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Die privaten Sicherheitsfirmen schwächen die öffentlichen Institutionen

Fijáte 460 vom 12. Mai 2010, Artikel 1, Seite 1

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Die privaten Sicherheitsfirmen schwächen die öffentlichen Institutionen

Frage: Viele der privaten Polizisten sind ehemalige Soldaten. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?

O.A.: Da gilt es zu differenzieren. Zum einen ist die Idee, dass private Polizisten ehemalige Soldaten sind, immer weniger Wirklichkeit. Während dem bewaffneten Konflikt war das VGMilitärNF das Rekrutierungsfeld der privaten Unternehmen. Mit der Reduktion der Armee wurden die Leute mit militärischer Erfahrung rarer und teurer und vor allem für private Elitetruppen angeheuert. Deshalb und um die steigende Nachfrage zu bedienen, wurde ein neuer Agententyp geschaffen: Das typische Bild vom jungen Mann mit Schrotflinte - der keinerlei Sicherheit ausstrahlt, der keine Erfahrung hat, sondern der bloss zur Abschreckung hingestellt wird und mit Garantie in einem heiklen Moment nicht weiss, wie er reagieren muss bzw. garantiert das Falsche macht. Diese Sorte Agent ist der in Guatemala am meisten kontraktierte, denn es ist der am einfachsten zugängliche.

Der unerfahrene Agent mit niedriger Schulbildung, arm und garantiert mit grosser Angst vor der Hauptstadt, der Kundschaft, den anmassenden NachbarInnen, den Kriminellen und vor der Waffe, die er trägt, bildet das Gros der privaten Sicherheitskräfte. Dieser Agent ist nichts anderes als das Opfer einer sozialen Ungleichheit,die sich am Geschäft der privaten Sicherheit nährt und die Muster der Ausbeutung in der Landwirtschaft und in den Maquilas reproduziert.

Die Militärs sind seit den 50er Jahren im Sicherheitsgeschäft involivert. Zuerst in der ambulanten VGMilitärpolizei (PMA), später als Eigentümer oder Berater privater Unternehmen. Die private Sicherheit war eine Möglichkeit eines "aktiven Rücktritts" für Militärs, die ihnen einerseits ein Einkommen garantiert und anderseits erlaubt, weiterhin die Sicherheitsstrukturen zu kontrollieren. Wobei es hier darauf ankommt, ob wir von einem Soldaten oder von einem Offizier mittleren oder höheren Ranges sprechen.

Die Eingliederung von Militärs in die private Sicherheit ist insofern ein Problem, als dass keinerlei Kontrolle darüber besteht, was der Grund für ihren Ausschluss aus dem Militär war (das betrifft wiederum sowohl Soldaten wie auch höhere Kader). Es gibt Beispiele von hochrangigen Offizieren, die nach Staatsstreichen ins private Geschäft gewechselt haben und durch die Gründung eines eigenen Unternehmens die Möglichkeit hatten, ihr militärisches Leben weiterzuführen.

Dies fördert natürlich einen Autoritarismus und die Militarisierung der Gesellschaft. Die Ethik des Militärs wird zu einer Kultur des Militärs, und die Logik von Hierarchie und Treue lebt ausserhalb der Armee weiter und reproduziert sich im Privaten. Ein immer wieder erlebtes Beispiel ist, wenn die staatliche Polizei eine Kontrolle in einem privaten Sicherheitsunternehmen durchführen will und sich der Supervisor als ehemaliger Offizier entpuppt, der (im Privaten, denn sein militärischer Rang zählt nicht mehr) Gehorsam von den "untergebenen" PolizistInnen fordert. Diese Untergebung ist historisch, und jeder Versuch, daran etwas zu ändern oder die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Sicherheitssektor zu verbessern, wird als unloyale Konkurrenz gegenüber den privaten Unternehmen gewertet und da die Besitzer dieser Unternehmen auch politische Macht haben und ihre Lobby im Kongress stark ist, ist es relativ offensichtlich, dass die Zunahme der privaten Unternehmen mit einer systematischen Rückgang des öffentlichen Sektors einhergeht.

Frage: Gibt es andere Möglichkeiten für die guatemaltekischen Familien, als ein privates Sicherheits-unternehmen zu kontraktieren?

O.A.: Wichtig ist, dass die BürgerInnen vom Staat die enstprechenden Dienstleistungen sowie eine Kontrolle der Sicherheitsunternehmen einfordern. Dies würde die staatlichen Institutionen stärken, den korrupten Strukturen etwas entgegensetzen und die Einflussnahme des privaten Interessen auf die politische Arena schwächen.

Frage: Wer reguliert die private Sicherheit? Fast scheint es, als haben private Sicherheitsagenten mehr Freiraum als die Polizei?

O.A.: Was hier als ein Mangel an Kontrolle erscheint, ist die Vormacht der informellen Regeln, die jene unter Kontrolle haben, die eigentlich kontrollieren sollten. So weiss man z. B. nicht genau, wie viele private Unternehmen es gibt, wer sie leitet, wer ihre Besitzenden sind, wieviel Steuern sie bezahlen, wer ihre Angestellten sind, wen sie beschützen, welche Informationen sie über wen besitzen. Dieses Informationsdefizit ist ein Mechanismus der Straffreiheit und bestärkt die Idee von einer Sicherheit, die von Desinformation und Geheimhaltung dominiert ist - früher unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheitsdoktrin, heute und dem Deckmantel des freien Marktes.

Regulierung von privaten Sicherheitsagenten

Der guatemaltekische Kongress will in diesen Tagen ein neues Gesetz verabschieden, welches das Mindestalter von privaten Sicherheitsagenten auf 18 Jahre festlegt. Offenbar ist diese Einigung mit Einverständnis von Vertretern privater Sicherheitsfirmen zustande gekommen. Max Huertematte, zentralamerikanischer Regionaldirektor des Unternehmens Wackenhut zeigt sich gegenüber der Presse zufrieden: "Wir konnten uns für die Gesetzesvorlage auf die Alterslimite 18 Jahre einigen, obwohl das Waffengesetz vorschreibt, dass man erst mit 25 eine Waffe tragen darf. Aber weil der entsprechende Artikel im Waffengesetz gerade vor dem VGVerfassungsgerichtNF angefochten wird, glauben wir, dass er gänzlich suspendiert wird. Doch wir sind uns bewusst, dass am Schluss das Parlament entscheidet." Weiter soll in dem neuen Gesetz auch eindeutiger das Schulniveau der Sicherheitsagenten definiert werden. Noch streitet man sich darüber, ob Primarschule reicht oder ob es Sekundarschule sein soll. Sicher ist aber, dass Leute, die als Leibwächter arbeiten wollen, einen höheren Schulabschluss brauchen.


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