Korruption, wo man hinschaut
Fijáte 227 vom 24. Jan. 2001, Artikel 4, Seite 4
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Korruption, wo man hinschaut
Baja Verapaz/ Petén, 17. Januar. Der staatliche Rechnungsprüfer, Marco Tulio Abadío, äusserte sich kürzlich besorgt über die weit verbreitete Korruption auf Regierungsebene. Zum Teil sei die Korruption bereits institutionalisiert, meinte er. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass gewisse Funktionäre bei der Vergabe eines Auftrags zwischen 20% und 25% 'Provision' in die eigene Tasche stecken". Schwierig sei, dass man die Korruption fast niemandem nachweisen und entsprechend wenig dagegen unternehmen könne, bedauerte Abadío. Auf Gemeindeebene sind die Fälle von Korruption nicht geringer als auf Staatsebene. Anzeigen nützen aber auch da nicht viel, verlaufen im Sande oder nehmen unverhoffte Wendungen. Die BürgerInnen sind immer öfter bereit, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Die Ereignisse in den Gemeinden Purulhá, Baja Verapaz, und Flores, Petén, sind exemplarisch für den Korruptionsfilz, wie er im ganzen Land verbreitet ist: Im Juli 2000 führte das Komitee zur Verteidigung der BürgerInneninteressen in Purulhá eine friedliche Demonstration durch und forderte die Einberufung einer offenen Versammlung. Es forderte vom Bürgermeister, Sebastián Castro, Auskunft über die Handhabung der Gemeindegelder. Das Komitee ging von einem unterschlagenen Betrag von rund 2 Millionen Quetzales (250'000 US-$) aus. Castro übt bereits seine zweite Amtszeit für die Partei des nationalen Fortschritts (PAN) aus, doch das BürgerInnenkomitee bezeichnet seine Wiederwahl als Betrug. Die geforderte Versammlung fand nicht statt, hingegen wurde gegen die 250 Personen, die an der Demonstration teilnahmen, ein Verfahren wegen Diebstahl, Beschädigung und Bedrohung eingeleitet. Bereits im März 2001 führte der staatliche Rechnungsprüfer eine Kontrolle der Gemeindefinanzen von Purulhá durch. Auf Druck der Stiftung für demokratische Einflussnahme (Incide) wurden im Oktober die Ergebnisse der Untersuchung bekanntgemacht. Der Verdacht des BürgerInnenkomitees bestätigte sich, und es reichte bei der Staatsanwaltschaft Klage gegen den Bürgermeister ein. Nun gab Cristobal Alí, Vertreter der Allianz Neue Nation (ANN), im purulháer Gemeinderat bekannt, dass der Gemeidepräsident trotz der Anschuldigungen, die gegen ihn laufen, beim Friedensfonds (FONAPAZ) für den Bau eines neuen Gemeindehauses ein Darlehen von 4 Millionen Quetzales beantragt (und erhalten) habe. Das Darlehen habe eine Laufzeit von 18 Jahren, die Kosten für seine Rückzahlung würden der Gemeinde auferlegt. Die Folge dieser Bekanntmachung war, dass Alí durch den restlichen Gemeinderat (mehrheitlich Mitglieder der PAN) von seinen Funktionen ausgeschlossen wurde. Die Sitzungen finden nun nachts statt und Alí wird nicht mehr dazu eingeladen. Jetzt mischte sich auch die URNG ein. Der Departementssekretär der Partei, Carlos Esquivel, rief den Gemeinderat von Purulhá zur Vernunft auf. Alí sei vom Volk gewählt worden, was ihm das Recht gäbe, an den Aktivitäten des Gemeinderates teilzunehmen. Die Antwort von Gemeindepräsident Castro war, der Fall Alí sei ein Präzedenzfall, damit andere Gemeinderäte nicht auch auf die Idee kämen, ratsinterne Angelegenheiten öffentlich auszuplaudern. Nach oben |
Die Vorgeschichte im Fall von Flores, Petén, ist ähnlich: Mitglieder des Gemeinderates bezichtigen den Bürgermeister, Edy Amílcar Munguía Leva, der Korruption. Eine Rechnungsprüfung wurde zwar durchgeführt, doch konnten 'keine Unregelmässigkeiten festgestellt' werden. Die Eskalation der Geschichte soll aufgezeichnet werden anhand eines Briefes, den ein Mitarbeiter des Zentrums für partizipative Erziehung und Forschung (CIEP) geschrieben hat: "Es handelte sich um einen durch den Bürgermeister organisierten Versuch von Lynchjustiz. Er mietete Busse und fuhr Leute nach Flores mit der Begründung, fünf Mitglieder der Gemeindeverwaltung hinderten ihn am Arbeiten (weshalb er auch die Projekte in den Gemeinden nicht habe ausführen können). Dabei wurde er von einer Mitarbeiterin des Gemeinderats unterstützt, die bei der spanischen Entwicklungszusammenarbeit (Cooperación Española) arbeitet, welche sich übrigens nie zum Fall äusserte. Die fünf Mitglieder des Gemeinderates (1 von der ANN, 1 von einem BürgerInnenkomitee, 1 von der PAN und 2 von der FRG) versuchten, mit den Leuten zu sprechen, doch diese wurden durch den Bürgermeister und seine Helferin zur Lynchjustiz angestachelt. All dies ist auf einem Videoband festgehalten. Die Leute begannen, Steine zu werfen. Die fünf mussten auf dem Polizeiposten Zuflucht suchen. Sie wollten über den Damm aus Flores fliehen, doch die Menschenmenge versperrte ihnen den Weg. So blieb ihnen nichts anderes übrig als ( mit Hilfe der Polizei) mit einem Boot nach San José überzusetzen. Diese ganzen Ereignisse sind die Folge eines Prozesses wegen Korruption, den die fünf Gemeideräte gegen den Bürgermeister angestrebt haben. Nun wurde der Bürgermeister vom Gericht tatsächlich vorübergehend aus seinem Amt suspendiert und der erste Gemeinderat hat stellvertretend sein Amt übernommen. Das Ziel der fünf Gemeinderäte ist, der Bevölkerung zu zeigen, dass 'sí se puede' (doch, man kann!). Die interimistische Gemeinderegierung erhält viel Unterstützung aus der Bevölkerung und von den Gemeindeangestellten. Eine Sympathie, die bereits vorher vorhanden war, jedoch aus Angst vor Repression seitens des Bürgermeisters nicht ausgedrückt wurde. Ebenso ging die Unterstützung lokaler Unternehmer sowie der (bestochenen) Medien zurück. |
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