Erster Prozess wegen Verschwindenlassens
Fijáte 406 vom 19. März 2008, Artikel 6, Seite 5
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Erster Prozess wegen Verschwindenlassens
Chimaltenango, 13. März. In diesen Tagen steht der erste ehemalige Militärkommissionär aus den Zeiten des internen bewaffneten Konflikts vor Gericht. Felipe Cusanero wird verantwortlich gemacht für mindestens sechs Fälle erzwungenen Verschwindens in den Jahren 1982 bis 1984 in der Gemeinde Choatalum, Chimaltenango. Vor viereinhalb Jahren beschloss die Gemeindeversammlung, Klage gegen Cusanero bei der Staatsanwaltschaft einzureichen. Rechtlich begleitet wird sie dabei vom Menschenrechtszentrum CALDH. Die Vereinigung der Familienangehörigen von Verhafteten und Verschwundenen (FAMDEGUA), tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Cusanero, der damals als Militärkommissionär für die Zone eingeteilt war, ist derzeit Hilfsbürgermeister der Gemeinde. ZeugInnen, deren Aussagen in dem Prozess das Hauptbeweismaterial darstellen berichten, mitbekommen und gesehen zu haben, wie Cusanero die sechs Personen, um die es geht, zum einen als Guerilleros/as bezichtigt hatte, sie mit Hilfe von anderen Militärs und Mitgliedern der Zivilpatrouillen (PAC) schliesslich widerrechtlich festgenommen und sie in die lokale Militärkaserne geführt hatte. Danach gab es kein Lebenszeichen mehr von den zwei Frauen und vier Männern. Als Anlass für diese Willkür wird die Gründung einer BäuerInnenkooperative von Seiten des Dorfes genannt. Cusanero hat den Gemeindemitgliedern bis heute keine Antwort auf die Frage nach dem Verbleib der Verschwundenen gegeben. Auch die Exhumierungen innerhalb des Militärgeländes ergaben keine Funde. Aura Elena Farfán, Direktorin von FAMDEGUA, schliesst nicht aus, dass die für das Verschwinden der Gesuchten Verantwortlichen die Überreste noch vor Beginn der Exhumierungen beiseite geschafft haben könnten. Die Angehörigen haben in der Zwischenzeit diverse Amtsschritte ausgereizt, um an Informationen zu kommen und liessen sich auch durch Morddrohungen nicht von ihrer Suche abhalten. Nach oben |
Wie bereits vor Beginn der Anhörungen versucht die Verteidigung von Felipe Cusanero auch nach Prozessauftakt, diesen durch Einsprüche lahmzulegen. Sie argumentiert, dass die Tat des erzwungenen Verschwindens erst 1996 als Delikt im Strafgesetzbuch aufgenommen worden ist und deswegen für die Zeit vorher keine Gültigkeit habe. Demgegenüber besagt jedoch das zu Grunde gelegte internationale Recht, dass es sich in diesem Fall nicht um die Frage der rückwirkenden Geltung handele, sondern es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, das weder verjährt noch von Amnestiebeschlüssen umfasst wird. Die entsprechende Resolution vom Verfassungsgericht statuiert somit ein Exempel und öffnet den Weg für die potentiellen legalen Forderungen der Angehörigen von mehr als 45´000 Verschwundenen während des Konflikts bzw. für die Klagen, die bereits den Gerichten vorliegen. |
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