Nicht Demokratie "herrscht", sondern die Korruption
Fijáte 230 vom 7. März 2001, Artikel 1, Seite 1
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Nicht Demokratie "herrscht", sondern die Korruption
Erneut ist die politische Kontroverse bis zum Ministerium des "Unantastbaren" Luis Armando Rabbé (Schwager des Präsidenten Portillo, Anm. d. Redaktion) gelangt. Dieses Mal wird sie ausgelöst durch den Vorwurf, Angestellte des Ministeriums für Kommunikationswesen, Infrastruktur und Wohnungsbau (MICIVI) hätten von Baufirmen Provisionszahlungen verlangt. Der Minister verteidigt sich, indem er behauptet, das seien nur Erfindungen einiger Leute und vor allem der Presse, um seinen Rücktritt zu erwirken. Betriebsgewerkschaften der ministerieneigenen Baufirmen und die Regierung stehen aber hinter ihm. Das Problem ist Bestandteil eines der größten Übel des Landes: die Korruption. (Dieser Artikel erschien am 26. Januar 2001 in inforpress centroamericana.) KorruptionsvorwürfeIn den letzten Wochen hat das Ministerium MICIVI einen großen Teil der Aufmerksamkeit der lokalen Medien in Beschlag genommen, da begründeter Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Projekten zur Instandhaltung des Verkehrsnetzes im Land aufgekommen war. Der Stein kam ins Rollen, weil Edgar Piñeda, Subdirektor von COVIAL (Amt zur Instandhaltung des Verkehrsnetzes), das direkt dem MICIVI untersteht, seines Posten enthoben wurde. Dieser hatte behauptet, Ministeriumsangehörige würden von Firmen eine Provision verlangen, damit diese den Zuschlag zu einem Auftrag bekämen. Die Zeitung El Periódico veröffentlichte, dass mehrere Bauunternehmer versichert haben, Carlos Herrera und Mynor Ruiz, beide FRG-Stadträte und ehemalige Berater von Minister Rabbé, hätten 60.000 Quetzal von ihnen verlangt. Im Gegenzug wollten diese dann die Vergabekommission anweisen, den Auftrag für die Projekte an die Baufirmen zu vergeben, die die Schmiergelder bezahlt haben. Auch um Aufträge für Reinigungsarbeiten zu erhalten, sollen Schmiergelder bezahlt worden sein. Marco T. Reyna, der Geschäftsführer vom Verband der Bauunternehmen, der ebenfalls unter Korruptionsverdacht steht, erklärte, dass in diesem Jahr die Ausschreibungen geheim durchgeführt wurden und bewusst viele alte Geschäftspartner und Mitglieder ausgeschlossen wurden, um neuen Unternehmen eine Chance zu geben. Trotzdem möchte der Verband Spekulationen über mögliche Korruption keinen Raum geben, da sie über die Vorwürfe zu wenig Information habe. Die Mitglieder wiederum scheuen sich vor einer Veröffentlichung ihrer Vorwürfe aus Angst, dann lukrative Aufträge zu verlieren. Die Bauunternehmen klagen außerdem über Zahlungsverzögerungen, langwierige Vertragsverhandlungen und demzufolge kaum die Möglichkeit zu haben, Arbeiten fristgerecht ausführen zu können. Der Interimsdirektor von COVIAL, Vinicio Quiñonez, hingegen versichert, dass das Procedere völlig normal gewesen sei und dass niemals illegale Zahlungen stattgefunden hätten. Der Minister verteidigt sichRabbé rief eine Pressekonferenz ein, um einen ersten Schritt gegen die erhobenen Anschuldigungen zu unternehmen. Er fiel über die Printmedien her und warf ihnen vor, eine Kampagne lanciert zu haben, die ihn um sein Ansehen bringen soll. Rabbé meint, bei dieser Kritik handele es sich um Missbrauch der Meinungsfreiheit in Guatemala. Das Verhalten der Baukammer erklärte er mit Angst vor Lobby-Verlust, die sie bei dem ehemaligen Geschäftsführer hatten. Gleichzeitig übergab er Kopien, die eindeutige Beweise über Piñedas Mitwirkung an Korruptionsfällen erbringen sollen. Nach oben |
Die ganzen Vorwürfe liegen dem Innenministerium vor, weshalb Präsident Alfonso Portillo die Bildung einer Untersuchungskommission angeordnet hat, die allerdings bis heute noch keine genaueren Ergebnisse vorlegen kann. Bisher wurde nur die Amtsenthebung einiger Beamter und eine Neuorganisation des MICIVI beschlossen. Die Kritik an Rabbé wird schon seit seiner Ernennung erhoben von Seiten von ArchitektInnen, IngenieurInnen, AkademikerInnen und PolitikerInnen, die aber immer ins Leere liefen aufgrund der Rückendeckung durch den Präsidenten selbst und die FRG-Kongress-Fraktion. Bis zu fünf Betriebsgewerkschaften haben in solchen Fällen durch Zeitungsanzeigen öffentlich ihre Unterstützung für Rabbé bekundet. Gegen fast alle Behörden und Regierungsstellen werden Korruptionsvorwürfe erhoben. Die aufsehenerregendsten in dieser Regierungsperiode richten sich gegen die verschiedenen Präsidialsekretariate, die Zoll- und Polizeibehörden, Transportunternehmen, Migrationsbeamte, Gesundheits- und Alfabetisierungsprogramme, Nationaler Friedensfonds (FONAPAZ). Auch dem Präsidialamt selbst werden im Umgang mit öffentlichen Mitteln Verschwendung und Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Problem ohne Lösung?Der Chef des nationalen Rechnungshofes (CGCN), Marco Tulio Abadío, ist überzeugt, dass sich an der Situation nichts ändern wird, solange die Gesetze nicht mit der nötigen Rigidität angewendet werden, eine Aufgabe, die dem Innenministerium und der Staatsanwaltschaft zufalle. Manfredo Marroquín der BürgerInnenvereinigung Acción Ciudadana sieht das Problem im fehlenden Willen des Innenministeriums, die Informationen über Korruption weiterzugeben. Abadío teilt diese Ansicht und ergänzte, dass sich die Situation weiter verschlimmere, weil neben der Korruption auch das Phänomen der Vetternwirtschaft existiere, wie man am Kongress sehen könne, wo 15 bis 20 Mitglieder einer einzigen Familie arbeiten. Verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft, Behördenstellen, politische Parteien und der CGCN versuchen derzeit die Gründung einer nationalen Instanz für Ethik und Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten (INETGT), die die Korruption im staatlichen Bereich bekämpfen und eindämmen soll. |
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