Portillo wehrt sich
Fijáte 219 vom 27. Sept. 2000, Artikel 2, Seite 4
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Portillo wehrt sich
Guatemala, 15. Sept. In seiner Rede anlässlich des Tags der Unabhängigkeit verteidigte sich Präsident Alfonso Portillo gegen die Anschuldigungen, er habe die Regierung nicht im Griff, und teilte seinerseits Rügen in alle Richtungen aus. In Anwesenheit hoher RegierungsvertreterInnen und ausländischer DiplomatInnen kritisierte er die Haltung der PolitikerInnen, der UnternehmerInnen und der Presse. Dem Unternehmenssektor warf er vor, sich in die politischen Alltagsgeschäfte einzumischen, anstatt sich auf seine eigenen Geschäfte zu konzentrieren und die wirtschaftlichen Bedingungen des Landes zu verbessern. Guatemala befinde sich in einer misslichen Lage, gab der Präsident zu. Die politische Selbstzerstörung sei zum Nationalsport Nr. 1 geworden. Die Haltung der Opposition verglich er mit den Lynchmorden, die in letzter Zeit wieder zugenommen haben. Der einzige Unterschied sei, dass "die einen aus Verzweiflung lynchen, die andern aus Machtgier", meinte Portillo. Die Medien bezeichnete der Präsident als demokratiefeindlich und -zerstörend. Gegenüber der oft geäusserten Kritik, die Regierung habe keine klare Richtung, verteidigte sich das Staatsoberhaupt: "Es gibt keinen blinderen als denjenigen, der nicht sehen will. Das Ziel meiner Regierung ist, den Herausforderungen der Globalisierung gewachsen zu sein, das merkantilistische Erbe loszuwerden und die Probleme des Volkes zu lösen." Seine Regierung sei die am meisten kritisierte in der Geschichte Guatemalas. Der Erfolg oder das Scheitern einer Regierung liege in der Verantwortung des ganzen Landes. "Wir sitzen im selben Boot und wenn es untergeht, gehen wir alle unter", schloss er pathetisch seinen Diskurs. Selbstverständlich löste Portillo mit seiner Rede eine neue Kritikwelle aus: Laut Arabella de Leon, Kongressabgeordnete der Unionistas, kritisierte Portillo zu sehr die PolitikerInnen und die Presse, ohne selber konkrete Änderungsvorschläge zu machen. Der Analytiker und ehemalige Teilnehmer der Friedensgespräche, Héctor Rosada, bezeichnete den Diskurs des Präsidenten als zu aggressiv und zu populistisch. Portillo sei nicht offen für Kritik und sehe sich als den einzigen Lenker des nationalen Schicksals, was ein grosser Fehler und Ausdruck von Angst sei, erklärte Rosada. Nach oben |
Auch der UnternehmerInnenverband (CACIF) liess den Vorwurf Portillos nicht auf sich sitzen. "Wenn eine Regierung nicht fähig ist, sucht sie sich einen Schuldigen, einmal muss die Presse als Sündenbock herhalten, einmal das Unternehmertum", erklärte Fernando Montenegro, Präsident des CACIF. Es sei ihr gutes Recht als UnternehmerInnen, ihre Meinung zum politischen Geschehen auszudrücken und sie würden das auch in Zukunft tun, versicherte er. |
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