Spanien archiviert den 'Fall Guatemala'
Fijáte 225 vom 20. Dez. 2000, Artikel 4, Seite 3
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Spanien archiviert den 'Fall Guatemala'
Madrid, 13. Dezember. Genau ein Jahr, nachdem die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú in Spanien Klage gegen acht ehemalige guatemaltekische Militärs eingereicht hatte, lehnte der Spanische Oberste Gerichtshof (ANE) es ab, den Prozess zu führen. Der Klage hatten sich im Verlauf der Monate weitere Organisationen und Einzelpersonen aus Guatemala und Spanien angeschlossen. Eine Klage erschien möglich, da es sich zum Teil um Menschenrechtsverletzungen handelte, die das guatemaltekische Militär und paramilitärische Kräfte an spanischen StaatsbürgerInnen begangen hatten. Ein Grund, weshalb Menchú die Klage in Spanien einreichte, war auch, dass es angesichts der politischen Lage in Guatemala unrealistisch scheint, die Verantwortlichen von Folter und Völkermord vor Gericht zu bringen. Schon die Tatsache, dass einer der Angeklagten, Ex-General Efraín Ríos Montt, heute Kongresspräsident ist, zeigt, dass gewisse Kreise in Guatemala nur zu gerne bereit sind, Vergangenes zu vergessen. Diese Meinung teilte jedoch das spanische Gericht nicht. In der Begründung der Ablehnung hiess es, dass die guatemaltekischen Friedensabkommen und der Bericht der Wahrheitskommission (CEH) die Grundlagen liefern, um solche Prozesse zu führen. Deshalb sei es nicht nötig, ausländische Gerichte zu belangen. Auch den Vergleich mit dem Fall des chilenischen Diktators Pinochet liess das Oberste Gericht in Spanien nicht gelten. Im Fall Chiles seien Amnestiegesetze erlassen worden, die einen Prozess gegen die Verantwortlichen des Völkermordes im Land selber verunmöglichen. In Guatemala sei dies nicht so, das Gesetz zur nationalen Wiederversöhnung schliesse nicht aus, dass die Menschenrechtsverletzer juristisch zur Verantwortung gezogen würden. Nach oben |
Das von der Klägerin angeführte Argument, dass gegen alle in Spanien angeklagten Ex-Militärs bereits in Guatemala Klagen eingereicht worden sind, die jedoch von den Gerichten nicht verfolgt wurden, überzeugte die spanischen RichterInnen nicht. Als die Klage in Guatemela präsentiert wurde, sei das Justizsystem vielleicht noch schwächer gewesen und RichterInnen hätten eher unter Druck gesetzt werden können. Heute stehe der Eröffnung solcher Prozesse in Guatemala jedoch nichts mehr entgegen, argumentierte das spanische Gericht. "Gibt es keine Gerechtigkeit in Spanien, so wird es sie anderswo geben", war die Antwort der Hauptklägerin Rigoberta Menchú auf die Entscheidung des spanischen Gerichts. Niemand könne leugnen, dass es in Guatmala über 200'000 Tote und Verschwundene gegeben habe und sie werde den Kampf um Gerechtigkeit weiterführen, solange sie lebe, sagte Rigoberta in einem Interview mit El País. Auch die Reaktionen der guatemaltekischen Menschenrechtsorganisationen waren geprägt vom Willen weiterzumachen. Aura Elena Farfán von FAMDEGUA und Mario Polanco vom GAM sind sich einig, dass es sich beim Urteil des spanischen Obersten Gerichtshofes um eine politische und nicht um eine juristischen Entscheidung handelt. Die Anwälte von Rigoberta Menchú und der anderen KlägerInnen sind dabei, in Berufung zu gehen. Der (momentan) 'lachende Dritte' heisst Ríos Montt. Der Kongresspräsident, dessen Ansehen in letzter Zeit durch verschiedene Skandale angeschlagen wurde, kommentierte die Entscheidung des spanischen Gerichtshofes mit dem Spruch "Meine Weste ist sauber". Die Klagen gegen ihn seien politische Spekulationen, bewiesen werden könne nichts, ergänzte er. Der Anwalt des ebenfalls angeklagten Ex-Präsidenten José Humberto Mejía Víctores drohte damit, eine Klage wegen Diffamierung und Vorverurteilung gegen Rigoberta einzureichen (in Guatemala, selbstverständlich). |
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