Von ¡Fíjate! zu ¡Fijáte!
Fijáte 252 vom 9. Jan. 2002, Artikel 1, Seite 1
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Von ¡Fíjate! zu ¡Fijáte!
Im Sommer 2001 wurden wir vom ¡Fijáte! von den KollegInnen der österreichischen Guatemala-Solidarität angefragt, ob wir einen Artikel über die Geschichte des ¡Fijáte! schreiben könnten, als Beitrag zu einem Buch, das sie in Planung haben. Viele 'jüngere' LeserInnen kennen diese Geschichte nicht. Für sie und auch, um die Erinnerungen der andern aufzufrischen, drucken wir den Text an dieser Stelle ab. Das Buch "Begegnungen mit Guatemala - Solidarische Annäherungen" (Arbeitstitel) mit über 40 Beiträgen von 28 AutorInnen, wird im Winter 2002 im Verlag Brandes & Aspel erscheinen. Die Anfänge des heute unter dem Namen ¡Fijáte! erscheinenden Nachrichtendienstes gehen auf den deutschen Informationsdienst der guatemaltekischen Nachrichtenagentur CERIGUA zurück. CERIGUA informierte anfänglich aus dem nicaraguanischen und später aus dem mexikanischen Exil und war Teil der politischen Strukturen der FAR. Der ¡Fíjate! wurde während rund sechs Jahren von Leuten der deutschen SoliBewegung herausgegeben, die z.T. als Freiwillige anfangs der 90er Jahre bei der Nachrichtenagentur CERIGUA arbeiteten. Interne Meinungsverschiedenheiten im CERIGUA-Team in Mexiko über die Einschätzung der Regierung von Ramiro de Leon Carpio und die autoritäre Entscheidung der FAR-Führung, mit dem CERIGUA-Büro nach Guatemala zurückzukehren, führten 1993 zur Einstellung des deutschen Dienstes und zur Rückkehr der damaligen freiwilligen Mitarbeiterin nach Deutschland. Dort gab es einige Menschen, die auch einmal über kürzere oder längere Zeit bei CERIGUA gearbeitet hatten, bzw. eng mit dem deutschen Dienst verbunden waren. Die AbonnentInnen des deutschen Informationsdienstes wurden angefragt, ob sie auch an einem in Deutschland erstellten Informationsdienst interessiert seien. Die Rückmeldungen waren schlicht überwältigend und es wurde konkret überlegt, wie auch ohne die Infrastruktur und den Diskussionszusammenhang mit den compañer@s ein deutscher Info- und Nachrichtendienst herausgegeben werden könnte. Da sowohl CERIGUA wie auch andere alternative Presseagenturen ihre Infos über e-mail verschickten, war es möglich, schnell genug an Infos zu kommen. Das ursprüngliche Konzept wurde beibehalten und so erschien am 24. September 1994, also etwa ein Jahr nach Beendigung des deutschen Dienstes von CERIGUA, die erste Ausgabe von ¡Fíjate! Als HerausgeberIn fungiert ein von Guate-Soli-Bewegten Menschen extra dafür gegründeter gemeinnütziger Verein, der wohl nicht anders heißen konnte als "Verein ¡Fijáte!" Aufgrund der immensen Arbeitsbelastung der mehr als weniger ehrenamtlich tätigen einzigen Redakteurin wurde nach einigen Erscheinungsjahren des ¡Fíjate! von wöchentlich vier DIN A 4-Seiten auf zweiwöchentlich sechs Seiten Infos und Nachrichten umgestellt. Inhaltlich veränderte sich die Publikation durch die Verlagerung der Herausgabe von Mexiko nach Deutschland insofern, dass nicht nur URNG-konforme Meldungen gedruckt wurden und die Hauptartikel nicht mehr - beraten durch die compañer@s in Mexiko - selber geschrieben wurden, sondern aus anderen Publikationen übernommen und übersetzt wurden. Entsprechend waren sie nicht mehr ganz so aktuell wie vorher. 1999 wurde die Erstellung des ¡Fíjate! in die Schweiz verlegt. Der neuen Redakteurin wurde neben Stapeln von Archivmaterial, einem Haufen gutgemeinter Tips und Adressen von wichtigen Informationsquellen und Nachrichtenkanälen in Guatemala sowie unentbehrlichen Kontakten in Deutschland auch der Hinweis mit auf den Weg gegeben, dass die Betonung von ¡Fíjate! in Guatemala eigentlich auf der zweiten Silbe liege... und seither heißt dieser ¡Fijáte!. Mit der Veränderung der Situation in Guatemala unterlag auch die Informationsbeschaffung einem Veränderungsprozess. Kamen früher Berichte über die politische Situation und Menschenrechtsverletzungen meist über URNG- Leute und Menschen, die im Exil leben und arbeiten mussten, wie z.B. das CERIGUA-Team, hat heute fast jede Organisation sowie die grösseren Tageszeitungen und einige Magazine ihren eigenen Internetauftritt. Die drei täglich informierenden 'alternativen' Presseagenturen - CERIGUA, das Centro de Estudios de Guatemala (CEG) und das Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Studien (IPES) - wurden je von Personen gegründet und teilweise auch noch betrieben, die der einen oder anderen Gruppierung innerhalb der ehemaligen Guerilla nahe standen/stehen. Inhaltlich ist das aber heute nicht mehr spürbar. Nach oben |
Die von den genannten Agenturen verbreiteten Informationen bestehen meist aus einer Auswahl und Zusammenfassung von Meldungen der Tagespresse. CEG hängt jeweils noch eine namentlich gezeichnete 'Opinión' an, das kann eine Kolumne oder ein Interview sein, und IPES bringt jeden Tag eine eigene Analyse zu einem bestimmten Thema. An Informationen aus und über Guatemala fehlt es also nicht. Schwieriger ist es jedoch, an Material zu gelangen, das geographisch und inhaltlich über die Mainstream-(hauptstädtisch und kongresslastige) Medienberichterstattung hinausgeht. Dies wird auch immer mehr zu einem Problem des ¡Fijáte! Die Verarbeitung der täglich eintreffenden Informationsflut lässt wenig Zeit für tiefergehende Recherchen und Analysen. Von Zeit zu Zeit taucht deshalb die Frage auf, ob nicht die Redaktion des ¡Fijáte! wieder näher an den Ort des Geschehens und an die Basis, sprich nach Guatemala, verlegt werden sollte... Die AbonnentInnen von ¡Fijáte! sind immer noch Leute aus der deutschsprachigen 'traditionellen' Solibewegung, aus der ai- und Menschenrechtsszene, aus NRO's der breitgefächerten Entwicklungszusammenarbeit, es sind StudentInnen, die ein Praktikum in Guatemala machten, es sind journalistisch Tätige oder Militärdienstverweigerer, die ihren Zivildienst in Guatemala ableisten, sowie einige Weltläden und Menschen, die sich im kirchlichen Raum engagieren. Dazu kommt eine ganze Menge Personen, die sich nicht vorgenannten Sektoren zuordnen lassen, sehr wahrscheinlich allerdings nur, weil der Abo-Verwaltung keine spezifischen und persönlichen Daten über diese individuellen ¡Fijáte!-BezieherInnen bekannt sind. In diesem Zusammenhang ist die Veränderung sowohl der Anzahl der AbonnentInnen als auch deren Zusammensetzung seit Bestehen des ¡Fíjate! recht interessant. Die untenstehende Tabelle soll darüber etwas Aufschluss geben. Auf dieses Publikum ausgerichtet ist denn auch die Auswahl der Artikel. Nebst einem Hintergrundartikel, der ein Thema oder eine politische Position ausführlich behandelt, werden bei der Auswahl der Artikel Nachrichten aus den 'klassischen' Volksbewegungen (Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, BäuerInnenorganisationen), der Frauenbewegung oder der Indígenabewegung bevorzugt. Finanziell hat sich die Herausgabe eines Informationsdienstes zu Guatemala nie selbst getragen, was den Macher-Innen allerdings von Anfang an bewusst war. Trotzdem haben sie den ¡Fíjáte! kreiert und er hat bis heute Bestand. Die Abogebühren reichen nicht einmal aus, um die sogar mittels Subventionen niedrig gehaltenen Erstellungs-, Kopier- und Versandkosten und sonstigen laufenden Spesen zu decken. Seit Beginn ist das Projekt also abhängig von der finanziellen und ideellen Unterstützung der Guatemala-Solibewegung und insbesondere einzelner Personen aus deren Umfeld: 1989 wurde der damalige deutsche Dienst von CERIGUA in Nicaragua auf einer Schreibmaschine mit Hilfe von Kohlepapier-Durchschlägen getippt; es wurde dann jede Woche jemand gesucht, der/die nach Deutschland flog und zuverlässig und bereit war, ihn dort in den gelben Postbriefkasten zu werfen. In Bonn hat in diesen Zeiten ein Mitglied der Solibewegung ihn dann jede Woche kopiert, eingetütet und verschickt. Zwölf Jahre später wird der ¡Fijáte! in Zürich auf einem Laptop geschrieben. Per e-mail wird er zum Korrekturlesen nach Deutschland gesendet. Eingetütet wird er in Zürich (für die Schweiz) und in Radolfzell (für Deutschland, Österreich und einige in der deutschsprachigen Diaspora wohnhaften AbonnentInnen) oder auch per e-mail verschickt. Gelesen wird er - unter anderem - in Guatemala.
*) ab diesem Jahr werden die AbonnentInnen aus der Schweiz nicht mehr in dieser Tabelle erfasst. (Im Jahr 1999 waren es vier, Ende 2001 waren es 29.) Innerhalb des bisherigen Erscheinungszeitraums ist festzuhalten, dass die Gesamtzahl der AbonnentInnen zwar von Jahr zu Jahr schwankt, aber momentan den gleichen Stand hält unter Miteinbeziehung der Schweizer AbonenntInnen. Die sprunghaften Erhöhungen in den Jahren 1994 bis 1997 liegt einerseits wohl an der Einrichtung der RückkehrerInnen-Begleitung CAREA durch die Solidarität und andererseits an dem doch gesteigerten Interesse am politischen Geschehen in Guatemala (Friedensverhandlungen). Die Zahlen fallen dann eben auch wieder allmählich auf den Anfangsstand mit Unterzeichnung des "Friedensvertrages" und der Einstellung von CAREA, deren Arbeitsschwerpunkt sich in anderer Form auf Chiapas verlagert hat. Interessant ist, dass es offensichtlich bei einigen Sektoren der genannten Rubriken "StammkundInnen" an Informationen aus Guatemala gibt, die trotz politisch-konjunkturellen Schwankungen dem ¡Fijáte treu! bleiben. Dahingegen ist für die MacherInnen des Informationsdienstes etwas betrüblich, dass das Interesse der AbonenntInnen gerade der traditionellen Guatemala-Solidarität absolut abnimmt. In diesem Zusammenhang ist es aber recht erfreulich, dass es doch eine Menge von wechselnden Personen gibt, die den ¡Fijáte! eine zeitlang abonnieren. Aufgrund von fehlenden Daten zu diesem Personenkreis konnten sie leider nicht in die unterschiedlichen Rubriken der Tabelle eingeordnet werden. Dieser Informationsmangel könnte so interpretiert werden, dass die NeuabonnentInnen mehr ein individuelles Interesse an "Guatemala" haben und dass der persönliche Zusammenhang und der Bewegungscharakter der Guatemala-Solidarität ziemlich am bröckeln ist. |
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