Sicherheit über alles
Fijáte 247 vom 31. Okt. 2001, Artikel 3, Seite 3
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Sicherheit über alles
Guatemala, 22. Okt. Als Folge der Attentate vom 11. September in New York und Washington, schuf Präsident Portillo eine neue Nationale Sicherheitskommission. Als Leiter dieser Kommission wurde der Ex-General Miguel Angel Calderón vereidigt. Die Ernennung Calderóns löste eine Polemik über das Abhängigkeitsverhältnis Guatemalas von den Vereinigten Staaten aus: Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass der US-Regierung die Namen von drei möglichen Kandidaten unterbreitet wurde und Calderón quasi auf Empfehlung der USA eingesetzt wurde. Die guatemaltekische Regierung wiederum begründete dieses Auswahlverfahren mit der Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit dieser Kommission mit der Polizei und den Geheimdiensten der USA. Die Nationale Sicherheitskommission ist direkt Präsident Portillo unterstellt. Die Aufgabe Calderóns ist die Koordinierung aller antiterroristischer Aktionen und Strategien, in Absprache mit den entsprechenden VertreterInnen der anderen zentralamerikanischen Ländern und der USA. Calderón hat eine klassische Militärkarriere hinter sich: 1966 trat er ins militärische Politechnikum ein, gleichzeitig mit dem heutigen Verteidigungsminister Eduardo Arévalo Lacs. 1969 und 1987 absolvierte er Ausbildungen an der Escuela de las Américas. 1999, während der Regierungszeit von Alvaro Arzú gehörte er dem Generalstab der Armee an. Als ein Jahr später Alfonso Portillo an die Macht kam, gehörte Calderón zu den zwanzig suspendierten Generälen, womit seine Karriere ein vorläufiges Ende hatte. Was Präsident Portillo dazu bewogen hat, ihn wieder aus der Versenkung herauszuholen und an die Spitze der Nationalen Sicherheitskommission zu stellen, ist eine bisher unbeantwortete Frage. Helen Mack von der Myrna-Mack-Stiftung kritisierte die Schaffung der Sicherheitskommission: Noch gebe es keine Kriterien darüber, wer die in Guatemala zu verfolgenden Terroristen seien. Dies bedeute, dass irgendwelche Oppositionelle unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung verfolgt werden können, erklärte Mack. Tatsächlich gibt es bis anhin in Guatemala noch kein Antiterrorgesetz, ein solches ist aber in Arbeit und soll in Kürze dem Präsidenten vorgelegt werden. Für Frank La Rue vom Menschenrechtszentrum CALDH ist die Ernennung eines Ex-Militärs als Chef der Nationalen Sicherheitskommission ein Indiz für die schleichende Remilitarisierung des Landes. Für die URNG ist die Schaffung der Kommission eine klare Verletzung der Friedensabkommen. "Die Frage der Sicherheit ist sehr heikel in einer Gesellschaft, die einen jahrelangen Krieg hinter sich hat und darf nicht von nationalen oder internationalen konjunkturellen Kapriolen beeinflusst werden", hiess es in einer Presseerklärung der URNG. Nach oben |
An einem Forum gaben Regierungsminister Byron Barrientos und Verteidigungsminister Eduardo Arévalo Lacs die Strategien zur Terrorismusbekämpfung bekannt: Nebst der Ausbildung von Spezialtruppen sollen die Kontrollen an den Grenzen und Flughäfen verschärft werden. Ausserdem sollen 'striktere Kontrollen von ausländischen Individuen und Vereinigungen' durchgeführt werden. Eine weitere Strategie ist offenbar die Panikmache: Die US-amerikanische Botschaft warnt vor einem Besuch in Antigua Guatemala. Man habe Hinweise, dass dort Anschläge auf US-amerikanische BürgerInnen geplant seien. Als einen Schritt in Richtung Machtkonzentration und Remilitarisierung ist auch die von der FRG vorgeschlagene Revision des Rahmengesetzes für die Kriminalpolizei zu verstehen. Mit dem neuen Gesetz sollen die KriminalbeamtInnen der Zivilen Nationalpolizei (PNC) Kompetenzen erhalten, die bis dahin der Staatsanwaltschaft vorbehalten waren. Dazu gehören die Leitung einer Untersuchung, das Aufbewahren von Beweismitteln, das Veranlassen von Hausdurchsuchungen, etc. Laut FRG sollen damit die Kriminaluntersuchungen und die Prozessführungen verbessert und beschleunigt werden. Dem Protest gegen das neue Rahmengesetz haben sich nebst den Menschenrechtsorganisationen auch die RichterInnen der Staatsanwaltschaft angeschlossen. AnalytikerInnen befürchten eine Zunahme des Machtmissbrauchs seitens der Polizei, illegale Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen wie den vermehrten Gebrauch von Folter als Verhörmittel. Der Generalstaatsanwalt, Adolfo González Rodas, bezeichnete das neue Gesetz als das Ende der Unabhängigkeit des Justizwesens. Die Reform käme einzig der Regierungspartei zu Gute, um die Prozesse zu beeinflussen, in die Angehörige der FRG involviert sind. Überraschenderweise verschwand das Thema von der Traktandenliste der Legislative, als es Anfang Oktober darum ging, das Gesetz definitiv zu verabschieden. Laut FRG- Fraktionspräsident Arístides Crespo, wolle man zuerst den Dialog suchen mit denjenigen Gruppierungen, die sich gegen das Gesetz ausgesprochen haben. |
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