Mutiger Gerichtsentscheid
Fijáte 218 vom 13. Sept. 2000, Artikel 9, Seite 6
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Mutiger Gerichtsentscheid
Guatemala, 8. Sept. Der Gerichtsentscheid im Mordfall des Unternehmers Edgar Ordóñez Porta hat ein neues Kapitel der guatemaltekischen Rechtssprechung eröffnet. Zum ersten Mal wurden unschuldige Angeklagte freigesprochen, die anstelle der für den Mord verantwortlichen Militärs verurteilt werden sollten. Ordóñez Porta war Mitbesitzer der Ölraffinerie Orpor in Puerto San José Escuintla. Am 3. Mai 1999 wurde er entführt, kurz davor wurde telefonisch ein Lösegeld von 5 Millionen Quetzales gefordert. Die Entführer meldeten sich jedoch nicht mehr. Drei Tage später wurde Ordóñez Porta ermordet aufgefunden. Sein Körper wies Folterspuren auf. Auf der Suche nach Unterstützung, um seinen Bruder zu befreien, sprach Hugo Ordónez Porta beim Berater des damaligen Präsident Arzú, Luis Mendizábal vor, der eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von Entführungen leitete. Mendizábal veranlasste ein Treffen mit dem damaligen Chef des Obersten Militärstabs, General Marco Tulio Espinosa, der sofort die Hilfe des Geheimdienstes anbot, um den entführten Bruder zu befreien. Espinosa betonte gleichzeitig, dass die Einmischung des Geheimdienstes illegal sei, begründete sie jedoch mit der kritischen Situation, die das Land in Sachen Sicherheit durchlaufe. Während die vermeintlichen Untersuchungen des Geheimdienstes liefen, wurde der ermordete Edgar Ordóñez Porta aufgefunden. Sofort wurde sein Bruder Hugo nochmals zu einem Treffen eingeladen, bei dem ihm versichert wurde, der Geheimdienst werde alles daran setzen, damit sofort eine Untersuchung des Falles eingeleitet werde. Anfänglich vertraute die Familie des Ermordeten den Versprechungen des Geheimsdienstes, bis sie feststellen musste, dass die Mannschaft Espinosas die Untersuchung behindern, bzw. auf eine falsche Spur lenken wollte: Ein gerichtsmedizinischer Bericht wurde gefälscht, Zeugen dazu gebracht, ihre Aussagen zu widerrufen, wichtige Informationen gingen verloren. Bald stellte sich auch heraus, dass die Staatsanwaltschaft, die den Fall untersuchte, gänzlich vom Geheimdienst kontrolliert und manipuliert wurde. Die Hoffnung auf eine Aufklärung des Falles schwanden. Nach oben |
Nun hat aber das Gericht in Escuintla, das über den Fall zu entscheiden hatte, die beiden Angeklagten, Lázero Obispo Solórzano und Henry Orlando Hernández Motepeque wegen mangelnder Beweise freigesprochen und eine Untersuchung gegen neun Militärs (darunter Marco Tulio Espinosa) eingeleitet. Die Begründung des Gerichts, dem zwei Frauen und ein Mann angehören, lautete: "Die Staatsanwaltschaft hat ihre Arbeit nicht befriedigend ausgeführt, sondern zugelassen, dass sich Drittpersonen in die Untersuchung und Beweisführung eingemischt haben." Als einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Straffreiheit wird dieser Gerichtsentscheid von Menschenrechtsorganisationen gewertet. 18 Organisationen forderten von Generalstaatsanwalt Adolfo González Rodas eine Untersuchung gegen diese 'Parallelstrukturen' und von Präsident Portillo die sofortige Säuberung der Armee und die Auflösung illegaler Geheimdienststrukturen. |
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