Hijóle, die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: "Sie" - der Frauensektor
Fijáte 456 vom 17. März 2010, Artikel 7, Seite 6
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Hijóle, die monatliche Kolumne von Fernando Suazo: "Sie" - der Frauensektor
Soviel ich weiss, gibt es keinen internationalen Tag des Mannes. In einer patriarchalischen Gesellschaft brauchen wir ihn nicht zu feiern. Die Menschen leben täglich das normale, und ausserhalb der Routine feiern sie das Aussergewöhnliche. So beschäftigen wir auf unserem Planeten Tag für Tag Massen mit den undankbaren und häufig erniedrigenden Aufgaben der Arbeit. Aber wir reservieren uns den 1. Mai, um die Würde der ArbeiterInnen zu zelebrieren, weil die Würde der Arbeit und der ArbeiterInnen nicht die Norm ist, sondern die Ausnahme. Oder: unsere PolitikerInnen geben mit vollen Händen die natürlichen Ressourcen an internationale Unternehmen ab, und statt den Tag des Öls oder der Korporationen lassen sie uns den Tag der Unabhängigkeit begehen. Weil das Öl, das Gold etc. unsere tägliche Schande ist, wird die nationale Unabhängigkeit zu etwas Aussergewöhnlichem, zu so etwas wie einem nationalen Hirngespinst. Vielleicht aus ähnlichen Gründen brauchen wir den Tag des Mannes nicht zu feiern, sondern den Tag der Frau. Durch das Feiern dieser ungewöhnlichen, seltenen und ausschliessenden Realitäten waschen sich die Privilegierten des Systems - waschen wir uns - öffentlich das Gewissen in der Absicht, dass alles oder fast alles gleich bleibt. Man kann ein Liste dieser Hirngespinst-Realitäten erstellen, indem man die entsprechenden internationalen Tage sucht: des Friedens, der Menschenrechte, des Kindes, der Muttersprache, des Wassers, gegen die Korruption, gegen die Rassendiskriminierung, der Umwelt ... Und sich dabei der minimalen Resultate bewusst werden, die diese Feierlichkeiten mit sich bringen. Die JournalistInnen sprechen vom "Frauensektor", und hier wie in andern Fällen betrügt sie die Sprache (es ist, wie wenn sie vom Produktiv-Sektor sprechen und eigentlich nur die grossen Unternehmen meinen). Weil die Sache, die die Frauen verteidigen, ist nicht die Sache eines Sektors, sondern der ganzen Gesellschaft. Alle, Männer und Frauen, sind daran interessiert, dass wir uns wie Subjekte begegnen. Denn wir Männer sind nur Subjekte, wenn auch die Frauen für uns auch Subjekte sind. Und hier eine Klärung: "Subjekt" kommt nicht vom (spanischen) Verb "unterwerfen", sondern vom lateinischen "sub-iectum", was soviel bedeutet wie das Latente, das Hinter-den-Dingen-Steckende. Das Subjekt ist dieses profunde Prinzip, aus dem die freien Aktionen und das Verhalten der Menschen hervorgehen. Das Gegenteil von "Subjekt" ist "Objekt" vom Lateinischen "ob-iectum". Das ist das, was man vor sich hat, was zur Verfügung steht, manipulierbar ist. Es ist also klar: Frauen sind Subjekte, nicht zur Verfügung stehende Objekte, und sie sind auch nicht Besitz des Mannes. Die Kriegsherren der verschiedenen Epochen, Länder und Kulturen, allesamt Patriarchen, haben die Frauen als Objekte benutzt, um die feindliche Bevölkerung zu schädigen. Indem sie ihre Körper vergewaltigten und demütigen, wollen sie nicht bloss exponentiell ihr Leiden erhöhen, sondern wie in Guatemala von innen her die Identität und den Zusammenhalt der Gemeinden zerstören. Am Volkstribunal gegen sexuelle Gewalt an Frauen während des bewaffneten Konflikts, das in Guatemala am 4./5. März stattgefunden hat, haben wir unerträgliche Berichte über die Bestialität der guatemaltekischen Streitkräfte gehört. Und wir haben begriffen, wie das dominierende Patriarchat in den Mestizen- und Maya-Gesellschaften die vergewaltigten Frauen gezwungen hat, sich sozial schmutzig und schuldig zu fühlen. Sie wurden allein gelassen und zur Stigmatisierung verurteilt (Gutachten der Psychologin Olga Alicia Paz) und fühlten und fühlen sich als Konsequenz dessen immer noch von ihren Gemeinden ausgeschlossen, weil diese sie als "Frauen der Soldaten" für die Tragödie der Gemeinde verantwortlich machen. Die Frauen lehnen ihre Kinder ab, die ein Produkt diese sozialen Sünde sind. Nach oben |
Die Anthropologin Alicia Velásquez Nimatuj weist in ihrem Gutachten darauf hin, dass dies immer noch einer der Gründe des aktuellen Zerfalls vieler Maya-Gemeinden ist. Nebst der Missbilligung dieser makabren Taten, die auf schmerzhafte Weise die Erinnerung der Opfer wieder belebt, ist es notwendig, dass unsere Gesellschaft tiefgreifend die patriarchalen Modelle revidiert, die alles um uns durchdringen: die Familie, die Kultur, die Religion, die Wirtschaft, die Bildung, die Gesundheitsinstitutionen, die öffentliche Sicherheit, die Justiz und das politische Handeln. Es genügt nicht, sich auf die Brust zu klopfen, wenn wir die MagisterInnen des Tribunals sagen hören, dass, "die notorische Tatsache, dass kein mittlerer oder höherer Offizier des Militärs oder der staatlichen Sicherheitskräfte für diese langjährigen Menschenrechtsverletzungen prozessiert oder verurteilt wurde, die Wahrnehmung verstärkt, dass die Mehrzahl dieser Vergewaltigungen Ergebnis einer institutionellen Politik war, die eine absolute Straffreiheit garantierte, die bis zum heutigen Tag andauert." Dies ist offensichtlich, aber es genügt nicht. Wir müssen weit über die Genozid-Politik, die wir bereits kennen, unsere kulturellen Muster verändern, die weiterhin Frauen, die nicht mehr exklusiver Besitz eines Mannes sein wollen, schuldig sprechen, stigmatisieren und in ein lebenslängliches Gefängnis des Schweigens einsperren. Am Tribunal haben wir verblüfft das mit zitternder Stimme vorgetragene Zeugnis einer Frau gehört, die vor den Augen ihrer Tochter von den Militärs vergewaltigt worden ist, wie sie hernach zu ihrer Tochter sagte: "Wir sagen zu Deinem Vater nichts, denn er würde uns mit der Machete umbringen." Weit über die Orgien dieser uniformierten Monster hinaus gibt es in unserem sozialen Leben vieles in unseren Beziehungen zu Frauen, das wir ändern müssen. Ihr Kampf ist nicht der Kampf eines bestimmten Sektors, sondern geht an die Wurzel unseres menschlichen Daseins und betrifft sämtliches zwischenmenschliches Agieren. |
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