Gegen den Strom schwimmen: kleine und mittlere Unternehmen in Guatemala
Fijáte 396 vom 24. Oktober 2007, Artikel 1, Seite 1
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Gegen den Strom schwimmen: kleine und mittlere Unternehmen in Guatemala
Guatemala ist das Land der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Rund 75% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung arbeitet in einer KMU. Trotz ihrer unbestreitbar wichtigen Rolle im sozioökonomischen Gefüge des Landes, ist die Geschichte dieser Unternehmen die Chronik eines permanenten Kampfes ums Überleben und ein Schwimmen gegen den Strom. Der folgende Artikel von Arcadio de la Torre erschien in der August/September-Ausgabe der guatemaltekischen Zeitschrift Este País (www.este-pais.com) Laut einer sich noch in Bearbeitung befindenden Studie über kleine und mittlere Unternehmen (Mipyme auf Spanisch, KMU auf Deutsch) zu der die Zeitschrift Este País zugriff hatte, gehören in Guatemala 96.9% der Unternehmen der Kategorie Kleinst- oder Mikrounternehmen an. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie 1 bis 9 Angestellte haben. 1.75% gehören mit zwischen 10 und 29 Angestellten zu den Kleinunternehmen, 0.85% sind Unternehmen mittlerer Grösse mit 30 bis 99 Angestellten. Im Vergleich zu Europa, wo gemäss Empfehlungen der EU-Kommission erst Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmenden als Grossunternehmen gelten, sind sie es offenbar in Guatemala bereits mit 100 und mehr Angestellten. Diese machen 0.5% aller Unternehmen aus und zu ihnen gehören auch die 102 Firmen, die mehr als 1´000 Angestellte zählen. Die Spitze bilden 10 Firmen, die je mehr als 6´000 MitarbeiterInnen haben. Dazu gehören u.a. die Warenhäuser von Paiz/Wal Mart, die Fastfoodkette Pollo Campero, das Telefonunternehmen TELGUA, die Banco Industrial, die Zuckerraffinerien La Unión und Pantaleón etc. Diese etwas mehr als Hundert Grossunternehmen üben eine grosse politische und wirtschaftliche Macht aus, gegen die die KMU einen schweren Stand haben, so das Resümee der Studie. Es ist schwierig für sie, gegen die grossen Unternehmen wettbewerbsfähig zu sein bzw. überhaupt einen Marktzugang zu bekommen. Die Unterschiede zeigen sich auf allen Ebenen, begonnen beim investierten Kapital, bei der angewendeten Technologie, die wiederum Einfluss auf die Produktionsmenge hat, bis hin zum Know-how sowohl der Führungskräfte wie auch der Angestellten. KMU, die überleben können und sich erfolgreich in den Markt einfügen konnten, machten dies, indem sie sich als Zulieferer (outsourcing) oder im Bereich der Logistik in die Produktionskette der Grossunternehmen eingeschleust haben. Obwohl die kleinen und mittleren Unternehmen das Gros der ökonomisch aktiven Bevölkerung absorbieren, betont die Studie, dass ihr Anteil am Reichtum und Gewinn einen ungleichen Bruchteil ausmacht. Laut der Ergebnisse des neuen Systems der nationalen Konten mit dem Jahr 2001 als Ausgangsbasis, ergibt sich anhand des Bruttogewinnüberschusses, dass die mittleren und grossen Unternehmen, die mit 10,225 Firmen gerade einmal 1.35% aller Unternehmen ausmachen, 39.1% des Bruttoinlandprodukts (BIP) generieren, währenddessen die informellen Unternehmen, also kleinste und kleine mit gemischten Einnahmen zu 20.9% und die Lohnarbeitenden mit 32% zum nationalen Einkommen beitragen . Die grossen Unternehmen kontrollieren die wichtigen wirtschaftlichen Sektoren und mangels eines angemessenen Regelwerks erlegen sie den KMU mit ihren monopolistischen Praxen unnötige Barrieren auf, die diesen das Geschäft verteuern und den Zugang zum Markt verwehren, zitiert die Studie eine Untersuchung der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal). Die Informalität, mehr als ein StigmaEines der Hauptmerkmale der Kleinst- und Kleinunternehmen ist, dass sie in ihrer Mehrheit im so genannten informellen Sektor tätig sind. In einer im Jahr 2006 vom Institut Freiheit und Demokratie (ILD) für die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) durchgeführten Untersuchung müssen in Guatemala 708'227 Unternehmen (92%) als aussergesetzlich oder informell klassifiziert werden, da sie ihre Angestellten nicht bei der Sozialversicherung angemeldet haben und/oder weil sie keine Buchhaltung führen. Diese Unternehmen verfügen auch über Organisationsformen, die es nicht zulassen, ihre Guthaben vor den Gläubigern zu schützen. Sie dürfen auch keine Verträge abschliessen, haben keinen Zugang zu Informationen über andere Unternehmen und können nicht auf die institutionalisierten Konfliktlösungsstellen für Unternehmens- und Wirtschaftsbelange zurückgreifen. Nach oben |
Das ILD fügt an, dass der grösste Teil dieser informellen Unternehmen sich nicht auf staatliche Ausschreibungen bewerben dürfen - im Gegensatz zu den mittleren und grossen Firmen, die so einen Teil der öffentlichen Gelder einstreichen können. Der durchschnittliche Betrag der Aktivposten eines Mikrounternehmens liegt bei ca. 3´500 US-$. Dieses Kapital reicht nicht, um rentable Aktivitäten zu entwickeln, sondern in den meisten Fällen bloss zur Subsistenz (was aber gemäss feministischen Ökonominnen noch lange kein Grund für Armut sein muss, Anm. der Übersetzerin). Zusammengezählt betragen laut ILD die zusammengezählten Aktivposten der sog. aussergesetzlichen Unternehmen weniger als diejenigen der Holding Multi-Inversiones, die im Besitz der Familie Gutiérrez-Bosch ist, eine der grossen Unternehmensfamilien Guatemalas. "Wichtiger als das Bewusstwerden über die Existenz, die Präsenz und das Ausmass der informellen Ökonomie, muss man sich darüber im Klaren werden, welche Rolle sie in der Gesellschaft spielt. Im heutigen Guatemala ist sie allgegenwärtig und wenn wir sie nicht beachten, können wir auch keine gültige Analyse über unser Land machen", akzeptierte kürzlich die Zeitschrift der Vereinigung guatemaltekischer Geschäftsführer (AGG). Gemäss AGG ist es nötig, das Thema zu entmystifizieren. Die Debatte auf "formal" versus "informal" zu verkürzen, hilft laut einem Artikel in der AGG-Ausgabe von Oktober 2006 überhaupt nicht, um die Dynamik der Informalität zu begreifen. In der realen Welt vermengen sich die Informalität und die Formalität dauernd. Die Organisation gibt denn auch zu, dass es etablierte Strukturen für die Zusammenarbeit der fomalen und informalen Unternehmen gibt. Es heisst dazu: "Ein grosser Teil der Nachfrage des Marktes deckt sich aus Gütern und Dienstleistungen aus informeller Produktion". Und gibt offen zu, dass ein nicht kleiner Teil der formalen Ökonomie "gravierende Probleme hätte, wenn es nicht den informellen, unabhängigen Sektor gäbe". Barometer der WirtschaftIn einem Wahljahr fallen die Voraussagen über die wirtschaftliche Entwicklung seitens der Unternehmen vorsichtig bis düster aus. In der 33. Unternehmensumfrage, die im letzten Mai von der Vereinigung für soziale Studien und Untersuchungen (ASIES) durchgeführt wurde, zeigten sich die meisten befragten DirektorInnen oder UnternehmensbesitzerInnen pessimistisch über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung der kommenden sechs Monate. Trotz der widrigen Umstände unter denen sie arbeiten, waren es die Mikro- und Kleinunternehmen, die noch eher eine Spur Optimismus zeigten. 41% der befragten Mikro- und 37% der Kleinunternehmen sagten eine Verschlechterung der Situation vorher, gegenüber 42% der Grossunternehmen, die schwere Zeiten auf sich zukommen sahen. Im Gegensatz dazu schätzten aber 74% der Grossunternehmen, dass ihre Produktion ansteigen werde. Bei den Kleinunternehmen wagten in dieser Beziehung bloss 64% der Befragten eine positive Prognose. |
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