Kataster: Land vermessen oder Kräfte messen?
Fijáte 226 vom 10. Jan. 2001, Artikel 1, Seite 1
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Kataster: Land vermessen oder Kräfte messen?
Die acht Kataster-Pilotprojekte, die als Folge der Friedensabkommen durchgeführt wurden, stehen kurz vor ihrer Beendung. Während die Regierung die Landproblematik als rein technische Angelegenheit einstuft, bestehen soziale Organisationen, die zum Thema arbeiten, darauf, dass es sich um eine hochpolitische Sache handelt. Nun wurde ein Gesetzesvorschlag eingereicht, um die Katasterfrage auf nationaler Ebene zu regeln. Unter den sozialen Organisationen herrscht Uneinigkeit darüber, ob der Gesetzesentwurf zu unterstützen ist oder nicht. Der folgende Artikel erschien am 20. November in Inforpress Centroamericana. Pilotprojekte zu EndeMit Ausnahme von Santa Cruz, Alta Verapaz, stehen die acht Pilotprojekte zur Landvermessung, die aufgrund des Abkommens über die sozioökonomische Situation und Landfrage durchgeführt wurden, kurz vor ihrem Abschluss. Zuständig für die Durchführung dieser Projekte ist (bis zur Verabschiedung eines nationalen Katastergesetzes) die interinstitutionelle Kommission für Entwicklung und Regelung des Landbesitzes (PROTIERRA). Finanziert werden die Projekte durch Schenkungen und internationalen Darlehen. Bisher wurden in den Pilotprojekten 27'022 Grundstücke vermessen. Laut Jonatan Martínez von der technisch-juristischen Abteilung von PROTIERRA sagt diese Zahl nicht viel aus. Da bisher keine entsprechenden Statistiken durchgeführt wurden, gibt es keine vergleichende Angaben in Bezug auf die gesamte Anzahl Grundstücke der jeweiligen Gemeinde. (siehe Grafik )
In den Gemeinden La Democracia, Escuintla und San Francisco, Petén, wo der Vermessungsprozess schon weiter vorangeschritten ist, werden nun die erhobenen Daten analysiert und mit den Eintragungen im Grundbuch (sofern es sie gibt) verglichen. Eine rein technische Angelegenheit also, die sich mit dem Status Quo befasst. Diese technische Sicht- und Angehensweise wird auch in den Dokumenten von PROTIERRA vertreten. In der Publikation "Anwendung des Agrarrechtes in Guatemala, Strategien und Vorschläge", die der Direktor der juristisch- technischen Kommission von PROTIERRA, Carlos Cabrera del Valle, im April 1999 herausgegeben hat, heisst es: "Guatemala ist kein armes, sondern ein schlecht organisiertes Land. Deshalb müssen wir das Kataster als ein Werkzeug nutzen, um damit die Organisierung des Landes zu beginnen." Cabrera erklärte gegenüber Inforpress, die in den Pilotprojekten angewendete Vermessungsmethode habe sich bewährt. Innerhalb der Bevölkerung sei ein grosses Interesse spürbar, ihren Landbesitz juristisch zu beglaubigen. Rosalinda Hernández, Autorin des Buches "Wem nützt das Kataster?" teilt diese Meinung nicht. Laut Hernández sind die Pilotprojekte nicht repräsentativ, da sie absichtlich in Gegenden durchgeführt wurden, in denen es historisch nie Landprobleme und -streitigkeiten gab. (Dies bestätigt auch die Grafik, aus der hervorgeht, dass offensichtlich in erster Linie Landvermessungen in städtischen Gebieten durchgeführt wurden, während in ländlichen Gebieten, wo die Landkonflikte gravierender sind, weniger vermessen wurde.) Auch der kürzlich erschienene Bericht des UN-Entwicklungsprogrammes (PNUD) kommt zum Schluss, dass "das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in die Landvermessung das grösste Hindernis für ein nationales Katasterprojekt ist". Unterschiedliche ResultateDie Resultate der Kataster-Pilotprojekte sind in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich ausgefallen. Laut Marvin Ajvix, Vermessungstechniker des Amts für Eigentumssteuer der Gemeinde San Lucas, Sacatepéquez, ist die Bereitschaft der Bevölkerung, das Katasterprojekt zu unterstützen, in den Dörfern San Lucas und Santiago sehr unterschiedlich. In Santiago, wo 50% der EinwohnerInnen Indígenas sind, ist es schwierig, die Unterstützung der Bevölkerung bei der Landvermessung zu gewinnen. Viele hätten Angst, dass ihnen Land weggenommen würde oder dass sie horrende Steuern bezahlen müssten, sagte Ajvix. In San Lucas hingegen wurde im Jahr 1996 eine Immobilienstatistik erhoben und die Leute haben bereits Erfahrungen mit der Steuerbehörde gemacht. Entsprechend sind sie dem Katasterprojekt gegenüber offener eingestellt, erklärte Ajvix. Nach oben |
In Santa Crux, Alta Verapaz, hingegen, hat die Bevölkerung am 30. Oktober den Bürgermeister zum Rücktritt gezwungen. Die BäuerInnen widersetzten sich dem Vermessungsprojekt und weigerten sich, Besitztumsteuern für ihr Land zu bezahlen. Die Version des Bürgermeisters ist, dass seine Absetzung das Ergebnis einer Kampagne seiner politischen GegnerInnen gewesen sei und nichts mit dem Katasterprojekt zu tun hatte. Der Gouverneur von Alta Verapaz ist jedoch der Meinung, dass es ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren war, die zur Absetzung des Bürgermeisters führten. Unter anderem habe sich die Bevölkerung gegen das Katasterprojekt gewehrt und sich darüber beklagt, dass bei den Vermessungsarbeiten ihre Zäune beschädigt wurden. Auf alle Fälle durfte der Bürgermeister sein Amt wieder einnehmen, nachdem er die Immobiliensteuer suspendiert und die Vermessungsarbeiten gestoppt hatte. Gesetzesvorschlag eingereichtAm 8. November reichte die Paritätische Kommission für die Landrechte der indigenen Bevölkerung (COPART) einen Gesetzesvorschlag für ein Katastergesetz (RIC) ein. Dieser Vorschlag wurde an den Präsidenten und den Kongress zur Diskussion und Verabschiedung weitergeleitet. Laut Carlos Cabrera del Valle war es sehr schwierig, zu einem Kompromiss zu gelangen in der Ausarbeitung des Gesetzesvorschlages. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen arbeiteten an einem Alternativvorschlag, da sie nicht mit demjenigen der COPART einverstanden waren. Bei diesen Meinungsverschiedenheiten ging es hauptsächlich darum, dass die VertreterInnen der Regierung den Standpunkt einnahmen, dass das Katastergesetz rein technisch abzufassen sei. VertreterInnen der BäuerInnen und Indígenas beharrten jedoch darauf, dass auch soziale Aspekte einbezogen werden müssen. "Die Mehrheit der Mikroökonomie beruht auf der Landwirtschaft und unser Leben ist eng mit der Erde verbunden", argumentierten sie. Am Tag, an dem die COPART den Gesetzesvorschlag einreichte, taten Menschenrechts- und BäuerInnenorganisationen mit einer Protestdemonstration ihr Nichteinverständnis kund. In einer Presseerklärung bezeichneten sie die Tatsache, dass ihre Vorschläge nicht berücksichtigt wurden, als "Mangel an Respekt und Transparenz gegenüber dem Wiederversöhnungsprozess. Je mehr der Gesetzesvorschlag bereichert wird durch die Vorschläge der verschiedenen Sektoren, speziell der indigenen Gemeinschaft, umso grösser wird die Unterstützung bei seiner Umsetzung sein", heisst es in der Erklärung. Unterschrieben war das Pressekommuniqué unter anderem von der Nationalen Indígena- und BäuerInnenorganisation (CONIC), der Defensoría Maya, der Witwenorganisation (CONAVIGUA), der Menschenrechtsorganisation CALDH und der Vereinigung für Sozialwissenschaften (AVANSCO). Auch die COPART ist sich bewusst, dass die Annahme ihres Gesetzesvorschlages schwierig sein wird. Befürchtet wird vor allem, dass die Grundidee ihres Vorschlages verändert wird, wie das damals bereits mit dem Gesetz über den Landfonds geschah, dessen Schlussfassung gänzlich vom eingereichten Vorschlag abwich. Diese 'Grundidee' geht davon aus, dass sich mit der Annahme des Gesetzesvorschlags "der Landvermessungsprozess vereinfachen und beschleunigen wird. Konsequenterweise werden die ungerechten Landbesitzverhältnisse aufgedeckt. Deshalb muss das Gesetz klare Richtlinien beinhalten, die den Leuten das Recht auf ihr Land gewährleisten". Zukunft des KatastersDer Gesetzesentwurf schlägt die Gründung eines nationalen Katasterregister vor, in das auch die bereits erfassten Daten der Pilotprojekte aufgenommen werden sollen. Dies ist laut Cabrera kein Problem, haben doch die Pilotprojekte nach ähnlichen Richtlinien gearbeitet, wie sie auch im Gesetzesentwurf enthalten sind. Entsprechend soll auch die juristisch-technische Kommission von PROTIERRA zur technischen Abteilung des Katasterregisters werden. |
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