Nach den Unruhen in der Hauptstadt
Fijáte 291 vom 13. August 2003, Artikel 2, Seite 3
Original-PDF 291 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte
Nach den Unruhen in der Hauptstadt
Guatemala, 8. Aug. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des letzten ¡Fijáte! war noch nichts Genaues über den Hergang der gewalttätigen Ausschreitungen von FRG-AnhängerInnen in der Hauptstadt bekannt. Die Informationen, die wir bis dahin hatten, haben sich leider bestätigt und wir fügen noch einige Ergänzung hinzu: Genau so plötzlich wie die Ausschreitungen begannen, hörten sie auch wieder auf, was auf eine minutiöse Planung und Organisation schliessen lässt. Auch wenn es die FRG abstreitet, Kongressabgeordnete dieser Partei wurden fotografiert, wie sie den Demonstrierenden Anordnungen gaben, Essen und Schlagstöcke verteilten und über Handy Befehle entgegennahmen und weiterleiteten. Zu Ende war der Spuk, als am Freitagmittag (25. Juli) über Lautsprecher die Stimme von Ríos Montt verkündete: "Ich danke euch für die Unterstützung und Begleitung. Ich verspreche, dass Ríos Montt bleibt, ihr könnt in Frieden nach Hause gehen." Die für die Unruhen in die Hauptstadt hergekarrten Menschen waren zu einem grossen Teil Staatsangestellte aus den Departements. In Totonicapán, Baja und Alta Verapaz und Chimaltenango lief in den öffentlichen Ämtern nicht viel, weil die Angestellten gezwungen wurden, an den Protesten teilzunehmen. Schon Tage zuvor hätten FRGMitglieder die Leute instruiert, ihnen 50 Quetzales gegeben und mit Schlagstökken und Skimützen (zum Vermummen) ausgerüstet. Auch aus Izabal meldete der lokale Vertreter des Menschenrechtsprokurats, dass Staatsangestellte und Bauern gezwungen wurden, an den Protesten teilzunehmen, ein Angestellter des Umweltministeriums sagte, er sei entlassen worden, weil er den Befehl des Gouverneurs von Sacatepéquez nicht befolgt und sich geweigert habe, in die Hauptstadt zu fahren um zu demonstrieren. Indígenaorganisationen klagten Mitglieder der Regierungspartei an, die Indígenas für ihre Zwecke missbraucht zu haben. Einmal mehr habe man auf diese Bevölkerungsgruppe zurück gegriffen, um für die Politiker die Kastanien aus dem Feuer zu holen, ihre Forderungen und Rechte ins Regierungsprogramm aufzunehmen, käme ihnen hingegen nicht in den Sinn. Auffällig war das Nichteingreifen der Polizei, um die Gewalt zu stoppen und die gleichzeitigen Truppenbewegungen, die das Militär im Innern des Landes vollzog. Der Polizeidirektor, Raúl Manchamé erklärte, seine Leute seien von den Demonstrierenden bedroht worden und er habe nicht mit einer Polizeiaktion das Leben der Menschen aufs Spiel setzen wollen, die in den besetzten Gebäuden ausgeharrt hätten. Weiter verwies er darauf, dass die Polizei schliesslich auch nicht eingreife, wenn die sozialen Organisationen ihre Proteste durchführen. Ebenfalls ins Kreuzfeuer der Kritik kam Innenminister Adolfo Reyes Calderón, weil es in seiner Macht steht, einen Polizei- (oder Militär-) Einsatz anzuordnen. Um seinen eigenen Kopf zu retten, entliess Reyes Calderón umgehend den Polizeichef Manchamé, der, wie er erklärte, seine Befehle nicht ausgeführt habe. Nach oben |
Als Nachfolger von Machamé wurde Óscar Raúl Segura eingesetzt, der hoffentlich seinem Namen Rechnung trägt... Was das Militär betrifft, erteilte Präsident Portillo offenbar dem Chef des militärischen Generalstabs, Enrique Ríos Sosa (Sohn von El General), einzugreifen, doch hat es Militärbasen gegeben, die den Befehl verweigerten, da sich das Militär nicht zur "Repressionszwecken" hergebe. Dies nährte die kursieren den Gerüchte über einen Staatsstreich, beginnt doch ein solcher oft mit der Befehlsverweigerung des Militärs. Unter dem Motto "Guatemala sind wir alle" (in Anlehnung an Ríos Montt's Wahlspruch "Ich bin Guatemala") und als Antwort auf die Aktionen der FRG schlossen sich zivilgesellschaftliche Gruppen (StudentInnen, GewerkschafterInnen, WirtschaftsvertreterInnen aber auch politische Parteien und Menschenrechtsorganisationen) zur Frente Cívico por la Democrácia (FCD) zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist, dem politischen Terror etwas entgegenzusetzen und Recht und Ordnung im Land wieder herzustellen. Die FCD will juristisch gegen den Innenminister vorgehen, weil er am 24. und 25. Juli nicht eingegriffen hat, eine Untersuchung einleiten darüber, woher die Mittel stammen, mit denen der Aufruhr finanziert wurde und ein Informationsnetz schaffen, um Anzeigen gegen Verstösse der FRG aufnehmen und weitergeben zu können. Für den 14. August kündigte die FCD eine Grossdemonstration in der Hauptstadt an. Dieser breite Zusammenschluss ist sicher zu begrüssen. Doch sehen einige PolitologInnen auch eine Gefahr darin. Einerseits wird es schwierig sein, über die Parole "Nein zu Ríos Montt" eine gemeinsame Agenda zu bestimmen. Zu unterschiedlich ist die politische Herkunft der einzelnen Bündnismitglieder, zu denen sich VertreterInnen des Grosskapitals und ehemalige Militärs ebenso zählen wie MenschenrechtsaktivistInnen und linke PolitikerInnen. Zum andern wird z.B. dem Präsidentschaftskandidaten der GANA, Oscar Berger, unterstellt, aus der FCD (wahl-)politisches Kapital schlagen zu wollen. |
Original-PDF 291 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 --- Nächstes Fijáte