Das Wiedererwachen der Volksbewegungen
Fijáte 220 vom 11. Okt. 2000, Artikel 1, Seite 1
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Das Wiedererwachen der Volksbewegungen
In seinem Interview, das wir im letzten ¡fijáte! an dieser Stelle veröffentlichten, sagte Bald vier Jahre sind vergangen, seit der Unterzeichnung der In diesem Sinne kann gesagt werden, dass der Prozess, der als neue politische Ära bezeichnet wird, bereits mit den ersten Verhandlungen zwischen den in den internen Konflikt verwickelten Parteien begonnen hat. Nach dem 26. Dezember 1996 begann für die sozialen Bewegungen eine neue Etappe des Kampfes und entsprechend veränderten sich ihre Ausdrucksformen. Es ging nicht mehr darum, das Ende des Krieges zu fordern und auch nicht mehr darum, Vorschläge für die Ausarbeitung der Friedensabkommen zu erarbeiten. Die sozialen Bewegungen konzentrierten sich wieder auf die spezifischen Forderungen ihrer jeweiligen Basis, als gemeinsame Forderung hatten sie einzig noch die Einhaltung der Friedensabkommen. Etwa zwei Jahre nach Unterzeichnung der Friedensabkommen begann sich die Situation zu ändern. Erste Enttäuschungen der sozialen Bewegungen über die Regierungspolitik kamen zum Ausdruck und die Umsetzung der Abkommen kam ins Stocken: Die Einführung einer neoliberalen Politik gegen die Staatsangestellten und ihre Die Bestrebungen der BäuerInnen-Bewegung, ihre Kampfstrategie zu ändern und in den durch die Friedensabkommen zur Lösung der Die zivile und legale Wiedereingliederung der ehemaligen KämpferInnen der Gleichzeitig wurde ein Klima geschaffen, in dem sich rechte und ultrarechte Kräfte entwickeln und stärken konnten, wie z. B. die FRG, die Liga pro Patria, und die fundamentalistischen evangelischen Sekten. Zivile rechte Gruppierungen kontrollieren seit Beginn den Verlauf der Friedensverhandlungen, was sich 1996 in der Regierungsübernahme durch die Mit der Übernahme der Regierung durch die FRG, die auch im Kongress die Mehrheit hat und eine grosse Zahl der Gemeinden regiert, wurde die PAN und ihre Basis im wahrsten Sinne des Wortes 'nach Hause geschickt' - viele ihrer Mitglieder arbeiten heute im informellen Sektor, viele von ihnen wandten sich der Ultrarechten zu. Gleichzeitig gewannen aber auch die sozialen Bewegungen an Stärke und Unterstützung aus dieser Gruppe. Das politische Szenario hat sich verkompliziert durch den wachsenden Druck aus der guatemaltekischen Gesellschaft, die den wirtschaftlichen Stürmen nicht mehr gewachsen ist, durch die immer mehr Leute aus der Mittelklasse in die Die Analyse wäre nicht vollständig ohne einen Blick auf die Position der |
Im Moment konzentrieren sich die Aktivitäten der ANN mehrheitlich auf ihre Vertretung in der Legislative, wo die Machtverteilung für sie ungünstig liegt. Um so wichtiger ist, dass die Aktivitäten im Kongress begleitet werden von Protesten auf der Strasse, die Ausdruck einer neuen Form von pluralistischer, demokratischer Organisation sind. Die ANN im Allgemeinen und die URNG im Speziellen haben Erfahrung darin, Bewegungen zu leiten, die soziale Gerechtigkeit fordern. Heute kann man klar sagen, dass die sozialen Bewegungen einen Aufwärtstrend erleben, langsam zwar und mit unterschiedlichen Ausdrucksformen, aber nicht geleitet oder manipuliert von einer bestimmten politischen Kraft: Ein Beispiel dafür waren die massiven Proteste gegen die Fahrpreiserhöhung des öffentlichen Transports in der Hauptstadt im Mai dieses Jahres. Breite Sektoren haben diese Demonstrationen unterstützt. Oder die Proteste der StrassenhändlerInnen, die Ende Mai erreichten, dass ein Gesetzesvorschlag, der ein sehr hartes Vorgehen gegen den informellen Sektor vorsah, nicht verabschiedet wurde. (Leider legte Präsident Portillo sein Veto gegen das ausgehandelte Gesetz ein und es erlitt doch noch eine Verschärfung.) Oder die jüngsten Demonstrationen gegen die Fälschung des Alkoholgesetzes, die jeweils am Dienstag vor dem Kongress stattfinden. Oder der Hungerstreik der ElendsviertelbewohnerInnen ( Oder der Barrikadenbau im Stadtteil El Limón, wo die städtischen Wasserwerke EMPAGUA seit drei Monaten das Oder der Hungerstreik von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern zur Unterstützung eines Lehrers, der in Oder das Verkehrschaos, das auf der Pazifikstrasse entstand, als eine Gruppe von 300 Familien die Strasse blockierte, alles sog. 'Mitch-Opfer', die immer noch keinen definitiven neuen Wohnort zugeteilt bekommen haben und erneut von einer Räumung bedroht sind. Oder die BäuerInnen-Bewegung, die vermehrt zu sog. medidas de hecho greift und für den 12. Oktober zu einer landesweiten Demonstration aufruft. Oder, oder, oder... Sie sind unzählig, die kleineren und grösseren Unmutsbekundungen der Bevölkerung, nicht nur in der Hauptstadt, sondern vermehrt auch in den Departementen und Provinzen. Tatsache ist aber, dass viele dieser Aktionen relativ kurzlebig sind und keine längerfristigen Auswirkungen haben. Die Demonstrationen im Zusammenhang mit der Transport-Preiserhöhung, z.B. schafften es zwar beinahe, eine Staatskrise auszulösen, doch wurde trotz der Einsetzung einer speziellen Kommission bisher keine Lösung gefunden. Ein erneuter Druck von der Strasse zu diesem Thema blieb bisher aus. Tatsache ist auch, dass die URNG bzw. die ANN erst jetzt langsam beginnen, zu Aktionen aus den sozialen Bewegungen Stellung zu beziehen, diese unterstützen und im Kongress entsprechend Position beziehen. Wünschenswert wäre sicher, wenn die beiden Aktionsebenen, die Strasse und die Legislative, besser koordiniert würden. Die aufgezählten Protestformen sind Beispiele für das Erwachen der guatemaltekischen Bevölkerung. So wie sich die politische Situation entwickelt, kann damit gerechnet werden, dass die Proteste der Bevölkerung gegen ihre Regierung weiterhin zunehmen. Was sich aber jetzt schon abzeichnet, ist, dass die Regierung nicht fähig ist, mit solchen Demonstrationen umzugehen. Dialogversuche scheitern meistens, vielmehr reagieren gewissen Gruppen mit Methoden der achtziger Jahre: Überfälle auf Menschenrechtsorganisationen, Todesdrohungen und Einschüchterungsversuche und - als letztes Mittel die aussergerichtliche Hinrichtung nehmen in letzter Zeit massiv zu. |
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