Zum 30. Todestag von Oscar Arnulfo Romero - Eine persönliche Würdigung von Stephan Brües
Fijáte 457 vom 31. März 2010, Artikel 5, Seite 5
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Zum 30. Todestag von Oscar Arnulfo Romero - Eine persönliche Würdigung von Stephan Brües
24. März. Als er sein Amt als Erzbischof antrat, war er ein konservativer, weltabgewandter Theologe. Vermutlich wurde er deshalb in dieses Amt berufen. Doch die Welt mit all ihrer Ungerechtigkeit wandte sich ihm zu. In El Salvador - ganz ähnlich wie in Guatemala - herrschten wenige reiche Grossgrundbesitzer. Die armen Schichten waren immer weniger bereit, sich das gefallen zu lassen. Und manche Priester in den Basisgemeinden verharrten an der Seite der einfachen Menschen und forderten von ihrer Kirche eine vorrangige Option für die Armen, eine Haltung, die das herrschende System in Frage stellte - und die Theologie, die an deren Seite war. Romero war anfangs sicher nicht auf dieser 'ideologischen' Seite der Befreiungstheologen, die insbesondere aus dem Umfeld der einflussreichen Jesuitenhochschule und dem Maryknoll-Orden kamen. Aber er erkannte deren rein pastorale Arbeit an. Umso mehr öffneten sich seine Augen, als gerade jene ermordet wurden, vielfach an der Seite der campesinos. Romero wurde vom "konservativen Saulus zum progressiven Paulus". Seine Predigten in der Kathedrale von San Salvador wurden zu Magneten für die SalvadorianerInnen; die Kirche war überfüllt, und viele Gläubige verfolgten die Worte ihres Erzbischofs auf dem Platz vor der Kathedrale. Immer deutlicher prangerte Romero die Herrschenden an, stellte sich auf die Seite der Armen und sprach ihnen Mut zu: "Liebe Brüder", sagte er und meinte auch die Schwestern, "in diesen schwierigen Momenten der Geschichte unseres Landes hat es den Anschein, als ob es keine Lösung ausser durch Gewalt gebe würde. (...) Doch, es gibt eine Lösung und diese ist die Liebe und der Glaube, die uns die Augen öffnen, um die Kirche nicht als Feind zu betrachten, sondern als Ort, wo Gott allen Menschen begegnen will." Doch selbst solch versöhnliche Worte reichten den Herrschenden aus, um Romero als Kommunisten zu beschimpfen. Aber Romero legte nach: "Das, was uns trennt, ist das, was uns eint: die Armut, die Notwendigkeit, das Überleben zu sichern, ein kleines Stück Brot an die Kinder zu geben." Immer mehr Militärs drängten in die Kirche. Und Romero rief sie öffentlich auf, von ihrer Gewalt und Folter abzulassen, ansonsten müsse er sie exkommunizieren. Das war vermutlich der letzte Stein, der den Mordplan ins Rollen brachte. Am 24. März 1980, vor 30 Jahren, wurde Oscar Arnulfo Romero während eines Gottesdienstes in der Kathedrale erschossen. Die Mörder gehörten zur Todesschwadron der Regierungspartei ARENA, die bis vor kurzem das Land beherrschte. "Mich könnt Ihr ermorden, aber nicht die Stimme der Gerechtigkeit", das war sein Vermächtnis, ausgesprochen kurz vor seinem Tod. Als dies geschah, war ich noch nicht mal 15 Jahre alt. Zwei Jahre später wurde in meiner Heimatstadt ein Eine-Welt-Zentrum eröffnet, und Vorträge und Diskussionen über Befreiungstheologie fanden dort häufig statt. Sie haben mich stark beeinflusst - in meiner Spiritualität, in meiner politischen Arbeit und in meiner Passion für Mittelamerika. Ich erinnere mich an Wortgottesdienste zum Jahrestag seiner Ermordung. An das Stück "Romero" der Berliner Compagnie, das ich auf einem Evangelischen Kirchentag gesehen habe. Auch an den US-Spielfilm. Und in der Stadt Münster, in der ich studierte, hat die Christliche Initiative Romero ihren Sitz, die viele mittelamerikanischen sozialen Bewegungen unterstützte und bis heute unterstützt. Die Guatemala-Solidaritätsbewegung in Deutschland hatte ihren Sitz im Romero-Haus in Bonn. Nach oben |
In all dieser Zeit habe ich noch nicht gewusst, dass ich selbst mal in die Region reisen würde. Als ich das erste Mal in Guatemala war, traf ich im Petén einen salvadorianischen Priester, der sich an der Seite sozialer Bewegungen im Allgemeinen und der zurückkehrenden Flüchtlinge im Besonderen engagierte. In seiner umfangreichen Bibliothek war der Geist Romeros, seines Landsmannes, spürbar. Ein Geist, der auch manche guatemaltekischen Bischöfe beseelt. Man denke an Juan Gerardi, der wie Romero sein Engagement mit dem Leben bezahlte. Auch ein anderer Bruder im Geiste, Bischof Ramazzini aus San Marcos, wird häufig bedroht. Von vielen mittelamerikanischen KatholikInnen wird Romero als ein Märtyrer verehrt, als ein Heiliger. Am salvadorianischen Jesuiten Jon Sobrino wird jedoch die aktuelle Lage der Kirche deutlich. Bereits 1992 sprach er in einem Text für einen Kreuzweg anlässlich von 500 Jahren Eroberung Lateinamerikas vom "Heiligen Romero von Amerika". Er selbst jedoch, der in der mittelamerikanischen Theologie sozusagen als legitimer Nachfolger Romeros gilt, wurde kürzlich vom Vatikan gemassregelt. Und immer mehr Bischöfe sind oder werden so wie Romero zu Beginn war: Weltabgewandt und konservativ. Die Katholische Kirche in Zentralamerika als einflussreiche moralische Institution braucht Nachwuchs, die im Sinne Romeros und Ramazzinis handeln. Praktisch - und nicht nur verweisend auf anbetungswürdige Selige oder Heilige mit Namen Oscar oder Juan. |
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