¡Híjole...! Die einmonatliche Kolumne von Fernando Suazo: Der bedrohliche Süden
Fijáte 366 vom 15. Aug. 2006, Artikel 11, Seite 6
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¡Híjole...! Die einmonatliche Kolumne von Fernando Suazo: Der bedrohliche Süden
Die Fussballweltmeisterschaft endete mit einem Zusammenstoss rassistischer Art. Der Angriff des Meisters Zidane gegen Materazzi, Minuten vor seinem Abschied, enthüllte auf der Zielstrecke, welches wahre Spiel hinter dem Fussball und dem ganzen Tamtam des globalen Marketings gespielt wird: nämlich das Spiel der Herrschaft. In diesem Fall, die Herrschaft des Nordens über den Süden. Der unverschämte Angriff war von einer nicht weniger unverschämten Aggression provoziert worden, die auf dem Fussballfeld nicht von den Mikrofonen eingefangen worden war und die zumindest für den Norden erst einmal eine untergeordnete Rolle spielte: die rassistischen Beleidigung. Demzufolge war die ganze Welt mit dem Schiedsrichter einverstanden und die rote Karte stellte die Ordnung wieder her. Was bildete sich dieser Muselman algerischer Herkunft eigentlich ein? Aber den Süden gibt es. Die Hexenmeister des Marketings wissen es. Der Süden beweist seine Bedeutung in den unterschiedlichen Bereichen: bei sportlichen Events, in Bezug auf die vielfältigen traditionellen Kulturen, mit der Einsatzfähigkeit als Arbeitskraft seiner Bevölkerung, angesichts der Energie- und Wasserressourcen, Mineralien und Biodiversität der Länder des Südens… Der Norden begehrt den Süden, um ihn zu besitzen. Er sieht in ihm kein Subjekt mit Erinnerung und eigenem Projekt, sondern lediglich einen Körper, der zu plündern ist. Im XVI Jahrhundert wurde dieser Körper auf plumpe Weise durch Waffen gefügig gemacht. Im Laufe der Zeit wurde dieses Vorgehen immer weniger schicklich, so dass die Unterwerfung schliesslich zu einer Strategie der Politiker wurde, die dem Kapital gehorchen. Heutzutage stellen Regierungen und Parlamente Gesetze auf, die, ohne den Frieden zu brechen, die gleichen Ergebnisse erreichen, wie jene "tapferen" Eroberer in Afrika und Lateinamerika. Heute überlassen in Guatemala die Kongressabgeordneten und die Regierung dem Mineralien abbauenden Unternehmen Montana 99% des nationalen Goldes. Wie hätte sich Pedro de Alvarado gewünscht, in dieser Zivilisation der Demokratie zu leben! Er hätte bessere Resultate erlangt ohne die Strapazen der Conquista zu erleiden. In der Demokratischen Republik Kongo ist die gleiche Ausbeutung mit den Diamanten und dem hochgeschätzten Koltan an der Tagesordnung. Und das sind nur zwei Beispiele. Eins ist nicht zu vergessen: die Waffen sind immer bereit, egal wie klein die Bedrohung ist, besser gesagt, wenn der wirtschaftliche und politische Druck keine Erfolge zeitigt. Die direkten oder vertuschten Invasionen und schmutzigen Kriege, die von den Regierungen des Nordens vorangetrieben werden, haben reformistische oder volksnahe Regierungen auf der ganzen Erde zerstört. Die einzige Erfahrung, die in der Geschichte Guatemalas einer Demokratie nahe kam, wurde 1954 von Söldnern des US-amerikanischen CIA zunichte gemacht. In Afrika haben die USA Kriege gefördert oder Waffen und Militär-Trainings in 50 der 53 Länder des Kontinents geliefert. Heute brennen die muslimischen Länder in Asien, weil sie dem Imperium USA nicht entgegenkommen, die ihr Erdöl abzapfen wollen. Die stolze westliche Zivilisation, die sich die Schirmherrschaft über die repräsentative Demokratie an den Nagel reisst, ist jene Zivilisation der gefürchtetsten Massenvernichtungswaffen der Geschichte. Die Politik ist der gleiche Krieg wie immer, bloss mit anderen Mitteln, das hat schon Foucault gesagt. Nach oben |
Doch der Norden fürchtet den Süden. So wie jeder Angreifer hält er dem Blick seines Opfers nicht stand. Die Ladungen von Rohstoffen und Kapital ziehen in schnellem Tempo von Süden nach Norden, aber das gilt für die Bevölkerungen noch lange nicht. In Spanien bekommen sie es mit der Angst zu tun vor einer vermeintlichen Invasion afrikanischer EinwanderInnen. Von den vier Millionen registrierten ImmigrantInnen, kommen jedoch gerade einmal 3% aus dem subsaharischen Afrika. Die Mehrheit kommt ganz legal über die Flughäfen ins Land herein, nur eine unbedeutende Menge kommt in Schlauchbooten oder mit dem Floss. Doch schaut nur nach Europa und in die USA, wo man sich neurotisch und nach primitivem Brauch mit einer Mauer zu umgeben versucht, weil man die Nähe der Einwander-Innen aus dem Südens nicht erträgt. Auch in Guatemala, während der Zeit der Agrarreform von Jacobo Árbenz, sind viele Ladinos/as in Panik geraten, war doch zu befürchten, dass mit der Revolution, die indios aus den Bergen herabsteigen würden, um sie umzubringen, aus denselben Bergen, aus denen die indios jeden Tag friedlich zu lächerlichen Preisen Brennholz, Mais, Bohnen und Fleisch herunterkarrten. Die Produkte durften kommen, die indios nicht. Diese Angst des Nordens wird nicht vom Süden provoziert, sondern von der gemeinsamen Erinnerung. Viel zu viele Zusammenstösse und Aggressionen schreien in den Schlupfwinkeln der Erinnerung der Völker, und das wissen sowohl die aus dem Norden als auch die aus dem Süden. Während nun also die AfrikanerInnen oder die GuatemaltekInnen auswandern, allein, um zu überleben, erschrecken sich die aus dem Norden vor den Gespenstern der Vergangenheit, die vor ihren inneren Augen aufwachen. In der Erinnerung der fernsehenden Welt, die den Angriff von Zinedine Zidane am Bildschirm miterlebte, gibt es die Codes, die helfen, das Geschehene zu verstehen: Hinter der Werbe- und Sport-Parafernalie der Weltmeisterschaft pocht ein Kampf um Leben und Tod, weltweit, unverschämt und grausam, um die Herrschaft. |
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