicio Pozuelos Alegría, ehemaliger Chef des EMP; Francisco Escobar Blass, sein Stellvertreter; Eduardo Villagrán Alfaro, damaliger Dienstchef; René Alvarado Fernández, ehemaliger Sekretär des EMP und Darío Morales García, der Fotograph, der die ersten Fotos am Tatort machte. Nery Rodenas, Direktor des Erzbischöflichen Menschenrechtsbüros (ODHAG) erklärte, dass trotz Anweisungen des Gerichts aus dem Jahre 2001, weitere Untersuchungen gegen 13 Personen zu führen, in all diesen Jahren rein gar nichts geschehen sei. Verantwortlich dafür sei einzig und allein der ehemalige Staatsanwalt Juan Luis Florido, der aufgrund des ansteigenden Drucks Mitte 2008 seinen Job kündigte, nachdem die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) eine Liste vorlegte mit den Namen all jener, die besser aus der Staatsanwaltschaft entfernt werden sollten (¡Fijáte! 416). "Auch wenn der aktuelle Staatsanwalt sein Bestes tut, gibt es immer noch Leute innerhalb der Staatsanwaltschaft, die aus Eigeninteresse oder Angst die Untersuchungen behindern. Je länger die Verzögerungen andauern, desto schwieriger wird es, die Wahrheit herauszufinden", bedauert Rodenas. Wie jedes Jahr wurde der Todestag von Gerardi von der katholischen Kirche, Menschenrechtsorganisationen und Teilen der Bevölkerung feierlich begangen. Kardinal Rodolfo Quezada Toruño widmete am 26. April zwanzig Minuten seiner Sonntagsmesse dem verstorbenen Kollegen, den er als wahrhaften Verteidiger der Menschenrechte bezeichnete, und forderte einmal mehr die Aufklärung des Verbrechens: "Es geht nicht um Rache. Wir wollen wissen, wer die intellektuellen und materiellen Täter sind. Wir sind bereit, ihnen zu verzeihen aber wir müssen wissen, wem wir für was verzeihen sollen." Nach oben |
In Washington wurde anlässlich des Todestags des Bischofs die spanische Übersetzung des Buches "Die Kunst des politischen Mordes. Wer tötete den Bischof?" vorgestellt. Der guatemaltekisch-US-amerikanische Autor Francisco Goldmann beschuldigt in seinem Werk, das bereits im Juni 2007 auf englisch erschien, den damaligen Präsidentschaftskandidaten Otto Pérez Molina, massgeblich in den Mord an Gerardi involviert zu sein (siehe ¡Fijáte! 389). Die spanische Version des Buches wurde von der Journalistin Claudia Méndez Arrianza übersetzt und enthält einen um die Kontroversen und ihre Folgen seit 2007 ergänzten Epilog. "Die Ermordung von Gerardi ist ein Beispiel dafür, wie die Wahrheit die Fiktion überholt. (...) Die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG) könnte eine wichtige Rolle und grosse Unterstützung leisten bei der Aufklärung des Falles", sagte Goldmann bei der Präsentation der spanischen Übersetzung seines Buches. NachtragGuatemala, 02. Mai. Die Staatsanwaltschaft bestätigte jetzt gegenüber der Presse, dass die Leiche eines Mannes, die am 22. April in der hauptstädtischen Zone 5 gefunden wurde, identifiziert worden ist, und zwar als der pensionierte Oberst Roberto Antonio de la Cruz Prado, der zu den 13 Personen gehört, gegen die seit einiger Zeit im Mordfall an Bischof Gerardi ermittelt wird. Wenige Tage bevor er erschossen wurde, hatten die ErmittlerInnen die Spur von De la Cruz verloren, informierte der Staatsanwalt Jorge García. Er erklärte, dass De la Cruz in der Nacht des Mordes den Chef des Generalstabs, Waldemar Reyes Palencia, auf dessen Wunsch am Arbeitsplatz vertreten hatte. Die Staatsanwaltschaft verfüge über einige Hinweise, laut denen De la Cruz an dem Verbrechen beteiligt war. Seine Ermordung wird ganz klar nicht als gewöhnliches Verbrechen betrachtet, so García. Gleichzeitig schliesst die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) tatsächlich nicht aus, die Untersuchungen zu unterstützen, welche die Spezialabteilung für Menschenrechte der Staatsanwaltschaft führt, um den Fall Gerardi aufzuklären. Von den im Juni 2001 Verurteilten befindet sich der Oberst Byron Disrael Lima Estrada derzeit im Militärkrankenhaus inhaftiert und sein Sohn, Hauptmann Miguel Lima Oliva, kann in einem Jahr seine Freilassung aus dem Gefängnis beantragen. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag ans Gericht gestellt, Zugang zu den Bankkonten von Lima Oliva zu erhalten. Jorge García begründet dieses Ersuchen damit, dass "sichere Informationen vorliegen, wonach der für den Mord an Gerardi verantwortlich gemachte Lima Oliva in Absprache mit Erick Urízar, der im Prozess als Zeuge zu Limas Gunsten aussagte und 2004 ermordet wurde, ein Netzwerk des organisierten Verbrechens bildeten. Wir haben Beweise, die darauf hinweisen, dass Urízar zahlreiche Verbrechen begangen und Lima Oliva ein falsches Alibi besorgt hat." Der zuständige Richter fordert derweil eine klare und präzise Petition hinsichtlich der Gründe für die Untersuchungen der Konten, da Lima ja bereits im Fall Gerardi verurteilt ist. Staatsanwalt García ist derweil der Ansicht, dass mit Hilfe der CICIG ein ganzes kriminelles Netzwerk ausgehoben werden kann, das vermutlich immer noch von Lima Oliva angeführt wird. "Es handelt sich um eine weitere Ermittlungsspur. Diese Leute erscheinen kurz nachdem sie ihre Papiere geregelt haben, als Multimillionäre und eröffnen sechs Monate nach dem Tod von Monsignore einen Waffenladen haben. Und zusätzlich sind ihnen verdächtigen Beziehungen zu kriminellen Gruppen nachzuweisen. Es ist dringend notwendig, alle Ermittlungswege auszuschöpfen, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen", so García. |
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