Erneut Streit über die Vorauswahl eines Generalstaatsanwalts
Fijáte 460 vom 12. Mai 2010, Artikel 6, Seite 4
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Erneut Streit über die Vorauswahl eines Generalstaatsanwalts
Guatemala Stadt, 30. April. Schnell war die Berufungskommission in ihrer Arbeit, eine Vorauswahl für das Amt des Generalsstaatsanwalts und damit Leiter der Staatsanwaltschaft (MP) zu treffen. Aber war sie auch gut? Da gibt es starke Zweifel. Und derzeit ist das Verfahren - mal wieder - vor dem Verfassungsgericht, um sich mit dem Antrag der Abgeordneten Nineth Montenegro auf Wiederholung des Auswahlverfahrens zu befassen. Zunächst aber einmal zur Frage, wer denn eigentlich in dieser Berufungskommission sitzt: sie hat insgesamt zwölf Mitglieder, meist Dekane der Rechtsfakultäten der verschiedenen privaten und staatlichen Universitäten, der Präsident des Berufsverbandes der AnwältInnen sowie ein weiteres Mitglied dieses Verbandes. Vorsitzender der Kommission ist der Präsident des Obersten Gerichtshofs (CSJ), Erick Álvarez Mancilla. Es gab 38, später 29 KandidatInnen, darunter der amtierende Bundesstaatsanwalt Amilcar Velásquez Zárate und die Generalsekretärin der Staatsanwaltschaft (MP), Gloria Porras Escobar. Mit dieser Zusammensetzung wäre, so möchte man meinen, eine fachliche Kompetenz gewährleistet. Auch die Transparenz war insofern gewährleistet, als die Lebensläufe und jeweiligen Ideen zur Ausgestaltung des Jobs von allen KandidatInnen sowie alle Sitzungsprotokolle etc. auf einer Internetseite veröffentlicht sind. Allerdings, so kritisierte etwa das UN-Kommissariat für Menschenrechte, sei nicht öffentlich gemacht worden, weshalb gerade die betreffenden sechs Personen als KandidatInnen ausgewählt worden seien. Es lagen zwar diverse Klagen gegen KandidatInnen vor, dennoch hat die gesetzlich geforderte Überprüfung der moralischen Integrität nur durch eine formale Frage des Kommissionsvorsitzenden stattgefunden, die aber nicht weiter diskutiert wurde. Beim ersten Wahlverfahren erhielten fünf KandidatInnen die mindestens geforderten 8 von 12 Stimmen: Conrado Arnulfo Reyes Sagastume (12 Stimmen), Leopoldo Liu González (12 Stimmen), Byron Renato Durán Menéndez (9 Stimmen), Edgar Enrique Lemus Orellana (8 Stimmen), María Eugenia Morales Aceña de Sierra (8 Stimmen) und Julio César Rivera Clavería (in der zweiten Runde 8 Stimmen) Der amtierende Generalstaatsanwalt Zárate erhielt keine Stimme, die amtierende Generalsekretärin des MP, Porras Escobar, nur zwei Stimmen. Von den sechs ausgewählten haben BürgerInnenrechtsgruppen zwischen drei (Carmen Aída Ibarra von Pro Justicia) und fünf KandidatInnen (Marco Antonio Canteo vom Institut für vergleichende Studien und Strafwissenschaften, IECCP) als fragwürdig eingestuft. Die einzige, die das Plazet aller BürgerInnenrechtsgruppen erhalten hat, ist María Eugenia Morales. Sie hat sich laut ihrem Lebenslauf in den Themenbereichen Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte profiliert und ist - so Ibarra - eine "interessante Kandidatin". Nach oben |
Ramón Cardenas von der Internationalen Kommission der JuristInnen spricht von einer ganz schlechten Auswahl, die den Raum für Straffreiheit wieder öffne. Mario Polanco von der Gruppe gegenseitiger Hilfe GAM ging noch einen Schritt weiter: er hielt fünf der Ausgewählten nicht nur für moralisch fragwürdig, sondern er sah Indizien dafür, dass diese in klandestine Strukturen eingebunden seien. Gegenüber Radio Nederland sprach er von einer Art Komplott, an dem die Berufungskommission und der Präsident Guatemalas beteiligt seien, um an die Spitze der Generalstaatsanwaltschaft Personen einzuschleusen, die den status quo der Straffreiheit zementieren sollen. Explizit spricht auch Ibarra von einem Kanidaten (Julio César Rivera Clavería), der mutmasslich Kontakte zu illegalen Gruppen hat. Der Beirat für Sicherheit, ein Rechtsberatungsgremium des Präsidenten Colom, hat selbigen in einem offenen Brief aufgefordert, die Tatsache, dass zivile Gruppen vier der sechs KandidatInnen für ungeeignet hielten, zum Anlass zu nehmen, den Auswahlprozess bzw. die KandidatInnen auf ihre moralische Integrität zu überprüfen. Colom hat die Befugnis, sich zwischen diesen sechs KandidatInnen zu entscheiden. Damit muss er allerdings noch etwas warten. Denn die Richterin der Sechsten Zivilkammer, Reina Yes Marcos, hat einem Antrag der Abgeordneten Nineth Montenegro stattgegeben und damit die Auswahl der sechs Personen für rechtswidrig erklärt. Da es einen Einspruch gegen dieses Urteil gibt, muss nun das Verfassungsgericht entscheiden. Es hat am 29. April diesen Einspruch gegen die Entscheidung der Kammer und somit gegen den Antrag von Montenegro angenommen, wartet jedoch noch auf die Urteilsbegründung und die Argumentation derjenigen, die dieses Urteil anfechten. Wie es weitergeht, erfahren die ¡Fijáte!-LeserInnen in einer der nächsten Ausgaben. |
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