Fröhliche Ostern!
Fijáte 256 vom 27. März 2002, Artikel 9, Seite 6
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Fröhliche Ostern!
Guatemala, 7.März. "Für die GuatemaltekInnen ist Ostern ein grosses nationales Fest, da es Reiche und Arme, Weisse und Schwarze, Indígen@s und Ladin@s im Warten auf Jesus vereint, der kommen wird, um ihre Straßen und Häuser zu segnen." Die Mischung aus alten vorspanischen, spanischen und christlichen Glaubensanteilen, die sich in der animistischen Lehre der heutigen christlichen Gemeinde Guatemalas finden lassen, stellt sich in den traditionellen Osterbräuchen dar: Prozessionen, Teppiche aus buntem Sägemehl, die heilige Motive darstellen, typische Speisen wie Eierkuchen und gefüllter Fisch, das Abbrennen von Weihrauch, aber auch symbolische Riten wie das Verbrennen oder Erhängen des Judas gehören dazu. Die genannten Teppiche, die früher aus Kiefernnadeln, exotischen Blumen, Kolibrifedern und Früchten bestanden, dienen zur Trennung der Welt des Profanen und der des Heiligen, über sie werden auf Schultern die Bilder der Heiligen durch die Strassen getragen. Denn laut Religion ist der Boden lediglich für den Menschen bestimmt, der die Erde bewohnt, doch wenn ein Heiliger sie streift, hält die Todsünde Einzug. Ein wichtiger Aspekt und ein Beispiel für die guatemaltekische Eigenheit, mit religiösen Bräuchen umzugehen, ist die Tatsache, dass die Organisation des Festes vornehmlich in den Händen der Jugend liegt, die die überlieferte Traditionen in gewissem Rahmen beibehalten, sie jedoch gleichzeitig modifizieren und somit lebendig erhalten, indem sie die jeweils aktuelle gesellschaftliche Situation darin verflechten. Eine Möglichkeit dafür bietet der "Umzug Buffo", veranstaltet von der Fakultät der Humanwissenschaften und der neu gegründeten Fakultät der Rechts- und Sozialwissenschaften der Universität San Carlos (USAC). Dieser Umzug am letzten Freitag der Fastenzeit stellt den Höhepunkt der Aktivitäten der studentischen Huelga de Dolores dar und besteht seit mehr als 100 Jahren. Dabei wird die Bevölkerung aufgerufen, sich mehr an den zivilpolitischen Aktivitäten zu beteiligten und auf diese Weise als wahre Gesprächspartnerin dem Staat gegenüberzutreten. Das jeweils Aktuelle an dem Umzug ist wohl die Verspottung der Regierenden und relevanten Persönlichkeiten des Staates. Hauptkritikpunkte sind in diesem Jahr planmäßig die Erhöhung des Strompreises und der Mangel an Trinkwasser, doch werden die aktuellen politischen Ereignisse auch einbezogen: Rund 500 StudentInnen demonstrierten am 7. März im Rahmen der Streikveranstaltungen vor dem Kongress und forderten die Aufklärung des Skandals von Panama sowie der Entführung von Nationalbankpräsident Lizardo Sosa. Die Huelga de Dolores war traditionellerweise DIE politische StudentInnenaktivität. Aus Sicherheitsgründen und zum Schutz vor Repression vermummen sich die an der Huelga teilnehmenden StudentInnen. In letzter Zeit ist die Huelga jedoch auch selbst immer mehr in die Kritik geraten und habe seine ideologische und philosophische Konsistenz verloren, so ein ehemals an der Huelga aktiv teilnehmender Student. Im vergangenen Jahr z.B. war einer der Kritikpunkte, dass die OrganisatorInnen des Streiks Geld von Präsident Portillo annahmen und sich somit von ihm 'kaufen' liessen. Auch gibt es jedes Jahr ein wüstes Gerangel darum, welche StudentInnenvereinigung die Huelga anführt. Gegenseitig wirf man sich vor, apolitisch zu sein und organisierten Banden anzugehören, die sich in ihrer "Freizeit" eher mit Drogenhandel, Autoklau und schnellen Festnahmen innerhalb der Uni beschäftigten, denn mit StudentInnenpolitik. Nach oben |
Die Anwesenheit solcher Banden gehe auf Entwicklungen in den 80er Jahren zurück, in denen V-Leute des Militärs in die Studierendengruppen eingeschleust worden waren, um dort "Unruhe" zu stiften. Die vormals zum Schutz der streikenden Studierenden vor den Militärs benutzten Kapuzen und Waffen dienen inzwischen dem Missbrauch zum Begehen von Verbrechen. Auch wenn von den USAC-OrganisatorInnen davon ausgegangen wird, dass der Tag trotz einer massiven Teilnahme der Bevölkerung ruhig verlaufen wird, macht man sich andernorts Sorgen über mögliche Zwischenfälle in der Osterwoche. So stellte zum Bespiel die Freiwillige Feuerwehr in Chimaltenango bereits vier Wochen vorher ein Spezialprogramm zur Prävention von Unfällen während der "Heiligen Woche" auf und teilt dieses per Radio der Bevölkerung mit. Denn Ostern impliziert gleichzeitig Ferien und somit viel Verkehr auf den Straßen. Zur Finanzierung dieser Notfall-Kampagne wurde extra ein Konzert für Jugendliche organisiert, dessen Gewinn jedoch, auch mit Hilfe von geplanten Verlosungen kaum ausreichen wird, sowohl die Kampagne zu verwirklichen, als auch den schlechten Zustand des einzigen vorhandenen Streifenwagens zu verbessern, um das Vorhaben, in der Osterwoche Tag und Nacht für jegliche Eventualität Bereitschaft zu leisten, effektiv realisieren zu können. Fröhliche Ostern denn! |
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