Entführungsversuch an AI-Mitarbeiterin
Fijáte 238 vom 27. Juni 2001, Artikel 2, Seite 3
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Entführungsversuch an AI-Mitarbeiterin
Guatemala, 14. Juni. Die Befürchtung der Menschenrechtsorganisationen bezüglich vermehrten Drohungen und Attentate gegen ihre Mitglieder, ist nicht unbegründet: Am 11. Juni wurde die Mitarbeiterin von Amnesty International (AI), Barbara Bocek, beim Verlassen ihres Hotelzimmers niedergeschlagen. Ein Entführungsversuch scheiterte. Nachdem ihre KollegInnen sie vermissten und das Hotelpersonal verständigten, wurde Frau Bocek gefesselt, geknebelt und betäubt auf einem Nebengang des Hotels, der normalerweise nur vom Personal benutzt wird, gefunden. Es wird vermutet, dass die Entführung misslang, weil auch dieser Nebenausgang über ein gut funktionierendes Sicherheitssystem verfügt. Die Nordamerikanerin Barbara Bocek besuchte Guatemala zusammen mit weiteren drei MitarbeiterInnen von AI. Unter anderem nahmen sie an den Schlussverhandlungen im Fall Gerardi teil und trafen sich mit VertreterInnen der Gemeinden, die vor einigen Wochen eine Klage gegen Ríos Montt eingereicht hatten. AI reichte wegen des Vorfalles eine Klage bei der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft ein und informierte MINUGUA über den Vorfall. Inwieweit sich die nordamerikanische Botschaft an den Untersuchungen beteiligen wird, ist nicht klar. Die Vermutung liegt nahe, dass der Überfall auf Barbara Bocek einen unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Menschenrechtsaktivistin hat. "Diese Tat ist ein Beispiel mehr, dass in Guatemala ein Rückschritt in Sachen Menschenrechte stattfindet. Die internationale Gemeinschaft muss dies unbedingt zur Kenntnis nehmen", insistierte Mario Polanco von der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM). Dass hinter solchen Einschüchterungsversuchen und Drohungen diejenigen Mächte und Personen stecken, die auch für die Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit verantwortlich sind, beweist Innenminister Byron Barrientos mit seinem Kommentar zum Überfall auf Bocek. "Dieser Überfall hat gar nie stattgefunden. Ihr Verschwinden wurde um 23.50 Uhr festgestellt und sie wurde um 0.30 Uhr gefunden. Wie ist es möglich, dass sie in dieser Zeit nicht um Hilfe gerufen hat?" provozierte Barrientos. Ausserdem seien die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Hotel so gut, dass es unmöglich sei, dass jemand bis in den sechsten Stock vordringen könne, ohne vom Personal gesehen zu werden. Seiner Meinung nach sei das alles eine Show, es sei doch eigenartig, dass dies präzis in dem Moment geschehe, wo Präsident Portillo endlich einen Besuch im Weissen Haus zugesichert bekommen habe, zweifelte Barrientos weiter. Nach oben |
Das Verhalten Barrientos scheint eine persönliche Abrechnung mit Amnesty International zu sein. Barrientos ist als ehemaliger Major in der unterdessen aufgelösten Militärpolizei (PMA) verantwortlich für die Verfolgung von sog. 'Oppositionellen'. Amnesty International hingegen war eine der ersten Organisationen, die in dieser Zeit die Folterung, Ermordung und das Verschwindenlassen unzähliger Oppositioneller öffentlich machte. AI benannte den Völkermord sehr früh als solchen und unterstützte viele Flüchtlinge auf ihrem Weg ins mexikanische Exil. Von der Regierung wurde die Organisation als Verbündete der Guerilla gesehen. In einer Presseerklärung bestätigte AI ihr Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte in Guatemala. "So wie unsere KollegInnen in Guatemala sich von solchen Drohungen nicht von ihrem Kampf abhalten lassen, werden auch wir weitermachen, in Guatemala und überall auf der Welt, wo Menschenrechte verletzt werden", hiess es in der Erklärung von Amnesty International. |
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