"Wir sind nicht CSI" oder was nutzt eine Forensik ohne Geld?
Fijáte 460 vom 12. Mai 2010, Artikel 7, Seite 5
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"Wir sind nicht CSI" oder was nutzt eine Forensik ohne Geld?
Guatemala Stadt, 21. April. Seit einem Monat steht das Nationale Institut für Forensik (INACIF) vor dem finanziellen Kollaps. Bei durchschnittlich 17 gewaltsamen Todesfällen pro Tag und einem Budget, das 80 Millionen Quetzales nicht übersteigt, könne INACIF weder die Ausgaben für die 26 Leichenschauhäuser noch für die 13 technischen und wissenschaftlichen Bereiche decken, die sich am zentralen Sitz des Instituts befinden. "Das INACIF erfüllt durchaus die Erwartungen, die wir bei seiner Gründung formuliert haben", sagte Yolanda Pérez, stellvertretende Ministerin für die Unterstützung des Gerichtswesen beim Innenministerium. Sie sieht das Problem in den fehlenden Mitteln: "Damit ein Laboratorium funktioniert, ist ein Budget nötig, das wächst, und nicht ein schrumpfendes", erklärte sie. Dieses Jahr habe das Finanzministerium die Geldmittel für INACIF von 96,4 Millionen Quetzales auf 77.1 Millionen Quetzales gesenkt. Zugleich verwies Pérez jedoch darauf, dass die Ineffizienz des Instituts auch auf "fehlende Koordination innerhalb des Gerichtssystems" zurückzuführen sei. Diesen Aspekt greift Luis Ramírez, Mitarbeiter des Instituts für vergleichende Studien und Strafwissenschaften IECCP, auf: "Die Kommunikationswege sind bürokratisiert. Es dauert lange, die Gründe dafür auszumachen: es könnten mangelnde Ressourcen sein, schlechte Geschäftsführung oder Kommunikationsfehler mit der Staatsanwaltschaft." Das sieht der Bundesstaatsanwalt, Amílcar Velásquez Zárate, naturgemäss anders. Er versichert, dass die Beziehung zwischen Staatsanwaltschaft und INACIF gut sei. Allerdings erwarteten die Opfer und die Öffentlichkeit immer schnellere Ergebnisse, und in vielen Fällen liege es nicht am MP, sondern am INACIF, dass es nicht vorwärts gehe. Die Koordination zwischen den beiden Institutionen könnte sich bald verbessern dank einer kurz vor dem Abschluss stehenden inter-institutionellen Vereinbarung mit den USA, das ein Informationssystem beinhalte, das auf der Technologie AFIS beruhe. Er handelt sich gemäss Yolanda Pérez "um Geldüberweisungen an das Innenministerium, die mit der Bedingung verknüpft wurden, dass sie für andere Organe des Justizsystems verwendet werden." Für die Direktorin von INACIF, Miriam Ovalle, ist das grösste Problem, dass es eine "Kultur der Forensik" im Land gebe. "Wir sind nicht CSI" (US-Serie über ForensikerInnen, die auch in Deutschland zu sehen ist), sagt sie mit ironischem Unterton. "Wir können nicht pro halber Stunde drei Fälle lösen." Nach ihrer Einschätzung sei genau das der Grund für die negativen Urteile gegenüber INACIF. "Während in den entwickelten Ländern eine Autopsie Tage dauern kann, wird hier schon eine Dauer von ein paar Stunden für (zu) lange gehalten." Nach oben |
Die geringe Fortbildung des Personals ist ein anderes Problem, versichert der IECCP-Experte Luis Ramírez. Für ihn ist es notwendig, die Weiterbildung des Personals in den Universitäten zu fördern, weshalb er vorschlägt, ein Diplom in Forensik zu schaffen. Gerade mal 22 SpezialistInnen, meist Mechanik- oder Industrieingenieure, arbeiten in der ballistischen Abteilung des INACIF und versuchen, Hülsen und Projektile zu identifizieren und mit den Waffen in den kriminellen Szenen in Verbindung zu setzen. Das Problem ist, so Raúl Rizzo, Koordinator dieser Abteilung, dass die Untersuchung der ganzen Proben wie ein Flaschenhals sind. "Es gibt Fälle, in denen wir 15 verschiedene Waffen analysieren müssen, im Monat sind das dann bis zu 1.200 Fälle, die wir bearbeiten". Eine weitere wichtige Abteilung ist jene für Biologie und Genetik, insbesondere die DNA-Proben von Blut, Speichel oder Spermien - oder auch von Haaren, die es erlauben sollen, Verbindungen zwischen dem Opfer, Verdächtigen und dem Tatort aufzuspüren. In diesem Bereich erhielt Elisabeth Custodi, Leiterin der Abteilung, eine Spende der Europäischen Union in Höhe von 2,7 Millionen Quetzales, die dazu dienen sollen, bessere Mikroskope anzuschaffen, die dazu führen sollen, dass das modernste Labor für forensische Genetik in ganz Zentralamerika entstehen kann. Zugleich erwarb INACIF Röntgen-Geräte in den Bereichen Odontologie und Medizin und errichteten ein histopathologisches und anthropologisches Labor. Diese Verbesserungen haben die KritikerInnen nicht verstummen lassen. Der Präsident der Justizkammer, César Barrientos, erklärte, dass INACIF ein Hindernis bei der Verbesserung der Justiz gewesen sei. Vielleicht aber wird umgekehrt ein Schuh daraus: Solange der Staat nicht bereit ist, alle modernen kriminalistischen Methoden in ausreichendem Masse zur Verfügung zu stellen, wird die Zahl der 17 Morde pro Tag niemals sinken. |
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