Fijáte 396 vom 24. Oktober 2007, Artikel 10, Seite 6
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¡Híjole...! Die monatliche Kolumne von Fernando Suazo Über Idole und Gelächter In Guatemala haben wir jetzt ein Idol von lateinamerikaweiter Bedeutung, obwohl, das dann schon, es auf Englisch ernannt wurde. "Unser" Latin American Idol (regionalisierte Version des US-amerikanischen TV-Pop-Star-Wettbewerbs, siehe auch sep. Artikel, die Red.) trägt einen Rosenkranz um den Hals, redet leichthin über Gott und heisst Carlos Peña. Der Präsident der Republik, der Bürgermeister der Hauptstadt und andere illustre Persönlichkeiten haben ihn mit den Ehren eines nationalen Helden empfangen und ihn zum Vorbild für die Jugend deklariert, ein Verbindungsglied für die GuatemaltekInnen "in Richtung auf ein sicheres Ziel"…. Carlos Peña hat die Schule vor dem Abitur abgebrochen, um sich dem Nationalheld-Sein ganz widmen zu können. Wenn ich ihn so betrachte, gehen mir die Gesichter der Hunderte von indigenen Mädchen und Jungen nicht aus dem Kopf, die in meinem Wohnort die weiterführende Schule besuchen und dafür grosse Opfer bringen; sie gehen während unseres derzeitigen Winters Tag für Tag eine, zwei Stunden zu Fuss im Regen und durch den Schlamm. Ich dachte bei mir: Diese jungen Leute sind weder HeldInnen noch Vorbild für irgendwas, sie sind einfach nur Ausgestossene. Ihnen wurde nicht der Zauberstab des Marketings überreicht (wie bilden jene europäischen Märchen aus unsere Kindheit bloss den westlichen Individualismus ab…!). Die Hexenmeister des Marketing haben dieses Idol geschaffen, im rechten Augenblick haben sie es vor die Kameras gehoben, sie haben ihm ihren Segen gegeben und jetzt wird es überschüttet mit Platten- und Werbeverträgen, die fantastische Gewinne für grosse transnationale Unternehmen versprechen. Es ist die Religion des Profits und die ist vereinbar damit, einen Rosenkranz zu tragen und wie ein Katechist zu reden. Dieses staatstragende Ereignis, das uns in den ersten Oktobertagen überschwemmte, ist eine Routineübung der Propagandainstrumente. Sie erschaffen und erheben Götter, sie segnen sie und sie beuten sie aus. Oder besser gesagt, sie geben vor, uns alle auszubeuten, die wir uns in MassenkonsumentInnen der Produkte verwandeln, die die grossen Firmen anbieten. Das ist in der kommerziellen Werbung bis zu einem bestimmten Grad verständlich. Doch es ist von Tag zu Tag weniger zu ertragen, dass die Informationsmedien die Nachrichten nach dem Diktat der Marketing-Hexenmeister liefern. Als wir vor geraumer Zeit von der Presse als vierter Macht sprachen, verstanden wir darunter, dass die Organe der öffentlichen Meinung in einer Demokratie die möglichen Machenschaften der drei Staatsmächte kontrollieren könnten. Wir glaubten, dass die Informationsmedien dazu dienten, Nachrichten und Meinungen an die Bevölkerung zu verkaufen. Aber mehr und mehr stellt sich heraus, dass das Geschäft eher darin besteht BürgerInnen als KonsumentInnen just an diejenigen zu verkaufen, die die Werbung schalten. "Wir werden verkauft", so drückt es Ignacio Ramonet aus. (Spanischer Journalist, Direktor der in Paris erscheinenden Monatszeitung für internationale Politik Le Monde diplomatique und Mitgründer des Weltsozialforums, die Red.) Die ehrenvolle Informationsarbeit wird jedes Mal mehr zu einer beflissenen Dienerin der grossen Unternehmensgesellschaften, die Massen von KäuferInnen brauchen. Die Medienunternehmen sind daran auch interessiert, denn, "je mehr KonsumentInnen wir sind, desto teurer werden sie die Werbesekunden verkaufen", fügt Ramonet hinzu. Um die Aufmerksamkeit der Massen zu gewinnen, müssen simple Lockreize ausgesendet, Urgefühle angeregt werden. Es muss vermieden werden, dass sich die Leute in Risiken und Reflektionen verfangen. Zum Verderben der wahren Demokratie schleift das die Presse und die MeinungsmacherInnen in eine üble Richtung. Die so genannte öffentliche Meinung ist auf dem Weg die Summe von Ur-Reaktionen zu sein, die jedes Mal mehr von transnationalen Mächten eiskalt manipuliert werden. * * * Unsere zwei Präsidentschaftskandidaten versuchen derweil, die gleichen Künste anzuwenden: Dass die Leute sich bloss nicht erinnern, dass die Leute bloss nicht anfangen Schlüsse zu ziehen, dass sie ja keine Fragen stellen und ja nicht anfangen zu denken. Im Gegenzug der Lärm der simplen Wahllieder und das Bild der caudillo-Führer, die - dieses Mal ganz sicher - den Wandel herbeiführen werden (aber welchen?). Nach oben |
Knapp drei Wochen vor der zweiten Wahlrunde scheint es offensichtlich, dass der Kandidat der Patriotischen Partei mit noch mehr Verwegenheit und Aggression diese Technik anwendet, um die Urgefühle der Leute zu erregen (wie oft hab ich mich in diesen Momenten ertappt, dass ich dabei an Hitler dachte: an diese spektakuläre Eskalation, die ihn an die Macht gebracht hat.) Es ist zu befürchten, dass der General der Patriotischen Partei mit seinem Diskurs und seinem faschistoiden orange-farbenen Image (schade, meine Lieblingsfarbe) erreicht, was er will. Unterdessen schaut sie euch an, wie sie sich gegenseitig an den Hals gehen. Wer es erträgt, lese die schmutzigen Kampagnen, die von beiden Parteien im Internet geführt werden: Machismo, Sexismus, Rassismus, Klassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass sind die hohen Werte, die unsere nächsten Regierenden vor ihrem Volk ausbreiten. Die gegenseitigen Beschuldigungen sind unerträglich, aber, was noch schlimmer ist, wir wissen, dass sie mehr als eine Wahrheit enthalten (Genozid, Drogenhandel, organisiertes Verbrechen, Verbrechen gegen den öffentlichen Haushalt…). Wenn es stimmt, dass ein Volk diejenigen Regierenden hat, die es verdient, dann bleibt uns nur noch, wie ein lokaler Kommentator in einem anderen Zusammenhang sagte, mit Gelächter zu heulen. |
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